CEO Oliver Reichert im Interview Neuer Mehrheitseigner für Birkenstock: „Wir haben nach einem Partner für die nächsten 250 Jahre gesucht“

Das Unternehmen erzielte 2019 einen Umsatz von rund 720 Millionen Euro bei einem Nettogewinn von 130 Millionen Euro.
Düsseldorf Die amerikanisch-französische Beteiligungsgesellschaft L Catterton und die Familienholding Financière Agache haben die Mehrheit am deutschen Sandalenhersteller Birkenstock erworben. Die beiden einzigen Erben des Schuhherstellers aus Linz am Rhein, Alexander und Christian Birkenstock, verkaufen die Mehrheit der Anteile, bleiben aber als Minderheitsgesellschafter investiert. Das bestätigte die Birkenstock-Führung dem Handelsblatt.
Über den Kaufpreis und andere Details der Transaktion wurde Stillschweigen vereinbart. Die Unternehmensbewertung dürfte bei etwas mehr als vier Milliarden Euro liegen.
L Catterton gehört zum Einflussbereich des globalen Luxusgüterkonzerns LVMH. Financière Agache ist die private Investmentgesellschaft von Bernard Arnault, dem CEO von LVMH.
Birkenstocks Geschäftsführer Oliver Reichert sagte dem Handelsblatt: „Wir bekommen durch die neuen Miteigentümer exzellente Marktzugänge und Kontakte in Asien und können unseren Wachstumskurs beschleunigt fortsetzen.“ Reichert wies zugleich mögliche Ängste innerhalb der Belegschaft zurück: „Wir sind in Deutschland fest verankert und daran wird sich auch nichts ändern. Alle Arbeitsplätze bleiben erhalten.“
Birkenstock wurde vor 250 Jahren gegründet, war dauerhaft und vollständig in Familienbesitz und erreichte 2019 rund 720 Millionen Euro Umsatz bei einem Nettogewinn von 130 Millionen Euro. L Catterton entstand 2016 durch den Zusammenschluss des US-Investmenthauses Catterton mit dem Private-Equity-Geschäft des Luxusgüterkonzerns LVMH und dessen milliardenschwerem Gründer Arnault.
Es gab weitere Bieter
L Catterton ist bereits stark im Konsumgüterbereich investiert, managt Assets in Höhe von 23 Milliarden Euro und behält bei Übernahmen die Alteigentümer gern mit im Haus. LVMH-Chef Arnault spricht bei Birkenstock von einer „ikonischen Marke“, der wir dabei helfen wollen, „ihr großes Wachstumspotenzial voll auszuschöpfen“.
Birkenstock produziert seit jeher nahezu ausschließlich in Deutschland, 2019 waren es ungefähr 25 Millionen Paar Schuhe und Sandalen, und plant demnach keinerlei Verlagerungen. Neben L Catterton hat es nach Auskunft Birkenstocks weitere Bieter gegeben, darunter dürfte auch die luxemburgische Beteiligungsgesellschaft CVC gewesen sein.
Dass am Ende L Catterton das Rennen gemacht hat, begründen die Brüder Birkenstock so: „Die neuen Gesellschafter bringen ein tiefes Verständnis für die Details eines Produktionsunternehmens mit, bei dem sich alles um Qualität dreht.“
Lesen Sie hier das vollständige Interview:
Herr Reichert, das Familienunternehmen Birkenstock erhält mit dem Growth-Investor L Catterton einen neuen Mehrheitsgesellschafter. Warum?
Die Strategie von L Catterton zielt darauf ab, Konsumgüterhersteller auf einen beschleunigten globalen Wachstumskurs zu bringen, und das bevorzugt in den auch für Birkenstock so wichtigen asiatischen Märkten wie China, Japan, Singapur, Korea und Indien.

