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Cognitive Pilot Eine russische Unternehmerin will mit dem Autopilot für Mähdrescher den Weltmarkt erobern

Olga Uskowa hilft mit ihrem System den Bauern, ihre Effizienz zu steigern. Nun expandiert sie ins Ausland – mithilfe eines deutschen Landmaschinenhändlers.
17.03.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Die Gründerin hilft, die russische Landwirtschaft zu digitalisieren. Quelle: Cognitive Pilot
Olga Uskowa

Die Gründerin hilft, die russische Landwirtschaft zu digitalisieren.

(Foto: Cognitive Pilot)

Moskau Am Anfang stand das Wort, genauer gesagt die Texterfassung. Denn die Geschichte von Olga Uskowa und ihrem Start-up Cognitive Pilot hat noch in den Sowjetlabors zur Erforschung Künstlicher Intelligenz begonnen. Als die zu Perestroika-Zeiten vor dem finanziellen Aus standen und die Hälfte der Spezialisten schon nach Israel und in die USA geflüchtet war, konnte nur eine Wette das restliche Kollektiv zusammenhalten.

„Ich habe mit dem Laborleiter um eine Flasche Wodka gewettet, dass ich zehn Systeme zur optischen Erkennung von Symbolen verkaufe“, erinnert sich Uskowa an die Anfänge ihres Unternehmens. Damals war die Russin Doktorandin, heute ist sie Multimillionärin.

Die Wette hat die Informatikerin gewonnen. Auch dank eines Verkaufserfolgs ihrer Texterkennungssoftware auf der Cebit und Kooperationen mit Corel Draw und Hewlett Packard stieg Uskowas Firma Cognitive Technologies bis 2012 zu einem der russischen Marktführer in dem Bereich auf.

„Uns ging es gerade erst gut, wir hatten einen Marktumsatz von 80 Millionen Dollar, als die Jungs mit meinem Mann an der Spitze plötzlich mit der Idee eines Autopiloten auf mich zukamen“, so Uskowa. Sie habe nach einem Investitionsmemorandum gefragt. „Stattdessen schleppten sie mich auf den Flur und zeigten mir ein kleines Auto, das einem Ball hinterherfuhr.“

Obwohl Uskowa alles andere als euphorisch war, investierte sie in das Projekt. Was als Spielzeug begann, setzt inzwischen tonnenschwere Fahrzeuge in Bewegung. Von der Idee, die Technologie für selbstfahrende Autos im Straßenverkehr einzusetzen, hat sich das Unternehmen zwar vorerst wegen der vielen Sicherheitsvorgaben verabschiedet.

Dafür bringt Uskowas 2019 gegründete neue Firma Cognitive Pilot nun Landwirtschaft und Mähdrescher in Fahrt. Und zwar im Gegensatz zu westlichen Pendants nicht nur auf dem Testfeld, sondern auf den Äckern der Bauern.

In diesem Jahr sollen 1000 Systeme verkauft werden

Die zeigen sich zufrieden: Alexander Nesterenko, Chef eines 4300 Hektar großen Landwirtschaftsbetriebs in der Region Kursk, bescheinigt dem „Agro Pilot“ nach mehreren Monaten im Einsatz, sich „bisher von seiner besten Seite gezeigt“ zu haben.

„Der Mähdrescher fährt selbst über das Feld, er lässt keine Lücken beim Mähen, wie es dem Fahrer sonst manchmal – besonders nachts – passiert, und daher kann er Tag und Nacht eingesetzt werden“, lobt auch Marat Islamow, regionaler Abgeordneter und Chef einer Agrarholding im Südwesten Sibiriens, die Effizienz.

Der Autopilot besteht aus einer Kamera und einem Mikrocomputer, der mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) in der Lage ist, nicht nur Hindernisse zu erkennen, sondern auch die Bodenbeschaffenheit und die Schneidkante.

Von Witterungsverhältnissen lässt sich „Wasja“, wie Uskowa ihre Entwicklung nennt, nicht beeinflussen: Egal ob Nebel, Regen, Schnee oder Dunkelheit – auf dem Display, das dem Bediener zur Kontrolle dient, ist alles klar zu erkennen. Mit einer zweiten Kamera kann auch der Verladeprozess des Getreides auf den nebenstehenden Lkw reguliert werden.

