Rolf, Markus und Mara Benz: Drei Generationen, zwei Firmen, eine Haltung
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Das Unternehmer-GesprächRolf, Markus und Mara Benz: Drei Generationen, zwei Firmen, eine Haltung
Die Familie Benz spricht im Drei-Generationen-Interview über Design, die Produktion von exklusiven Möbeln – und Daten als wichtiges Zukunftsthema.
Rolf Benz (vorne) mit seiner Frau Hilde (rechts), Enkelin Mara und Sohn Markus.
(Foto: Sebastian Berger für Handelsblatt)
Herrenberg Als Rolf Benz in Begleitung seiner Frau Hilde, seines Sohns Markus und seiner Enkelin Mara die gläserne Manufaktur von Walter Knoll in Herrenberg betritt, scheint der Betrieb für einen kurzen Moment stillzustehen.
Der dunkelgraue, dezent gemusterte Anzug, den Rolf Benz, 87, an diesem kühlen Maimorgen trägt, ist sorgsam abgestimmt auf die gesamte Erscheinung von Deutschlands sehr wahrscheinlich bekanntestem Möbelmacher: Das volle hellgraue Haar ist streng gescheitelt, das blaue Hemd und der dunkle Pullover betonen die wohlig braune Gesichtsfarbe des Seniorchefs, der sich bei den Angestellten mit einem Lächeln nach dem Befinden erkundigt.
Es werden Höflichkeiten ausgetauscht, ehe sich die Beschäftigten in der werkseigenen Sattellederei wieder darauf konzentrieren, Sessel, Sofas und Stühle weitgehend per Hand zu fertigen.
Rolf Benz, das war in den 80er- und 90er-Jahren Deutschlands wohl designorientierteste Möbelmarke, eine Marke, die den Namen ihres Schöpfers trug, der die Firma auf einen rasanten Wachstumspfad führte, sie zeitweise an die Börse brachte, ehe der Möbelkonzern Hülsta neuer Eigentümer wurde. Heute gehört die Firma Rolf Benz dem chinesischen Anbieter Jason Furniture.
Rolf Benz
Gründung der Benz Möbel Programme BMP in Nagold mit starker Wachstumsphase in den 1970er-Jahren.
Welle übernimmt die Mehrheit. Die Familie Benz bleibt Minderheitsgesellschafter.
Umwandlung in eine AG, anschließend Börsengang.
Die Welle-Holding verkauft ihre Anteile an Hülsta.
Die Familie Rolf Benz scheidet als Gesellschafter aus. Der Umsatz lag 1999 bei 146 Millionen Euro.
Rückzug von der Börse.
Hülsta verkauft Benz an Jason Furniture (China), produziert aber weiterhin größtenteils in Nagold.
Das liest sich nach dem Ende einer stolzen mittelständischen Familientradition. Doch das Gegenteil ist der Fall: Rolf Benz ist „stolz“ auf seine zweite Firma namens Walter Knoll, die er 1993 erworben hat und die sein Sohn Markus, 60, seit nunmehr fast drei Jahrzehnten leitet.
Sanierungsfall mit Potenzial
Walter Knoll war in den 90er-Jahren, so erzählt es Familie Benz heute, eine zwar traditionsreiche Polsterei mit hoher handwerklicher Reputation, aber ohne echten Markenkern und betriebswirtschaftliche Zukunft. Heute würden Berater wohl von einem Sanierungsfall mit Potenzial sprechen. Damals überzeugte Rolf Benz seinen zum Juristen ausgebildeten Sohn Markus, dieses Potenzial zu entfesseln – was nicht nur, gemessen an den Zahlen, als gelungen bezeichnet werden darf: Erreichte Walter Knoll im Jahr des Zukaufs 1993 einen Umsatz von sieben Millionen Euro, sind es heute 70 Millionen Euro.
Walter Knoll
Gründung als Lederwarengeschäft.
Bestellung zum Hoflieferanten des Königs.