Der CEO Birkenstocks ist mit dem neuen Mehrheitseigentümer sehr zufrieden.
Reichte der eigene Cashflow nicht aus, um diese Wachstumsstrategie selbst zu finanzieren?
Das ist nicht das Thema. Geld haben wir genug. Unsere Rendite liegt seit Jahren stabil bei rund 20 Prozent. Was unsere neuen Miteigentümer mitbringen, sind vor allem exzellente neue Marktzugänge und Kontakte in Asien und dem Mittleren Osten. Da LVMH-Eigentümer Bernard Arnault bei L Catterton den Kurs entscheidend mit vorgibt, ahnen Sie vielleicht, was sich daraus für Gelegenheiten ergeben werden.
Kritiker werden lauthals den Ausverkauf eines 250 Jahre alten deutschen Familienunternehmens beklagen. Was sagen Sie diesen Leuten?
Denen sage ich, dass wir als Traditionsmarke mit deutschen Wurzeln und globaler Relevanz fest in Deutschland verankert sind und auch hier bleiben. Es wird keine einzige Verlagerung von Produktionsstätten nach Asien oder sonst wohin geben. Wir produzieren weiter in Deutschland. Daran wird sich nichts ändern. Alle Arbeitsplätze bleiben erhalten – und wir wollen hier weiter wachsen Und, nebenbei bemerkt, auch die beiden Brüder Christian und Alex Birkenstock behalten ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland und zahlen hier weiterhin ihre Steuern.
Das klingt fast schon sozialromantisch.
Ist es auch. Alexander und Christian Birkenstock bleiben als Gesellschafter dabei. Sie sind sich ihrer Verantwortung gegenüber den 4000 Mitarbeitern und der Geschichte des Unternehmens sehr bewusst. Deshalb haben sie sich auch für L Catterton entschieden, weil diese Investoren mit familiengeführten Konsumgüterherstellern respektvoll und sensibel umzugehen verstehen. Wir haben nach einem Partner für die nächsten 250 Jahre gesucht – und den haben wir auch gefunden. Ein bloßer Finanzinvestor, der nichts anderes im Sinn hat, als möglichst schnell viel Geld aus dem Unternehmen zu ziehen, kam deshalb für die Familie, für meinen Co-Geschäftsführer Markus Bensberg und für mich nicht in Betracht.
Wirklich nicht?
Auf keinen Fall. Sie benötigen in unserem Business Leidenschaft, Herzblut, Emotionen. Eigentümer mit Dollarzeichen in den Augen können Sie nicht gebrauchen.
Wie zu hören ist, hat es eine Art Bieterwettbewerb gegeben. Investoren wie CVC sind offenbar stark interessiert gewesen?
Sagen wir mal so: Es hat auf jeden Fall eine Handvoll schriftliche Absichtserklärungen gegeben, die mit sehr konkreten Zahlen hinterlegt waren.
Die Bewertung des Unternehmens liegt hochgerechnet und gemessen an der Transaktion bei vier Milliarden Euro, vielleicht sogar etwas mehr. Das ist ziemlich viel für einen Sandalenhersteller mit 720 Millionen Euro Umsatz und 130 Millionen Euro Nettogewinn.
Die Bewertungshöhe werde ich nicht kommentieren. Nur so viel: Birkenstock ist eine globale Lifestylemarke und kein Schuhhersteller. Denken Sie an unsere Kosmetikprodukte und die Bettenkollektion. Und die Multiples im Lifestyle-Segment sind entsprechend höher. Da hat sich unsere Strategie der vergangenen Jahre, die Marke mit neuen Produkten zu verbreitern, sicher im besten Sinne des Wortes nun auch ausgezahlt. Oder anders ausgedrückt, ohne uns allzu viel selbst loben zu wollen: Wir sind eine extrem sexy Marke.
Was bedeutet der indirekte Einstieg des Luxusherstellers LVMH mit Marken wie Dior und Louis Vuitton für die Positionierung Birkenstocks?
Nichts und alles. Wir sind aus dem Herzen der Gesellschaft entsprungen. Und da bleiben wir auch. Wir sind der Erfinder des Fußbetts, da ist man automatisch geerdet. Dass wir hin und wieder Kooperationen machen mit Marken wie Valentino hat uns gutgetan. So etwas wird es auch weiterhin geben. Das ändert nichts daran, dass Birkenstock in der Breite weiter sehr bezahlbare Produkte herstellen wird. Was sich ändert, sind die Vertriebsstrukturen, und da kann uns L Catterton sehr hilfreich sein.

Der einst als altbacken geltende Sandalenhersteller hat sich global als Lifestylemarke erfolgreich neu aufgestellt.
Bitte etwas konkreter.
Produktbreite und -kategorien von Birkenstock sind nahezu unerschöpflich. Wir werden auch in Zukunft sicherstellen, dass an jedem Verkaufspunkt das dort richtige Produkt zum richtigen Preis verfügbar ist. Über den stationären Handel in Asien hatten wir eingangs schon kurz gesprochen. Aber auch unser digitales Geschäft kann stark von dem neuen Netzwerk profitieren. Bisher halten zu viele, wie Google, die Hand auf, wenn sie den Traffic auf unseren Seiten pushen. Das können wir künftig in dem neuen Verbund besser und deutlich kostengünstiger.
Wer hat Sie in diesem Prozess beraten?
Ich kenne einige Partner von Goldman Sachs. Irgendwann bin ich nach New York geflogen – eigentlich nur, um deren Meinung zu hören. Aber dann hat das einfach so gut gepasst, da haben wir gesagt, wir ziehen das jetzt zusammen durch.
Was ist nun eigentlich mit Ihnen selbst?
Was soll sein? Ich bleibe natürlich als CEO dabei. Wir haben jetzt mit einem super zu uns passenden strategischen Investor gemeinsam die nächste Party organisiert. Und ich will und werde weiter die Musik auflegen.
Herr Reichert, herzlichen Dank für das Gespräch.
Mehr: „Mit Ermächtigungsgesetzen sollten wir sehr vorsichtig umgehen“, sagt der Birkenstock-CEO.
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