Brun-Hagen Hennerkes „Junioren folgen nicht mehr automatisch nach“

Der Rechtsanwalt gründete die Stiftung Familienunternehmen im Jahr 2002.
Düsseldorf Der Interessenvertreter deutscher Unternehmerdynastien ist einer der erfolgreichsten Lobbyisten Deutschlands. Der heute 77-Jährige gründete die Stiftung Familienunternehmen 2002. Dort sind rund 500 von ihnen organisiert. Der Anwalt saß in fast hundert Aufsichtsgremien von Familienunternehmen, darunter Bijou Brigitte, Hugo Boss und Edding. Operativ ist er nicht mehr tätig, aber wie seine früheren Klienten geht er noch regelmäßig ins Büro. Zurzeit schreibt er seine Autobiografie.
Herr Hennerkes, im Fokus der Studie stehen Unternehmen, „bei denen davon auszugehen ist, dass für sie eine Verlagerung an einen ausländischen Standort eine realistische Option darstellt“. Das klingt wie eine Drohung an die Bundesregierung…
Nein, eine echte Verlagerung einer Holding oder von Hauptproduktionsstätten plant zurzeit kein Familienunternehmen − es geht vielmehr um Neu- und Ersatzinvestitionen.
Die großen Familienunternehmen könnten auch in der Heimat mehr investieren, warum tun sie es nicht?
Die Rahmenbedingungen sind hierzulande derzeit nicht günstig. Trotzdem haben die 500 größten Familienunternehmen zwischen 2006 und 2014 hier fast eine halbe Million neuer Jobs geschaffen. Es gibt jedoch Orte, wo sie investieren sollten, wie zum Beispiel in Asien, Amerika, Osteuropa − viele Auslandsmärkte wachsen schneller als unser Land. Da will man dann vor Ort dabei sein. Die Familienunternehmen wollen investieren, sind aber noch vorsichtig und stecken ihre Kraft zunächst in bestehende Standorte und Forschungsprojekte.
Stillstand beim Außenhandelsabkommen TTIP, Brexit und auch der Wahlsieg Donald Trumps treffen deutsche Unternehmer...
Familienunternehmer warten ab, wie sich die Politik in der EU, in den USA und in China entwickelt, bevor sie dort ein neues Werk bauen. Familienunternehmen investieren auch antizyklisch − wie das Bauunternehmen Goldbeck derzeit in Großbritannien.
Welche Branche wird am meisten unter einer möglichen Abschottung leiden?
Das Erschließen fremder Märkte wird dadurch für all diejenigen schwieriger, die keine Weltkonzerne sind. Wenn die Abschottung zunimmt, egal von welcher Seite, werden die Unternehmen profitieren, die mit Produktionsstätten vor Ort sind, wie zum Beispiel die großen Autozulieferer. Kleinere Zulieferer besitzen aber meist keine Produktion vor Ort, sie werden mehr leiden. Letztlich bin ich aber optimistisch, weil Familienunternehmen darin geübt sind, Lücken zu schließen.
Deutschland ist im Ländervergleich sitzen geblieben. Was soll die Politik konkret ändern?
Die EU will, dass Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro ihre Geschäftsdaten im Internet veröffentlichen. Die Familienunternehmen bewegen sich meist in kleineren Märkten als die großen Konzerne. Wenn sie sich völlig entblößen müssen, offenbaren sie zu viel gegenüber ihren außereuropäischen Wettbewerbern. Die Politik sollte zudem von allen Steuererhöhungen Abstand nehmen. Wir sind ja bereits ein Hochsteuerland. Wir müssen auch bei Innovationen, Bildung und Produktivität ständig besser werden. Wir brauchen niedrigere Steuertarife und eine breite Bemessungsgrundlage.
Bei der Erbschaftsteuer haben Sie ja genau dagegen gekämpft...
Bei dieser Steuer handelt es sich um eine Substanzsteuer, welche ohne Verschonung des Betriebsvermögens die Existenz eines Familienunternehmens gefährden kann.
Aber den deutschen Familienunternehmen geht es doch gut, oder?
Den meisten größeren Familienunternehmen geht es so gut wie nie zuvor. Viele von ihnen weisen ein gutes Eigenkapitalpolster auf, so dass sich die Banken streiten, wer den Kredit vergeben darf.
Und wo haben die Familienunternehmen blinde Flecken?
Sie sind auf Cyberattacken schlecht vorbereitet, obwohl sie vom Geschäftsmodell her Industrie 4.0 längst verinnerlicht haben. Sie haben ihre Exportmärkte im Griff, aber sie sollten auch schauen, was sich an den Universitäten in Tschechien, Bulgarien, Ungarn und in der Slowakei tut. Deutsche Familienunternehmen tun sich nicht immer leicht, qualifizierte Mitarbeiter für die Provinz zu begeistern. Absolventen aus Osteuropa wären interessiert.
Und wie interessiert sind die Nachfolger?
Das ist eine Kernfrage für Familienunternehmen. Die Familien werden internationaler, die Kinder studieren häufig an amerikanischen Hochschulen, und dort lernen sie, selbst etwas aufzubauen. Anders als früher treten die Junioren nicht mehr automatisch in die Spuren des Seniors.
Herr Hennerkes, vielen Dank für das Interview.
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