Entführung und Erpressung Die Angst immer dabei
Düsseldorf Wenn der Chef persönlich wirbt, verspricht das Glaubwürdigkeit. Der Babykost-Fabrikant Claus Hipp lebt das vor, ebenso der Müsli-Macher Willi Pfannenschwarz – die Stimme des Seitenbacher-Chefs ist ein deutschlandweit bekannter Ohrwurm.
Doch das Foto-Shooting mit dem Chef für Website und Marketing-Unterlagen war für Manfred Richter alles andere als eine leichte Entscheidung. Seinen echten Namen will der Chef eines mittelständischen Industriebetriebs daher nicht veröffentlicht wissen. Denn seine Frau warnte vorher vor den Nebenwirkungen. „Wenn du überall zu sehen bist, ist das nicht gefährlich?“, sagte sie Richter. Ihre Sorge: Erpressung, Entführung, üble Nachrede. „Ich musste Sie ganz schön beackern, um die Zustimmung zu bekommen“, erklärt der Chef von mehreren Hundert Mitarbeitern.
Die Sorge vor Erpressung ist nicht unbegründet, wie zuletzt das Beispiel von Carsten Maschmeyer zeigte. „Hier kommt Dein Alptraum“ begann ein Brief, der am 24. April bei ihm eintraf. „Du hast keine Chance“ endet ein zweiter, zwei Wochen später. Die Briefe, die Handelsblatt Online in Abschrift vorliegen, sind aus ausgeschnittenen Buchstaben zusammengesetzt. Maschmeyer soll seinen Rechtsstreit mit einer Schweizer Bank beenden, fordert der Erpresser. Der Investor verließ sein Haus seither nur noch mit Personenschützern.
Auch Entführungen kommen vor. Erst in der vergangenen Woche sagte vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) ein 53-jähriger Vorstandsvorsitzender aus, der im Herbst 2012 mehr als 30 Stunden in der Gewalt des sogenannten „Maskenmann“-Entführers verbracht hatte. „Der Täter sagte, es geht nur um Geld“, schilderte das Opfer vor Gericht. Auch die Entführungen von Fabrikantensohn Richard Oetker, Aldi-Gründer Theo Albrecht und Jan-Philipp Reemtsma sind vielen Unternehmern und ihren Familien in lebhafter Erinnerung. Erpresst oder sogar entführt zu werden, ist für deutsche Manager eine reale Gefahr.
Für die Firmen sind Entführungen und Erpressungen ein kitzliges Thema – um potenzielle Täter nicht zu animieren, sehen sie ihre eigenen Fälle nicht gerne in der Zeitung. Deshalb fällt es schwer, das Ausmaß der Thematik zu erfassen. Das Kieler Institut für Krisenforschung führt zwar eine Datenbank aller Erpressungsfälle in Deutschland seit 1984 – gibt ihre Anzahl aber nicht heraus. Frank Roselieb, Leiter des Instituts, entschuldigt sich mit Verweis auf ein „Gentlemen’s Agreement“. Man habe sich mit Unternehmen darauf verständigt, die Zahlen nicht in die Öffentlichkeit zu tragen.
Im Jahr gebe es in Deutschland 20 bis 25 Fälle von Entführungen, so viel verrät Roselieb dann doch. Und er sagt, dass Erpressungen deutlich häufiger vorkämen. Etwas präziser wird Stefan Peters, Mitglied der Beratergruppe für schwerste Gewaltkriminalität der Polizei Nordrhein-Westfalen. Er spricht von rund 50 Erpressungsversuchen im Jahr bundesweit. Die Fallzahlen seien in den letzten Jahren rückläufig bis stabil auf niedrigem Nievau, verglichen mit den 1990er-Jahren.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.