Colja Dams Dieser Event-Experte setzt auf virtuelle Veranstaltungen

Mit virtuellen Treffen setzt der Inhaber auf alternative Konferenzformate.
Düsseldorf Abends hatten sich die Mitarbeiter mit Firmenchef Colja Dams zu einem Sofa-Konzert zusammengeschaltet. Um 18 Uhr ging es los, dann saßen Mitarbeiter der Live-Event-Agentur Vok Dams in ihren jeweiligen Wohnzimmern und lauschten gemeinsam der Musik. Not macht erfinderisch – auch bei dem Wuppertaler Familienunternehmen, das wie kaum eine andere Firma getroffen ist von der Coronakrise. Denn Events sind in der Wirtschaft erst mal auf absehbare Zeit passé.
„Die Coronakrise trifft uns schon sehr hart“, sagt Colja Dams, 49, der das Unternehmen in der zweiten Generation leitet. Das grassierende Coronavirus erschwert Treffen. Großveranstaltungen sind mittlerweile in allen Bundesländern untersagt. Events wurden reihenweise abgesagt, die meisten storniert, einige verschoben.
Für ein Unternehmen, dessen Geschäftszweck es ist, Menschen zusammenzuführen, ist das eine schlimme Situation. Der Mittelständler ist allerdings bereits dabei, einen kreativen Weg aus der Misere zu suchen: Virtuelle Events sollen Abhilfe schaffen. Dabei verlagert der Anbieter Treffen ins Internet, in die sozialen Medien oder andere Internetplattforen.
Vok Dams ist Vorreiter einer Branche, die sich meist aus Kleinstfirmen formiert. Veranstaltungen und Konferenzen sind selten skalierbar, auch sind die Gegebenheiten von Region zu Region unterschiedlich. Es gibt daher zahlreiche kleinere Unternehmen, die sich in dieser Disziplin angesiedelt haben.
Colja Dams hat die Geschäftsführung 1997 von seinem Vater Volkwart, kurz Vok, Dams übernommen. Dieser hatte das Unternehmen 1975 gegründet, zunächst als Produzent von audio-visuellen Programmen. Vok Dams erweiterte das Leistungsportfolio und entwickelte die Firma zu einer Agentur rund um Events und Livekommunikation. Das Wachstum war rasant, im vergangenen Jahr erzielte die Firma mit 300 Mitarbeitern einen Umsatz von 50 Millionen Euro.
Erfahrungen in China
Doch nun macht die Krise dem Familienunternehmen einen Strich durch die Rechnung. „Wir leben schon seit Jahresanfang mit dieser Situation“, erzählt Colja Dams, der die Firma mit seiner Ehefrau Claudia führt. Sie betreiben zwei Niederlassungen in China, dort mussten 40 Mitarbeiter bereits 45 Tage zwangsweise in den eigenen vier Wänden verbringen.
„Das ist im Grunde jetzt auch unser Lichtblick – dass sich die Verhältnisse in China derzeit wieder normalisieren“, sagt der Firmenchef. In China haben viele Firmen die Produktionen wieder hochgefahren. Ein Schritt zurück in die Normalität – nach der Corona-Pandemie.
„Bis vor vier Wochen haben wir gedacht, das ist ein lokales, auf China beschränktes Problem“, sagt Colja Dams. Doch dann der schnelle Umschwung. Dass die Lage auch hierzulande ernst wird, wurde dem Firmenchef klar, als der Genfer Auto-Salon und die Internationale Tourismus-Börse (ITB) in Berlin abgesagt wurden. Zwei Großevents, bei denen auch Vok Dams wirtschaftlich involviert ist. Spätestens nach diesen Absagen sei klar geworden, „dass uns das komplett trifft“, meint Colja Dams.
Vok Dams ist ohne direkten Kundenkontakt, ohne große Marketing-Show kaum denkbar. Eines der aktuellen Vorzeigeprojekte ist die Präsentation des neuen BMW Vision iNext: Innerhalb von fünf Tagen schickte die Agentur das neue BMW-Flaggschiff um die ganze Welt. München, New York, San Francisco und Peking. Dafür entwickelten sie einen Showroom im Innenraum einer Boeing 777F der Lufthansa und inszenierten dort das neue Fahrzeug des Münchener Autobauers. Ein Projekt, das heute wie aus einer anderen Zeit wirkt.
