Deutschlands schönste Manufakturen Die Wiege von „Made in Germany“

Matthias Vickermann (l.) und sein Geschäftspartner Martin Stoya.
Berlin Die Geschichte über ein Buch, das am Dienstagabend in Berlin noch nach Druckerschwärze duftend, vorgestellt wurde, lässt sich aus zwei Perspektiven erzählen: von ganz unten, „Bottom up“ sozusagen. Oder von ganz oben, „Top down“ wie der Manager sagt.
Die erste Perspektive klingt so: Matthias Vickermann war einst Steuerfachangestellter im Ruhrgebiet. Mit mäßigem Spaß bei der Sache. Zu viel Zahlen. Über eine Zahl allerdings konnte er nicht hinwegsehen: 50. Das ist seine Schuhgröße. Der Steuerfachmann auf dem großen Fuß beschloss umzusatteln, wurde Schuhmacher, genauer gesagt: Maßschuhmacher und eröffnete mit seinem Kollegen Martin Stoya im noblen Baden-Baden eine Maßschuhmacherei.
Er reist seither durch Deutschland, nimmt Maß, schleift Leisten und liefert exklusive Schusterrappen für Preise ein bisschen unter 2000 Euro. Der Betrieb floriert und Vickermann, der mit seiner imposanten Zwei-Meter-Erscheinung und dem nach hinten gegeelten Haaren auch als Investmentbanker durchgehen könnte, landete am Dienstagabend im deutschen Auswärtigen Amt bei der schon erwähnten Buchvorstellung.
An dieser Stelle setzt die „Top down“-Geschichte ein. Der Blick von oben. Ihn hat Guido Westerwelle. Der Bundesaußenminister ist auch nach seinem Abgang aus FDP-Spitzenämtern ein vielbeschäftigter Mann, der sich zwischen Brüsseler Finanzproblemen, syrischer Resolution und iranischer Provokation am Dienstag auch noch die Zeit nahm, an die 200 Unternehmer vom Schlage eines Matthias Vickermann im prächtig geschmückten Europa-Saal seines Amtes zu empfangen.
Der Europasaal, das ist der, wo einst Politbüromitglied Günter Schabowski eher aus Versehen die Reisefreiheit für DDR-Bürger verkündete und damit zur blitzartigen Entleerung und letztlich dem Ende der DDR beitrug. Westerwelle war nicht ganz so historisch, aber immerhin: „Dieses schöne Stück Deutschland“, sagte er und blickte in stolze Unternehmergesichter, „mehrt das Ansehen unseres Landes“. Damit waren die Unternehmer selber gemeint und damit war auch erklärt, warum der eine für den anderen einen Empfang gibt.
Label im Wandel - "Made in Germany"
Dazu, dass beide, Vickermann und die vielen Unternehmer auf der einen Seite sowie Westerwelle und die Beamten des Auswärtigen Amtes auf der anderen Seite, zusammenkamen, hat aber noch jemand drittes beigetragen: Florian Langenscheidt und Peter May sind die Herausgeber des Buches „Handgemacht“, die schönsten Manufakturen Deutschlands. In dem Band, der sich eher in Kilo als in Seiten misst, haben die Herausgeber 100 deutsche Manufakturen zusammengestellt, die eine Jury für besonders schön befunden hat. Ihr Motto könnte ein Ausspruch von Oscar Wilde sein, der so lautet: „Das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand, das Außergewöhnliche ihren Wert.“
Von Wert sind Unternehmen wie der Rahmenmacher F.G. Conzen, der seit 1854 Kunst einen Rahmen gibt. Oder der „Hutkönig“, der seit 150 Jahren in Regensburg beispielsweise aus den Rückenhaaren sibirischer Wildhasen Kopfbedeckungen der Extraklasse fertigt. Auch Vickermanns Maßschuhmacherei ist dabei. Mit ihrem Geburtsjahr 2004 gehört sie in der Liste der traditionsreichen Manufakturen absolut zu den Neuankömmlingen. Werte schafft sie dabei auf jeden Fall. Über Beständigkeit wird Vickermanns Sohn irgendwann einmal Auskunft geben können. Er ist aktuell acht Monate alt.
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