Walgreens-Boots-Alliance-Chef Pessina Der Drogerie-Kaiser

Pessina hat als CEO mächtig als CEO mächtig aufgeräumt.
New York In der Ruhe liegt die Kraft. Das strahlt Stefano Pessina aus, mit seiner sanften Stimme, seinen weißen Haaren und seinen Gesten. Die Finger presst er oft wie ein Schachspieler zusammen, die Augen schließt er gern länger, bevor er spricht. „Niemals sollen Gefühle eine Rolle spielen“, ist seine Leitlinie bei seinem Lebenswerk: „Ich bin gelernter Ingenieur, ich mag gerne Dinge entwickeln und bauen, die lange halten.“
Seit einigen Jahrzehnten baut der mittlerweile 74-Jährige an seinem Firmenimperium, das bisher entstandene Gebilde kann eigentlich kaum noch größer werden. Denn schon jetzt ist Walgreens Weltmarktführer, gleichwohl der aus Italien stammende Chef von Walgreens Boots Alliance 9,4 Milliarden Dollar für den US-Konkurrenten Rite Aid bietet.
Genehmigen die Kartellbehörden den Deal, herrscht Pessina über ein globales Drogeriemarkt-Reich mit einem Umsatz von mehr als 102 Milliarden Dollar. „Es gibt einen neuen Sheriff in der Stadt“, kommentiert Erik Gordon, Assistenz-Professor für Wirtschaft an der University of Michigan, die Milliardenakquisition.
Fusion mit UniChem war ein Meilenstein
Vieles ist ungewöhnlich an Pessina. Dass er trotz des hohen Alters ein Unternehmen führt. Dass seine Firma Alliance Boots von Walgreens gekauft wurde, er aber vor wenigen Monaten den Vorstandssitz kaperte. Dass er sich trotz seines Privatvermögens von fast 14 Milliarden Dollar überhaupt noch mit dem Tagesgeschäft abgibt. Er folge einer Vision, sagt er: „Eine globale Plattform formen“, die es mit der Onlinekonkurrenz und der Macht der Pharmakonzerne aufnehmen kann.

Online-Handel und Pharmakonzernen die Stirn bieten.
In Italien, seiner Heimat, fing vor 37 Jahren alles an. Der studierte Nuklearingenieur sanierte das familieneigene Unternehmen, einen Pharmagroßhändler. Er übertrug die Logik des Ingenieurs auf das Geschäftsmodell: Lagerhaltung richtig managen, Produkte effizient vertreiben. Danach übernahm Pessina eine Reihe von italienischen Konkurrenten, formte im Jahr 1977 Alleanza Farmaceutica, das er mit den Jahren in den europäischen Großanbieter Alliance Sante verwandelte. Entscheidend war 1998 die Fusion mit dem britischen Konkurrenten UniChem. Acht Jahre später übernahm er mit Unterstützung des Finanzinvestors KKR für 22 Milliarden Dollar die britische Drogeriekette Boots.
Der US-Drogerieriese Walgreens vollzog die Übernahme von Alliance Boots in zwei Schritten. Aber CEO Greg Wasson konnte den Triumph nicht lange feiern. Das Unternehmen geriet unter großen politischen Druck, als es seinen Sitz aus steuerlichen Gründen nach Europa verlegen wollte. Wasson machte einen Rückzieher, was ihm einflussreiche Aktionäre verübelten, wie Barry Rosenstein vom Hedgefonds Jana Partners.
Das Imperium immer im Blick
Rosenstein gefiel Pessina mit seiner Erfahrung. Mehrfach hatte er bewiesen, dass er die Kosten radikal senken, die Mitarbeiter aber trotz der Einschnitte zusammenhalten kann. „Eine gemeinsame Kultur ist von entscheidender Bedeutung“, sagte der Mann mit Wohnsitz Monaco, „daran scheitern sehr viele Fusionen“. Zusammen mit anderen Anteilseignern hievte Rosenstein Pessina in den Chefsessel.
Bei Walgreens bekamen die amerikanischen Mitarbeiter den neuen Wind rasch zu spüren. Keine 100 Tage im Amt, schloss Pessina 200 Filialen. Das hört sich bei insgesamt 8300 Geschäften in den USA zunächst nach wenig an, bedeutete aber einen klaren Kurswechsel. Pessina zückt den Rotstift, in drei Jahren will er 1,5 Milliarden Dollar einsparen. „Die Filialschließungen sind der erste Teil von vielen Maßnahmen“, sagte Adam Fein von der Wirtschaftsberatung Pembroke.
Ähnliches dürfte den Angestellten des Konkurrenten Rite Aid blühen, der in den USA knapp 5000 Drogeriemarktfilialen betreibt. Vor allem in Kalifornien, New York und Massachusetts gibt es zu viele Standorte. Gemeinsam kommen Walgreens und Rite Aid auf einen US-Marktanteil von 46,5 Prozent.
Pessina gilt als arbeitssüchtig, rund um die Uhr telefoniert er mit Mitarbeitern der Firma, an der er 16 Prozent hält. Hilfe bekommt er von Ehefrau Ornella Barra, mit der er seit 30 Jahren zusammen ist. Barra verkaufte 1986 ihr Unternehmen an Pessina und ist jetzt Executive Vice President im Konzern. Teile und herrsche, sozusagen.