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Über die Kraft des Kollektivs Was Firmenchefs von Fußballtrainern lernen können

Fußballtrainer sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht vor allem eins: Produktmanager, die in kurzer Zeit das Maximum herausholen müssen. Was können Firmenchefs von Löw, Deschamps und anderen Coaches lernen? Eine Analyse.
06.07.2016 - 12:40 Uhr Kommentieren
Die Coachs sind in einer Situation, in der die meisten Unternehmenschefs am liebsten nicht sein wollen. Quelle: dpa
Bundestrainer Löw

Die Coachs sind in einer Situation, in der die meisten Unternehmenschefs am liebsten nicht sein wollen.

(Foto: dpa)

Eine Gruppe, auch die Euro-Gruppe, lebt von Stimmungen und Gefühlen. Aus rein gruppenpsychologischer Sicht wäre es von daher sicherlich am besten, Frankreich würde am kommenden Sonntagabend Fußball-Europameister und es gewönne nicht wieder – wie bei der Weltmeisterschaft 2014 – der Nachbar Deutschland. Der erwirtschaftet bekanntlich jedes Jahr stramme Exportüberschüsse, die die anderen Gruppenmitglieder nicht haben, Frankreich schon gar nicht.

Nun geht es in dem unbarmherzigen Wettbewerb Fußball nicht nach Gefühlen und Psychologie, sondern nach einer Reihe anderer Faktoren, unter denen der auffälligste die Leistung des Trainers ist. Die Männer, die im Anzug oder mit Chino und V-Pullover an der Seitenlinie des Spielfelds stehen, scharren oder schreien, sind betriebswirtschaftlich betrachtet vor allem eines: Produktmanager, die lediglich für eine gewisse, eng gezogene Zeit im Jahr Verantwortung bekommen für äußerst empfindliche, verwöhnte Angestellte, die zudem noch viel mehr Geld verdienen als ihr Teilzeit-Vorgesetzter selbst. Die Trainer sind also in einer Situation, in der die meisten Unternehmenschefs am liebsten nicht sein wollen. Was aber können Letztere von Ersteren lernen?

Die von den Fußballverbänden angeheuerten Produktmanager müssen für das Kunststück sorgen, einerseits ihr eigenes System in kürzester Zeit der Belegschaft aufzuzwingen, andererseits dabei ein Maximum an Motivation und Nervenstärke herzustellen – eine Herausforderung, die jeder Topmanager kennt. Die Spieler müssen auch in der Verlängerung der Verlängerung der Verlängerung, also beim „Shoot-out“ der Disziplin Elfmeter, erfolgreich sein.

Aus „Italien-Opas“ wird eine schlagkräftige, defensivstarke Einheit

Gemessen an diesen Kriterien hat es der deutsche Vorgesetzte Joachim Löw schon zur Meisterschaft gebracht. Die eigentliche Performance ist nicht das 7:6 gegen Italien oder das 3:0 gegen die Slowakei, sondern die Aktivierung des Umlaufvermögens, das sie in Frankreich „La Mannschaft“ nennen. Dank der Führungskünste des Trainers Löw ist seine Abteilung längst eine Marke geworden, die die Maximierung der Sponsoreinkünfte genauso betreiben kann wie die Minimierung der Langeweile, die früher mit deutschem, försterhaftem Fußball („Rumpelfüße“) verbunden war.

Überraschender Underdog. Quelle: AFP
Island-Coach Lars Lagerbäck

Überraschender Underdog.

(Foto: AFP)

Löw ist wie jeder gute Manager klug genug, zu delegieren und sich auf ein großes Team zu verlassen, in dem Funktionen wie Scouting, Psychologie, Wettbewerbsbeobachtung, Öffentlichkeitsarbeit und Fitness gut verteilt sind. Im Fußball zählt, was die Europäische Union im Falle ihres britischen Auswechselspielers auch gerne hätte: die Kraft des Kollektivs. So gesehen ist auch ein paar anderen Trainern bei dieser EM Erstaunliches geglückt. Antonio Conte zum Beispiel formte aus älteren Spielern, die der Boulevard als „Italien-Opas“ diffamierte, eine schlagkräftige, defensivstarke Einheit. Er selbst symbolisierte den Führungstyp Antreiber, der mit rahmengenähtem Schuh den Ball wegdrosch, wenn es ihm passte. Ein Produktmanager, der stets voller Leidenschaft seine Leute motiviert.

Oder Portugals Coach Fernando Santos: Er verwandelte Improvisationskünstler in eine Art Fußballarmee, die mit dem Zugriff bis zum schwachen Moment des Gegners wartet und die sogar den Stürmernarzissten Cristiano Ronaldo wie weiland Berti Vogts verteidigen lässt. Es gibt keinen hässlichen oder schönen Fußball, so seine Losung, sondern nur erfolgreichen oder nicht erfolgreichen. Er klingt wie weiland Gerhard Schröder in der Wirtschaftspolitik.

Deschamps ist der Autokrat unter den Trainern

Ein Sonderfall sind die coachenden Produktmanager von Wales und Island: Sie mussten nur mit der Droge Aufmerksamkeit locken, die jedem Underdog zuteilwird, der Favoriten schlägt. Das schmälert ihre Leistung nicht, mit der Kameraderie der Zweit- und Drittligisten das größte Überraschungsprodukt dieser EM gemacht zu haben. Sie lehren die Wirtschaftswelt: Es muss nicht immer die schiere Größe sein, sondern es zählt die Leidenschaft.

Und Didier Deschamps, der General-Manager der Franzosen? Er war selbst Spitzenspieler, gewann Welt- und Europameisterschaft, vielleicht lebt er deshalb in einem leicht angespannten Zustand mit seinen Stars. Er ist der Autokrat unter den Trainern, einer, der Spieler eher alibimäßig mitreden lässt und permanent umbaut, was er mit Hinweis auf seinen deutschen Kollegen verteidigt. Der Zwang, vor heimischem Publikum gewinnen zu müssen, kommt hier erschwerend hinzu.

Geht es nach den Führungsqualitäten der Trainer, müssten die Deutschen im Halbfinale am Donnerstag gewinnen. Aber wie in jedem Markt gibt es Irrationalitäten. Falsche Schiedsrichterentscheidungen (in der Wirtschaft Kartellamtssprüche) zum Beispiel oder vielleicht Pfostenschüsse, die wie Spontanstreiks wirken. Die viel besungene deutsch-französische Freundschaft wird beides aushalten, Sieg oder Niederlage. Sie werden den Trainer auf Händen tragen. So, wie es mancher Unternehmensmanager sicherlich auch mal erleben möchte.

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