Auf großen Farmen rentiert sich der Autopilot, der sich an jedes beliebige Mähdreschermodell anschließen lässt, mit Anschaffungskosten um die 8000 Euro innerhalb einer Saison. Quelle: Cognitive Pilot
Mähdrescher mit Autopilot

Auf großen Farmen rentiert sich der Autopilot, der sich an jedes beliebige Mähdreschermodell anschließen lässt, mit Anschaffungskosten um die 8000 Euro innerhalb einer Saison.

(Foto: Cognitive Pilot)

Mithilfe einer GSM-Antenne auf dem Dach kann der Agro Pilot zudem ins Internet gehen, womit die Spezialisten im Problemfall von außen Zugriff auf die Box haben, reparieren und Informationen abrufen können. Das sei wichtig, um den Lernprozess der einzelnen KI-Geräte zu beschleunigen, betont Uskowa. Doch prinzipiell – auch darin unterscheidet sich der Agro Pilot von der Konkurrenz – kommt das System ohne GPS aus.

Deutscher Partner bei Expansion

Das ist nicht nur in den Weiten Russlands mit den vielen Funklöchern ein Plus. Darum will das Unternehmen nun expandieren. Wurden im vergangenen Jahr 200 Autopiloten verkauft, sollen es in diesem Jahr bereits 1000 Systeme sein.

„Insgesamt liegt das Marktpotenzial in Russland bei 10.000 bis 15.000 Mähdreschern, aber auch Traktoren und andere Landmaschinen können prinzipiell an das System angeschlossen werden“, meint Björne Drechsler, Vorstandsmitglied beim Landmaschinenhändler Ekotechnika. Damit bekomme die Automatisierung der Landwirtschaft einen ungeheuren Schwung.

Ekotechnika hat seinen Firmensitz in Deutschland, macht seine Geschäfte aber in Russland. Das Unternehmen ist mit seinem Vertriebsnetz als Partner von Cognitive Pilot aktiv an der Einführung des Mähdrescher-Autopiloten beteiligt. Chancen sieht Drechsler nicht nur in Russland, sondern auch in anderen großen Flächenländern mit entwickelter Landwirtschaft, von den USA über Australien bis hin nach Südamerika. Cognitive Pilot baut gerade ein Vertriebsbüro in Brasilien auf.

Prinzipiell kann der Agro Pilot auch die europäische Landwirtschaft beschleunigen. Da die Höfe hier aber generell kleiner sind, liegt das Augenmerk auf Übersee. Auf den großen Farmen rentiert sich der Autopilot, der sich an jedes beliebiges Mähdreschermodell anschließen lässt, mit Anschaffungskosten um die 8000 Euro innerhalb einer Saison.

„Das System spart durch die zentimetergenaue Steuerung nicht nur Spritkosten und ist damit umweltfreundlicher, sondern führt wegen seiner Unermüdlichkeit auch zu einer Effizienzsteigerung bei der Ernte von 25 Prozent pro Tag“, rechnet Drechsler vor.

Wenn die Entwicklung so weitergeht, will Uskowa mit ihrem Unternehmen in den kommenden Jahren an die Börse. Sie rechnet bis dahin mit einer massiven Umsatz- und Wertsteigerung „In den nächsten zehn Jahren geht der Trend klar in die Richtung weg von der Hardware hin zur Software“, sagt die 53-Jährige.

Seit 2012 hat sie in Moskau eine Professur für perspektivische Computertechnologie inne und setzt sich nebenbei mit ihrer Stiftung für russische abstrakte Kunst ein. Ihren Firmensitz hat sie stilgerecht im ehemaligen Klub „Burewestnik“, einem der ungewöhnlichsten Avantgarde-Gebäude Moskaus, genommen.

Uskowa weiß um die politischen Risiken: Moskaus Streit mit dem Westen hat auch negative Folgen für russische Unternehmer. Die Vorbehalte gegenüber der örtlichen Wirtschaft sind groß, Kooperationen im Hightech-Bereich werden durch Sanktionen erschwert.

Doch nicht nur wegen der politischen Spannungen spricht sich Uskowa für eine rein zivile Nutzung der Künstlichen Intelligenz aus. „Ich glaube, dass das KI-Niveau, das wir inzwischen erreicht haben, mehr Gefahren birgt als Atomwaffen und sich die ganze Welt darauf verständigen muss, die Technologie nicht militärisch zu nutzen“, erklärt sie und geht mit eigenem Beispiel voran. Im Firmenstatut hat sie den Verzicht auf die Entwicklung von Militärtechnik fest verankert.

Mehr: Der automatisierte Acker: Wie Roboter und Drohnen die Landwirtschaft umkrempeln

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