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VW, Deutsche Bank, Siemens „Das System Piëch umzudrehen dauert Jahre“

VW versucht den „Kulturwandel“ seit Kurzem, die Deutsche Bank schon lange. Warum ihn nicht viele Top-Manager glaubhaft verkörpern – und in welcher Lage VW-Chef Müller nach der verpatzten USA-Reise steckt. Ein Interview.
24.01.2016 - 19:02 Uhr
Dem neuen Konzernchef Müller soll der Kulturwandel gelingen. Quelle: dpa
Richtungsänderung bei VW

Dem neuen Konzernchef Müller soll der Kulturwandel gelingen.

(Foto: dpa)

Matthias Müller macht im VW-Abgasskandal keine gute Figur. Keine Einigung mit den US-Behörden, dazu noch das verpatzte Radio-Interview in den USA. Der Vorstandschef scheint verunsichert, wo er doch Vorreiter für die neue Firmenkultur sein so. Kann so der ausgerufene Kulturwandel gelingen? Berater Günther Grassmann spricht im Interview über die Aufgaben von Top-Managern beim Thema Kulturwandel, wer diesen sonst noch treiben kann und wie der Wandel vor allem im Mittelstand funktioniert.

Herr Grassmann, gibt es typische Verläufe von Reformprozessen in Konzernen? Oder sind die Parallelen zwischen den Fällen Deutsche Bank, Siemens und VW Zufall?
Ich glaube, dass in vielen Fällen eine solche Art des Kulturwandels häufig durch eine massive Krise in der Organisation ausgelöst wird, meist eine wirtschaftliche Krise, die das Unternehmen im Kern trifft. Im Mittelstand sind solche Krisen oft mit dem Thema Globalisierung verbunden, in großen Konzernen können es auch Einzelthemen sein: Korruption, Skandale. In einigen Fällen wird dann der Kulturwandel gar nicht vom Top-Management angetrieben, sondern eher von einzelnen Treibern. Das Top-Management duldet dann eher.

Der Berater ist Experte für Veränderungs- und Strategieprozesse bei der Organisationsberatung Initio. Quelle: initio
Günther Grassmann

Der Berater ist Experte für Veränderungs- und Strategieprozesse bei der Organisationsberatung Initio.

(Foto: initio)

Braucht es denn die Chefetage für einen Kulturwandel gar nicht?
Kultur ist ja in einem Konzern etwas über viele Jahre gewachsenes. Das kann dann nicht immer von der Unternehmensleitung geändert werden. Ich kann mich an Daimler erinnern, da gab es vor vielen Jahren eine Vorstandsanweisung zum Thema Kulturwandel, in der die Mitarbeiter angewiesen wurden, flexibler zu sein. Sowas klappt natürlich nicht. Das ist kein Kulturwandel. Ich glaube aber der Vorstand hat das ernst gemeint, der Ansatz war nur nicht zielführend. Kulturwandel bewirkt man vor allem, indem man auf vielen Ebenen Veränderungen einleitet und gute Beispiele vorlebt. Mitarbeiter müssen auf den ersten Blick erkennen können, warum es sich für sie lohnt, eine neue Kultur zu leben. So bekommt man dann das nötige „buy-in“.

Das war ein Beispiel für einen gescheiterten Kulturwandel. Gibt es weitere Faktoren, von denen abhängt ob Kulturwandel glückt oder scheitert?
Kulturwandel wird immer dann schwierig, wenn das Wort in die eine, die Tat aber in die andere Richtung geht. Das verhindert Kulturwandel massiv. Ein zweiter großer Hinderungsgrund ist, wenn man nicht genügend Mitstreiter findet, die den Kulturwandel überzeugt vertreten. Das Top-Management muss entschlossen vorangehen – aber es braucht eben auch die mittleren und unteren Hierarchien, die man überzeugen muss. Wir nennen das Kulturinseln oder revolutionäre Zellen im Konzern, Orte in denen eine andere Kultur gelebt wird. Diese Inseln müssen gestärkt werden, damit die, die am Anfang noch unentschieden waren, sich für den Kulturwandel entscheiden und so die ganze Organisation mitnehmen.

Kommt so die Vision von der Top-Ebene bis hinunter zum Einzelnen?
Dieses Modell jedenfalls funktioniert sogar, wenn es genügend Veränderungsenergie in der Organisation gibt, das Top-Management aber nicht unbedingt hinter dem Wandel steht. Wenn es gelingt, die einzelnen Inseln miteinander zu verknüpfen, dann kann ein Kulturwandel aus der Mitte der Organisation heraus gelingen. Oft braucht es so einen Ansatz, da das Top-Management sich unheimlich schwer tut, den Kulturwandel glaubhaft vorzuleben – warum auch immer.

Die berühmten Ausrutscher der Manager
Matthias Müller: Abgasskandal heruntergespielt
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Das Interview in Detroit sorgte für Irritationen und Ärger: Als ihm ein Reporter des öffentlichen Radiosenders NPR ein paar Fragen stellt, spielte VW-Chef Matthias Müller den Abgasskandal herunter: „Ehrlich gesagt, war es ein technisches Problem.” VW hatte „nicht die richtige Interpretation der amerikanischen Gesetze“. Die Ingenieure des Konzerns hätten lediglich „Lösungen gefunden, die mit den amerikanischen Gesetzen nicht kompatibel“ gewesen seien.