Produktion der ersten Sitzmöbel.
Zusammenarbeit mit Mies van der Rohe in der Weißenhof-Siedlung im Bauhaus-Stil.
Ausstattung des Flughafens Tegel mit Architekt von Gerkan.
Übernahme durch die Familie Benz. Markus Benz wird CEO.
Einweihung der neuen Manufaktur in Herrenberg.
Knoll feiert 150-jähriges Jubiläum.
Der Umsatz liegt bei 70 Millionen Euro.
Ein Großteil dieser Erlöse stammt inzwischen aus der regelmäßigen Zusammenarbeit mit führenden Architekten wie Lord Foster, Ben van Berkel und Kengo Kuma. Norman Foster sagt stellvertretend auch für die anderen genannten Architekten über Walter Knoll: „Wir sind der gemeinsamen Überzeugung, dass die Qualität der Gestaltung Einfluss auf die Qualität unseres Lebens hat.“
Eine Überzeugung, die sich in vielen gemeinsamen Projekten widerspiegelt wie der Neugestaltung des Berliner Reichstags, der neuen EZB-Zentrale in Frankfurt, den Flughäfen in Hongkong und Peking, dem Norton Museum in Florida und dem Hearst Tower in New York. Auch die neue Handelsblatt-Zentrale in Düsseldorf wurde teilweise von Walter Knoll ausgestattet.
Zuletzt hatte Markus Benz vor allem zwei Aufgaben zu bewältigen: die Folgen der Corona-Pandemie zu managen und eine neue Führungsstruktur und -kultur zu etablieren, damit die Firma auch der dritten Generation ein auskömmliches Unternehmerleben bieten kann. Dass der CEO in den nächsten fünf Jahren die Führung abgibt, ist unwahrscheinlich. Was ihn aber nicht davon abhält, sich schon jetzt mit seiner Nachfolge zu beschäftigen. Dass er zuerst an seine Kinder Leon, 26, und Mara, 28, denkt, liegt nahe.
Mara Benz, die in St. Gallen Betriebswirtschaft studiert hat und aktuell bei der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman in Zürich arbeitet, ist beim zweistündigen Drei-Generationen-Interview deshalb selbstverständlich dabei und sagt danach: „Es ist auch für mich immer wieder spannend, meinem Vater und Großvater zuzuhören und aus ihren Erfahrungen zu lernen.“
Rolf Benz: „Ich wollte die Firma nicht in Gefahr bringen“
Rolf Benz
(Foto: Sebastian Berger für Handelsblatt)
Herr Benz, bis heute sind nur wenige Möbelmarken in Deutschland einer breiten Kundschaft bekannt (geworden). Woran liegt das? Es liegt daran, dass das eine Machtfrage war und der Handel das nicht zugelassen hat. Außerdem fehlte den mittelständischen Möbelherstellern das Geld, einen eigenen Vertrieb samt Marketing zu finanzieren. Die Produktion von hochwertigen Möbelstücken lässt sich bis heute kaum skalieren.
Was war unternehmerisch gesehen die beste Entscheidung Ihres Lebens? Die Unternehmensgründung war ein Sprung ins kalte Wasser. Die Idee, Anbaugruppen als Neuheit anzubieten, war genau richtig. Noch heute bin ich stolz, allen Verpflichtungen voll nachgekommen zu sein. Unser qualitatives Produktversprechen bei Haltbarkeit und Ästhetik umzusetzen war immer mein Ziel. Das ist ein Grundsatz, den ich bei meinen Eltern gelernt habe.
Was unterscheidet die beiden Marken? Die Herkunft, die Tradition, jede Firma hat ihre sehr eigene Geschichte. In den 80er- und 90er-Jahren war Rolf Benz für unsere Kunden die Marke, die mit einem Aufstiegsversprechen hinterlegt war, modern, zukunftszugewandt und erfolgsorientiert. Unser neues, designorientiertes Wohnen wurde zum Ausdruck des Protests, es wurde zu einem Lebensgefühl. Die Marke symbolisierte die Faszination einer sich plötzlich auftuenden neuen Welt. Walter Knoll hingegen war damals eine Art Heiligtum der Branche, sehr konservativ, sehr teuer und weder breit noch stark aufgestellt. Das hat Markus dann später wunderbar ins Positive verändert. Heute sind wir mit Walter Knoll eine von nur wenigen globalen Architektenmarken.
