Corona-Auswirkungen Familienunternehmensexperte Kirchdörfer: „Jetzt kommt es auf die Hausbanken an“

Kirchdörfer ist seit 2012 Vorstand der Stiftung Familienunternehmen.
Düsseldorf Die Auswirkungen der Corona-Pandemie stellen insbesondere Kleinstunternehmen beziehungsweise kleinere und mittelgroße Firmen vor nie dagewesene Probleme. Die Bundesregierung hat dafür heute ein bis dato beispielloses Paket an Hilfsmaßnahmen gebilligt.
Der Jurist Rainer Kirchdörfer befasst sich seit rund drei Jahrzehnten mit der rechtlichen und strategischen Beratung von Familienunternehmen in Finanzierungsfragen. Die vom Bund kurzfristig beschlossenen Anpassungen und Vereinfachungen bei den geplanten Hilfsmaßnahmen im Zuge der Coronakrise hält er für richtig. Während vieles dafür spricht, dass Kleinkredite binnen weniger als einer Woche fließen können, sieht er in den größeren Krediten den Lackmustest für die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Weiteres Potenzial zur Unterstützung der Unternehmen sieht er im Drehen an Steuer-Stellschrauben. Eine große und wichtige Hilfe wäre etwa die Möglichkeit, Verluste aus diesem Jahr auch noch in die Jahre vor 2019 zurücktragen zu können.
Kirchdörfer ist seit 2012 Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Die gemeinnützige Institution setzt sich in der Politik und Öffentlichkeit für die Anliegen der deutschen Familienunternehmen ein, die für rund 60 Prozent der Beschäftigung in Deutschland stehen. Der Stuttgarter Jurist ist Mitglied in verschiedenen Beiräten und Aufsichtsräten, unter anderem beim Versandhändler Conrad Electronic, der Firmengruppe Handtmann sowie dem Vermögensberater DVAG.
Lesen Sie hier das ganze Interview:
Herr Kirchdörfer, Sie sprachen am Wochenende von Konstruktionsmängeln bei den Hilfen der Bundesregierung für durch Corona-Folgen in Not geratene Firmen. Wie beurteilen Sie die nun beschlossenen Maßnahmen?
Die Bundesregierung hat einen deutlichen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Sie hat zum Beispiel das Verfahren der KfW zur Auszahlung von kleinen Krediten bis zu drei Millionen Euro stark vereinfacht und beschleunigt. Nach den bisherigen Vorgaben hätten die Hausbanken auch bei solchen Kleinkrediten warten müssen, bis die KfW die Risikoprüfung abgeschlossen hätte.
Und welche Veränderungen sind nun erfolgt?
Bei diesen Kleinkrediten kommt es nun auf die Hausbanken an. Sie übernehmen die Risikoprüfung und die KfW hält sich dann an das Ergebnis, das die Hausbank vermittelt hat. Dass der Staat diese kleinen Darlehen nun bis zu 90 Prozent anstelle von 80 Prozent garantiert und die Banken entsprechend von der Haftung freistellt, dürfte die Kreditvergabe erleichtern. Bis zu zehn Millionen Euro findet zudem eine vereinfachte Prüfung statt; hier wird es auf die Handhabung der Praxis ankommen.
Wie hoch wird die Nachfrage sein und wie schnell sollten die Kredite fließen?
Schon jetzt ist klar, dass die Nachfrage nach diesen Geldern sehr hoch sein wird. Ich kann ihnen beispielsweise von einer kleineren Bank berichten, bei der allein heute am ersten Tag 150 Anträge für solche Kredite bis zu drei Millionen Euro eingegangen sind. Hier geht man davon aus, dass die Gelder innerhalb von vier Tagen ausgezahlt werden können. Auch bei anderen Banken dürfte und sollte es sehr schnell gehen.
Und wie sieht es bei größeren Unternehmen berziehungsweise größeren Krediten aus?
Hier ist das Bild durchwachsener. Die Risikoprüfung bei der Vergabe der größeren Kredite über drei Millionen Euro liegt weiter in Händen der KfW. Damit wird das Prozedere deutlich in die Länge gezogen, wir sprechen von Wochen. Hier wird nun die Praxis zeigen, ob die KfW wirklich in der Lage ist, die Menge an den zu erwartenden Anträgen in der gebotenen kurzen Zeit zu bearbeiten.
Die Gefahren für kriselnde größere Unternehmen, dass Hilfen zu spät kommen, sind damit deutlich höher einzuschätzen. Dies gilt umso mehr, als die KfW hier nur 80 Prozent des Risikos übernimmt, also die Hausbank stärker ins Obligo gehen muss. Große Unternehmen geraten aber meist auch nicht so schnell in Schieflage wie kleinere.
Hilfen des Staates beanspruchen wollen auch Firmen, die schon vor Corona in Not waren, wie die nun zahlungsunfähige Restaurantkette Vapiano. Was halten Sie davon?
Darüber, wie man Unternehmen behandelt, die schon vor März 2020 in Schieflage waren, kann man trefflich streiten. Bei manchen jetzt geplanten Gesetzesänderungen zur Abmilderung der Corona-Folgen wird es die Vermutungsregelung geben. Diese sieht so aus, dass die Coronakrise für Zahlungsprobleme ursächlich ist, wenn ein Unternehmen am 31.12.2019 noch zahlungsfähig war und nun zahlungsunfähig wird.
Mit solchen vereinfachten Annahmen wird man arbeiten müssen. Andererseits muss der Staat darauf achten, dass er Steuergelder nur für solche Unternehmen einsetzt, deren Probleme im Kern auf Corona-Auswirkungen basieren.
Für den Fall, dass Kredite nicht mehr helfen, sind Beteiligungen des Bundes an Firmen vorgesehen. Wie realistisch ist es, dass dies bei Familienunternehmen nötig wird?
Ich hoffe natürlich, dass wir daran vorbeikommen. Das dürfte aber ganz von der Dauer der Krise abhängen. In zwei bis drei Monaten werden wir klarer sehen.
Zudem wird es direkte Soforthilfen geben für Unternehmen. Wem stehen diese Hilfen zu, die nicht zurückgezahlt werden müssen?
Das Programm richtet sich vor allem an Kleinstunternehmer, Freiberufler und Soloselbständige, denen ohne Hilfen das schnelle Aus droht. Sie müssen eine Existenzbedrohung oder einen Liquiditätsengpass, bedingt durch Corona, versichern und auch, dass dies vor März 2020 noch nicht der Fall war.
Womit können die Unternehmen rechnen und woher kommt das Geld?
Firmen mit bis zu fünf Beschäftigten sollen bis zu 9000 Euro erhalten, Firmen mit bis zu zehn Beschäftigten bis zu 15. 000 Euro. Verteilt wird das Geld von den Ländern, die aber damit die Kommunen beauftragen können.
Was würden Sie sich zur Unterstützung der Unternehmen sonst noch wünschen?
Zusätzliche steuerliche Vereinfachungen wären eine große und wichtige Hilfe. Ich meine damit zum Beispiel die Möglichkeit, Verluste aus diesem Jahr auch noch in die Jahre vor 2019 zurücktragen zu können.
Herr Kirchdörfer, vielen Dank für das Interview.
Mehr: So sichern Unternehmen in der Coronakrise ihre Liquidität.
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