Andreas Prüfer Durch Corona steht der Delticom-Gründer vor der nächsten schwierigen Situation

1999 gründete der Unternehmer mit Rainer Binder Delticom.
Düsseldorf Im Moment ist Andreas Prüfer noch nicht ganz klar, ob er ein Profiteur oder doch ein Leidtragender der Coronakrise sein wird. „Wir erfreuen uns zunehmender Reifenbestellungen online“, beobachtet der Gründer und CEO des Reifenhändlers Delticom. Insgesamt scheine der E-Commerce der Gewinner von Corona zu werden. „Es ist aber noch zu frisch, um es in Zahlen zu fassen.“
Denn wie lange diese Entwicklung anhält, ist unklar. „Die Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus werden auch unsere Branche treffen“, weiß Prüfer. Denn ein Fünftel aller Ersatzreifen kommt aus China, das könne durch Produktion in Europa nicht ausgeglichen werden. „Das ist nicht kompensierbar“, räumt er ein.
Ab der zweiten Märzhälfte werde der Nachschub fehlen, das werde sich im Markt bemerkbar machen. „Es wird auf jeden Fall eine Delle geben“, warnt Prüfer, „die Frage ist nur, wie tief und wie lang“. Den Umgang mit schwierigen und unklaren Situationen kennt der Delticom-Chef gut. Seit Jahren schon führt er das börsennotierte Unternehmen durch eine harte Restrukturierung. Und noch ist unklar, wann der Onlinehändler für Autoreifen die Kurve bekommen wird.
Der Aktienkurs ist seit einem Jahr um 50 Prozent gefallen. Analysten sprechen von einer Turnaround-Wette für risikobereite Anleger.
Dabei hatte alles so hoffnungsvoll angefangen, als Prüfer zusammen mit Rainer Binder das Unternehmen 1999 gründete. Beide hatten zuvor beim Reifenhersteller Continental ein Franchisenetz aufgebaut, kannten die Branche also genau. Im Jahr 2000 starteten sie ihren ersten Onlineshop Reifendirekt.de – und trafen offenbar einen Nerv.
Gründer halten Mehrheit
In der Folge wuchs Delticom so schnell, dass es 2004 auf Platz drei der „Deloitte Technology Fast 50“ kam. 2006 ging das Unternehmen in Frankfurt an die Börse, die Gründer halten jedoch bis heute die Mehrheit.
„Wir hatten irre Erfolge, aber das Problem war: Da wir börsennotiert sind, mussten wir es allen erzählen“, erinnert sich Prüfer. Das habe Wettbewerber angezogen. In einigen Jahren hatte Delticom elf Prozent Ebit-Marge. Aber das sei eine Ausnahmesituation gewesen, bekennt Prüfer. „Das Ergebnis war preisgetrieben. Zeitweise haben wir Preise von 1000 Euro für ein Set Reifen für einen Smart erzielt.“
Doch schon 2011 deutete sich an, dass die Erfolgsgeschichte nicht so weitergehen würde. Prüfer versuchte, durch Diversifizierung gegenzusteuern. Er baute das Geschäft mit Autoersatzteilen und Schmierstoffen auf und stieg durch Übernahmen in den Handel mit Lebensmitteln ein.
Doch das verschärfte nur die Krise. „Wir haben die Gewinne aus dem Reifengeschäft in die neuen Geschäftsfelder investiert, die noch nicht profitabel waren“, sagt Prüfer. Als 2018 auch das Reifengeschäft in Schwierigkeiten geriet, spitzte sich die Situation rasch zu.
Nun hat das Unternehmen einen klaren Strich gezogen und alle neuen Geschäftsfelder eingestellt. Die Lebensmittelshops gourmondo.de und allyouneedfresh.de sind schon abgeschaltet, der Onlinehandel mit Autoersatzteilen und Ölen wird bis zum Ende des ersten Quartals 2020 eingestellt. „Jetzt ist es wieder Zeit, sich auf das zu konzentrieren, was Geld bringt“, sagt Prüfer – also das Geschäft mit Autoreifen.
Die gerade vorgelegten Jahreszahlen zeigen jedoch, dass es bis dahin noch ein harter Weg ist. So ist der Umsatz um 3,1 Prozent auf 625 Millionen Euro zurückgegangenen. Erwartet hatte das Unternehmen 650 bis 660 Millionen Euro. Das operative Ergebnis (Ebitda) sank von plus neun Millionen im Vorjahr auf minus sieben Millionen Euro – auch weil alle Belastungen aus der Restrukturierung ins Geschäftsjahr 2019 gebucht wurden.
Doch Prüfer bleibt zuversichtlich, dass er auch diese Situation meistern kann. „Wir sind trotz des Nachfragerückgangs in den letzten Monaten 2019 infolge des warmen Winters bei der Restrukturierung nicht nur im Plan, sondern im Voraus“, erklärt er. Die für spätestens 2021 geplante Rückkehr in die operative schwarze Null werde sich nach jetzigem Stand nicht verzögern.
Mittelfristig wird die Krise für die Gründer jedoch deutliche Folgen haben. Zwar hat sich das Unternehmen kürzlich mit den finanzierenden Banken auf eine Verlängerung der Finanzierung mit einer Laufzeit bis Ende 2021 einigen können.
Doch um die finanzielle Situation dauerhaft zu stabilisieren, suchen Prüfer und sein Mitgründer Binder, der seinen Aufsichtsratsvorsitz bereits abgegeben hat und das Unternehmen nur noch unentgeltlich beraten will, nach Investoren für Delticom. In diesem Zuge wären die Gründer auch bereit, auf die Mehrheit am Unternehmen zu verzichten.
Mehr: Normos-Chef Uwe Ahrendt warnt im Interview mit dem Handelsblatt vor Einbrüchen in der Uhrenbranche.
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