Wie ist das eigentlich, wenn der eigene Name als Marke in fremde Hände gerät? Wir hatten einen starken Wachstumskurs hinter uns, hätten viel Geld für die weitere Entwicklung investieren müssen und befanden uns in einem Erschöpfungszustand. Ich wollte die Firma nicht in Gefahr bringen und habe daher verkauft. Der größte Verlust war nicht, die meinen Namen tragende Marke in fremde Hände zu geben, sondern die unternehmerische Freiheit aufzugeben. Deshalb habe ich mit dem Verkaufserlös Walter Knoll erworben.
Hätte sich die Marke Rolf Benz später nicht bei Walter Knoll integrieren lassen? Haben Sie je an einen Rückkauf gedacht? Ich habe schon darüber nachgedacht. Und hätte es – anders als Markus übrigens – gerne auch gemacht. Welle als Eigentümer wollte auch wieder verkaufen, dafür aber 140 Millionen D-Mark haben. So viel Geld hatten wir aber nicht. Und im Nachhinein war das wohl auch gut so. Die Marken hätten kulturell nicht zusammengepasst.
Markus Benz: „Eine solche Krise zeigt wie unter einem Brennglas die Probleme“
Markus Benz
(Foto: Sebastian Berger für Handelsblatt)
Herr Benz, haben Sie je daran gedacht, als Chef von Walter Knoll die Marke Rolf Benz zurückzukaufen? Ich wusste natürlich, dass mein Vater emotional an der Marke hing, die seinen Namen bis heute trägt. Bei mir war das etwas anders. Ich war rationaler unterwegs, und wir waren uns dann aber sehr bald auch einig, dass wir uns ganz auf Walter Knoll konzentrieren sollten.
Wie fühlte sich das überhaupt an, das Erbe eines so bekannten Vaters anzutreten? Als Jurist waren Sie zudem vom eigentlichen Fachgebiet anfangs sicher weit entfernt? Mein Vater hatte mir die Werte, die er für sich als Leitbild definiert hatte, immer wieder sehr klargemacht. Bei zahlreichen Besuchen auf den Messen in Mailand und Köln wurden mein Auge und der Blick für die Branche trainiert. Dazu kamen die intensive familiäre Prägung und Begleitung durch meine Mutter. Und das Zutrauen in die eigene Fähigkeit, Risiken abzuschätzen und einzugehen und auch mal ein System zu verlassen und ein neues zu suchen.
Architekten wie Lord Foster, mit denen Sie eng zusammenarbeiten, gelten als ähnlich schillernd wie große Modeschöpfer. Gibt es eine besonders erzählenswerte Episode? Ich möchte an dieser Stelle keine Vertraulichkeiten verletzen. Aber so viel sei gesagt: Wie die großen Modeschöpfer haben auch einige der großen Architekten ihre Musen. Und auch die müssen sie zu nehmen wissen. Generell gilt: Die Zusammenarbeit funktioniert nur dann gedeihlich, wenn sich beide Seiten respektvoll auf Augenhöhe begegnen. Wobei auch klar ist: Design zu machen ist kein demokratischer Prozess.
War das Corona-Jahr 2020 mit seinen Folgen das schwerste, seit Sie Walter Knoll führen? Ja und nein. Wir hatten glücklicherweise die Erneuerung unserer Führungskultur und -zusammensetzung unmittelbar vor Beginn der Pandemie abgeschlossen. Und haben es immerhin geschafft, dass wir 2020 zwar knapp 14 Prozent der Gesamtleistung, aber kein Geld verloren haben.