Wie in den meisten deutschen Firmen sitzen auch die knapp 200 Vok-Dams-Mitarbeiter in Deutschland inzwischen in ihren heimischen Arbeitszimmern, ihren Küchen oder Wohnzimmern und simulieren dort Büroalltag. „Unser Team kennt und praktiziert Mobile Office und ist dezentrales Arbeiten gewohnt“, schrieb Colja Dams zu Beginn der ersten kollektiven Homeoffice-Woche an seine Geschäftspartner. „Unsere Infrastruktur ist abgesichert, und alle Mitarbeiter freuen sich auf weitere Projekte von und eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen.“ Der Unternehmenschef versuchte, Mitarbeiter und Kunden zu beruhigen.
Geschäft hat sich pulverisiert
Doch genau das ist auch der Knackpunkt: Ein Großteil des Geschäfts von Vok Dams hat sich pulverisiert. Menschen zusammenzubringen ist zu einem Risiko geworden. Die Zeitdauer ist ungewiss. „Wir brauchen Klarheit hier in Deutschland“, fordert der Firmenchef.
Einerseits habe er Verständnis für die Bundesregierung, die derzeit fast vorsichtig tastend die jeweils nächsten Schritte unternimmt. Anderseits sei gerade eine Unklarheit Gift für Unternehmen. „Irgendwann müssen wir wissen, wann es mit den Events weitergehen kann“, sagt er. Derweil prüft er, ob er für einige seiner Mitarbeiter Kurzarbeit beantragen soll.
Das Unternehmen ist damit nicht allein. Nach einer Umfrage des Verbands VDVO, in dem Veranstaltungsplaner organisiert sind, werden mehr als 60 Prozent der Agenturen staatliche Fördermittel wegen der Coronakrise beantragen. Der Branchenverband Famab hat seit Februar 116 stornierte Events gezählt, der Gesamtschaden würde bei mehr als 72 Millionen Euro liegen. Hinzu kämen 98 abgesagte Messen, der Schaden wird auf knapp 3,6 Milliarden Euro taxiert.
Die Frage ist: Werden tatsächlich alle Events nach der Coronazeit wieder stattfinden? Branchenexperten sind skeptisch und vermuten eine Bereinigung des Eventsegments. In den vergangenen Jahren habe es durchaus „eine überzogene Veranstaltungs- und Eventkultur“ in Deutschland gegeben, sagt beispielsweise ein Agenturchef.
Vok Dams ist kreativ und hat einen kleinen Ausweg gefunden – erst mal. Der Unternehmer aus Wuppertal setzt auf virtuelle Events: Veranstaltungen, die im Internet stattfinden. Denn auch, wenn die Menschen nicht mehr physisch zusammentreffen können, so suchen sie mehr denn je virtuell den Kontakt zueinander. „Nach zwei Wochen Homeoffice merkt man, wie wichtig andere Menschen sind“, sagt Colja Dams.
Nicht umsonst nutzen aktuell viele Mitarbeiter Videokonferenz-Dienste wie Zoom, Skype oder Jitsi, um die anderen Kollegen wenigstens aus der Entfernung zu sehen. Auch Videochat-Apps wie Houseparty erleben mit der physischen Distanz, also der Anordnung, möglichst Abstand zu Mitmenschen zu halten, um eine Weitergabe des Virus zu unterbinden, große Popularität. Menschen wollen sich austauschen.
Vok Dams bietet seit mehr als zehn Jahren solche Hybrid-Events an, die einerseits vor Ort stattfinden und andererseits mit Netzaktivitäten flankiert werden. Vorbilder sind die trendsetzenden TED-Konferenzen, das Tech-Festival South by Southwest in Austin oder die Blogger-Konferenz Republica in Berlin.
In einem der ersten Hybridevents bewarb Vok Dams die Recyclingfähigkeit von Aludosen – und erreichte Millionen Menschen auf Facebook. Nun gilt es für Vok Dams, den Onlineteil so stark wie möglich auszuschöpfen. In Zeiten von Corona ist eben alles ein bisschen anders als sonst.
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