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Josef Ackermann: Die Kanzlerin düpiert
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Der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann trat nicht nur durch sein Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozess ins Fettnäpfchen. Im ZDF erzählte er 2009, Kanzlerin Merkel habe ihm zu Ehren eine kleine Feier im Kanzleramt arrangiert. „Sie hat mir damals gesagt, sie würde gerne etwas für mich tun. Ich soll doch einmal etwa 30 Freunde und Freundinnen einladen aus Deutschland oder der Welt, mit denen ich gerne einen Abend zusammen sein würde – im Kanzleramt.“ Das Thema landete im Haushaltsausschuss.

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Rolf Breuer: Prozess um Kirch-Pleite
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„Was man alles darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“ So stellte Rolf Breuer, damaliger Chef der deutschen Bank, 2002 in einem Bloomberg-TV-Interview die Kreditwürdigkeit des Medienimperiums von Leo Kirch öffentlich in Frage. Zwei Monate später war die Kirch-Gruppe insolvent und bezichtigte Breuer, die Insolvenz verschuldet zu haben. Es folgten jahrelange Prozesse, die die Deutsche Bank viel Geld kosteten.

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Jürgen Schrempp: Ärger mit Großinvestor Kerkorian
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Nach einem Interview mit Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp im Jahr 2000 war der US-Investor Kirk Kerkorian verärgert. Er verklagte den Konzern auf acht Milliarden Dollar. Schrempp hatte im Gespräch mit der „Financial Times“ gesagt, der neue Vorstand sei nach der Fusion aus „psychologischen Gründen“ zunächst mit der gleichen Anzahl von Amerikanern und Deutschen ausgestattet worden. Der Milliardär warf Schrempp vor, den Zusammenschluss von Daimler-Benz und Chrysler fälschlicherweise als „Fusion unter Gleichen“ bezeichnet zu haben. Stattdessen hätten die Stuttgarter Manager von Anfang an den Plan gehabt, Chrysler in den deutschen Konzern zu übernehmen.

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Hartmut Mehdorn: Attacke gegen eigenen Aufsichtsrat
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In einem Interview im „Spiegel“ (2013) brüskierte der damals neue Berliner Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn seinen eigenen Aufsichtsrat, das Gremium, das eigentlich ihn kontrollieren sollte. Ein Bruch, der sich nicht mehr schließen ließ: „Ich habe bislang zwei Aufsichtsratssitzungen mitgemacht, es wird sehr im Detail diskutiert. Als Aufsichtsrat würde ich es anders machen. Ein Aufsichtsrat sollte sich um Grundsatzfragen kümmern.“

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Michael Meier: Aktienolymp Borussia Dortmund
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Nachdem Bayern-Manager Uli Hoeneß im Jahr 2001 nach einem Dauerscharmützel mit Borussia Dortmund den Wert der BVB-Aktien in Frage gestellt hatte, konterte BVB-Manager Michael Meier: „Ich lasse nicht zu, dass durch solche leichtfertigen Aussagen der Eindruck bei unseren Aktionären entsteht, als ob wir die einzigen sind, die nicht kaufmännisch handeln.“

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Hilmar Kopper: 50 Millionen Mark nur „Peanuts“
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Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper leistete sich 1994 einen unvergessenen Fauxpas. Er bezeichnete die Schadenssumme von ca. 50 Millionen DM, die den von Immobilien-Pleitier Jürgen Schneider beauftragten Handwerkern entstanden war und die die Deutsche Bank bezahlen würde, als Peanuts. Wörtlich: „Wir reden hier eigentlich von Peanuts!“ Angesichts der Gesamtforderungen von fünf Milliarden DM nicht ganz falsch, doch in der Öffentlichkeit wurde die Formulierung als überheblich empfunden.

(Foto: dpa)

Haben Sie Beispiele wo das so geklappt hat?
Das haben wir bei verschiedenen Mittelständlern so umgesetzt. Bei einem unserer Kunden aus der Solarbranche etwa, einem großen Mittelständler, arbeiten wir gerade in einem Globalisierungsprojekt. Die haben auch Schwierigkeiten, den Kulturwandel aus dem Top-Management vorzuleben. Aber es gibt genügend Treiber im Management, die sagen: wir wollen das, wir brauchen das. Und wenn es dann genügend einzelne Bereiche gibt, in denen eine neue Organisation greift, dann richtet sich irgendwann die ganze Organisation so aus. Auch öffentliche Unternehmen können sich so gut zu dienstleistungsorientierten Firmen wandeln.

Können denn neue Chefs, die aus dem Unternehmen kommen, einen Kulturwandel glaubhaft vorleben? Oder ist es ratsamer, dass ein neuer Chef von außen geholt wird?
Es ist immer die Frage, was jemand, der in der Organisation sozialisiert worden ist für ein Standing hat, wenn er Chef wird. Aus einer solchen Rolle heraus muss man noch deutlicher machen, dass man jetzt eine andere Kultur will – und das muss man auch durch Taten nachweisen. Das ist für Leute, die von außen kommen, meist einfacher. Da ist das Bild nicht so vorgeprägt.

„Familiengeführte Firmen tun sich deutlich leichter“
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