Aitme Ein Kochroboter soll Deutschlands Kantinen erobern

Seit Februar ist der etwa drei mal drei Meter umfassende Vollautomat mit den beiden Roboterarmen im Testbetrieb.
Augsburg, Berlin Die in verschiedenen Pastelltönen gehaltene Box sieht aus wie eine von Apple gestaltete Pommesbude. Und tatsächlich will ihr Erfinder Emanuel Pallua auch genau diese beiden Assoziationen wecken: Essen in Verbindung mit neuester Technik und modernem Design. Der Prototyp seiner vollautomatisch arbeitenden Kantine wurde im Dezember in einer Augsburger Fabrikhalle fertiggestellt.
Seit Februar ist der etwa drei mal drei Meter umfassende Vollautomat mit den beiden hinter einer Glasscheibe arbeitenden Roboterarmen im Testbetrieb, und zwar in einem Ladenlokal in der Auguststraße in Berlin-Mitte. Dort können Kunden nun, mit Blick auf die Corona-Hygienevorschriften, Essen to go erwerben. Später, so ist es das Ziel, soll der Lunchroboter dann als vollwertiger Kantinenersatz in Unternehmen und Behörden seinen Regeldienst verrichten.
Dort kann die Kundschaft, also die Mitarbeiter in Firmen und Ämtern jeder Größe, dann aus täglich zehn Gerichten wie Risotto, Pasta, Pizza, den derzeit angesagten Bowl-Gerichten, diversen Salaten und natürlich auch Currywurst wählen. Bestellt wird per Touchscreen direkt oder über das jeweilige Intranet vom Schreibtisch aus.
Durch die große Scheibe können die Gäste dabei zusehen, wie dieser überdimensionierte Thermomix das gewählte Mittagessen mit vorgekochten Zutaten zusammenrührt und nach 90 bis 120 Sekunden ausgibt.
Pallua, Anfang 30, sportliche Figur, durchaus wortgewandt, aber zurückhaltend in der Gestik, ist Absolvent der WHU in Vallendar und schon erfahrener Gründer. Er zählte zu dem Team hinter Foodora, jenem Lebensmittellieferdienst, der inzwischen zu Lieferando gehört. Seine neue Firma hat er Aitme genannt, ein Kunstname „mit internationalem Klang“, in dem die Themen Technik (AI, IT) und Essen (Eat) „zumindest ansatzweise vorkommen“, wie Pallua sagt.

Die beiden Gründer kennen sich vom Essenslieferdienst Foodora.
„Die Coronakrise hat gezeigt, dass sich in vielen Firmen mit Homeoffice der reguläre Kantinenbetrieb nicht mehr lohnt“, erklärt der Gründer. „Die wenigen Mitarbeiter und deren Bestellungen decken die Kosten für den Einsatz von Köchen und Servicepersonal nicht mehr.“
Aitme-Gründer setzen auf Lizenzmodell
Sein Mitgründer Julian Stoß, ebenfalls früher bei Foodora und dort für das Marketing verantwortlich, sagt: „Wir können mit unserem vollautomatischen Küchenroboter hingegen den vollen Kantinenbetrieb auch bei geringeren Umsätzen gewährleisten, weil die Fixkosten immer gleich und damit überschaubar und bestens kalkulierbar sind.“ Der Koch-Roboter solle den Geschäftskunden samt Servicevertrag als Lizenzmodell in Rechnung gestellt werden, ergänzt Pallua.
Das klingt alles nach bestem Marketingdeutsch und muss die umworbenen Kunden erst noch in der Praxis überzeugen. Schmeckt das Essen aus der Maschine tatsächlich wie frisch zubereitet? Lässt sich der Kunde wirklich gern von einem Roboter das Essen bereiten? Und sind auch persönliche Empfindungen umsetzbar? Also etwa stärker oder weniger gewürzt? Die Portionsgröße? Der Pizzateig hell oder dunkel? Und: Haben Allergiker Kontrolle über die Zutaten?
Das Gründerduo verspricht all das. Renommierte Geldgeber, die zusammen drei Millionen Euro investiert haben, scheinen an das Geschäftsmodell zu glauben.
Die Venture-Capital-Gesellschaft La Famiglia hat genauso in Aitme investiert wie Rocket Internet, Atlantic Food Labs, der ehemalige Kuka-Chef Till Reuter und Vorwerk Ventures, die Investmentgesellschaft des gleichnamigen Familienkonzerns, der mit dem Küchenvollautomaten Thermomix quasi das Pendant zum Aitme-Roboter für den privaten Gebrauch anbietet.

Der Roboter rührt das gewählte Mittagessen mit vorgekochten Zutaten zusammen und gibt es nach 90 bis 120 Sekunden aus.
Norbert Muschong, Managing Partner bei Vorwerk Ventures, sagt: „Wir fühlen uns im Themenkreis Food und Beverage wohl und haben über entsprechende Erfolge bei Hellofresh und Flaschenpost einige Expertise gewonnen.“ So würden Thermomix und Hellofresh dem Endverbraucher helfen, zu Hause einfach und ohne große Vorkenntnisse gesunde und schmackhafte Mahlzeiten zu kochen.
„Ähnliches sehen wir bei Aitme, wo wegen der Kontrolle über die Rezeptentwicklung, des Bestell- und Bezahlprozesses und der Zubereitungsroutinen durch Roboter schnell und schmackhaft Mahlzeiten außer Haus zubereitet werden“, sagt Vorwerk-Investor Muschong.
Davinci verfolgt ähnliche Pläne
Jeannette zu Fürstenberg, Managing Partnerin bei La Famiglia, meint: „Emanuel Pallua und Julian Stoß kommen beide aus der Foodszene und kennen den Markt extrem gut. Mit Aitme haben sie sich an ein Modell gewagt, das die Schwachstellen der gängigen Delivery-Modelle adressiert.“ Aitme habe, so zu Fürstenberg weiter, deshalb „das Potenzial für eine Food-Revolution: frisch, gesund, hygienisch, weil auf Knopfdruck und zu unschlagbaren Preisen“.
Aitme ist hierzulande nicht das einzige Start-up, das solche Pläne hegt. Davinci Kitchen aus Leipzig verfolgt in Ansätzen ein ähnliches Konzept, allerdings offenbar mit einem speziellen Blick auf die Systemgastronomie.
„Ich glaube, dass sich Davinci eher auf den Gastronomiebereich fokussiert“, sagt Pallua. Aufgrund der kleineren Größe des Roboters könne der Konkurrent eine geringere Vielfalt bei den Gerichten gleichzeitig anbieten. Davinci selbst reagierte auf Nachfrage nicht. Auf der Webseite heißt es mit Blick auf die bevorstehende wettbewerbsintensive Küchenschlacht. „Unser Kitchen-Kiosk ist die Revolution in der Systemgastronomie.“
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