Heißt das, dass Sie die (strukturellen) Probleme dahingehend lösen konnten, dass Sie die Firma alsbald in jüngere Hände geben könnten, wenn Sie das denn wollten? Eine solche Krise zeigt wie unter einem Brennglas die Probleme. Auf der Produktseite fühlen wir uns sehr gut positioniert, auch unsere Philosophie mit der Betonung der handwerklichen Exzellenz dürfte uns sicher durch die Krise gebracht haben. Den Fehler, einen teuren Ausflug ins Retail-Geschäft gemacht zu haben, haben wir korrigiert. Ein paar Aufgaben liegen noch vor uns, und auch die alte Ertragskraft möchten wir wiederherstellen.
Mara Benz: „Beim Thema Daten gibt es noch Optimierungspotenzial“
Mara Benz
(Foto: Sebastian Berger für Handelsblatt)
Frau Benz, Sie haben das BWL-Studium in St. Gallen absolviert und arbeiten jetzt bei der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman: Würden Sie sich schon in der Lage fühlen, in absehbarer Zeit die CEO-Rolle zu übernehmen? Ich war auch bei Norman Foster und dem Luxusgüterhersteller Bulgari im Praktikum und arbeite jetzt bei der Beratung an verschiedensten Projekten und Themen mit. Ich bin aber sicher noch nicht so weit, jetzt schon ein Unternehmen führen zu können. Das ist sicher ein mehrjähriger Lernprozess. Aber die DNA der Unternehmerfamilie Benz trage ich – wie auch mein zwei Jahre jüngerer Bruder Leon, der auch Betriebswirtschaftslehre an der WHU in Vallendar studiert – in mir. Das spüre ich.
Was genau lernen Sie jetzt in Ihrer aktuellen Tätigkeit, um auf die womöglich künftige Aufgabe bei Walter Knoll vorbereitet zu sein? Derzeit haben viele Beratungsprojekte eine starke digitale Komponente. Immer wieder geht es um die Frage, wie implementiere ich eine Digitalstrategie in ein bislang oft analoges Geschäftsmodell. Man lernt zu verstehen, wie Unternehmen funktionieren und wo es Schmerzpunkte gibt.
Wenn Sie schon heute – quasi als externe Beraterin – Ihrem Vater einen Tipp geben würden, was er dringend ändern sollte bei Walter Knoll: Was wäre das? Wir haben gerade in den vergangenen Tagen bei einer längeren Autofahrt darüber gesprochen, ob Walter Knoll eigentlich dem Thema Daten schon genügend Aufmerksamkeit schenkt.
Und? Ich glaube, dass es da noch Optimierungspotenzial gibt. Daten, Daten, Daten als wichtigste Währung eines Unternehmens sollten noch tiefer in die Organisation einsickern und strategisch auch entsprechend in der Geschäftsführung verankert werden. Im Vertrieb, in der Kundenberatung und generell in der Vernetzung der einzelnen Abteilung könnten wir uns da sicher noch verbessern.
War Ihnen eigentlich seit jeher klar, dass es irgendwann an der Zeit sein wird, die familieneigene Firma zu übernehmen? Und hatten Sie (zeitweise) auch ganz andere Pläne? Nach dem Abitur hatten wir dazu ein erstes ernstes Gespräch. Damals habe ich zu meinem Vater gesagt, dass ich erst mal eigene Erfahrungen außerhalb des Unternehmens sammeln möchte und muss. Aber ich habe auch gesagt: Klar ist Walter Knoll für mich ein spannendes Unternehmen. Weil ich das Handwerk spüre, die Ästhetik und das Material.
Das Unternehmer-Gespräch: Das Handelsblatt im Gespräch mit den Entscheidern in Familienunternehmen – jede Woche diskutieren wir über aktuelle Herausforderungen, Nachfolgethemen, über die Folgen der Digitalisierung sowie über Nachhaltigkeit und die Zukunftsfähigkeit von Geschäftsmodellen.
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