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Drogeriekette Warum dm-Chef Christoph Werner sich nicht an Zahlen messen lassen will

Der Sohn von Gründer Götz Werner hat die Führung von Deutschlands größter Drogeriekette übernommen. Der Wettbewerb in der Branche ist knallhart.
18.12.2019 - 03:56 Uhr Kommentieren
Er will seinen dm-Beschäftigten nicht im Wege stehen. Quelle: Max Brugger für Handelsblatt
Christoph Werner

Er will seinen dm-Beschäftigten nicht im Wege stehen.

(Foto: Max Brugger für Handelsblatt)

Karlsruhe Am Stammsitz von dm in Karlsruhe hängen die Architektenpläne der neuen Zentrale. An den Wänden davor sind Hunderte kleiner, schwarzer Figürchen aufgereiht. Jedes steht für einen Menschen, der am Bau des lichten, viergeschossigen Gebäudes beteiligt war.

Als Christoph Werner dann den Gang entlangkommt, wirkt er in schwarzem Rolli und Jackett wie aus einer dieser Reihen entstiegen: aufrecht, schaffensfreudig, zielstrebig – aber keiner, der aus der Masse herausragt. Er wirkt nicht wie der Chef von Deutschlands größter Drogeriemarktkette mit europaweit mehr als 62.000 Mitarbeitern und elf Milliarden Euro Jahresumsatz. Sondern wie einer, der dazugehört und seinen Beitrag leistet.

Dem 47-Jährigen würde dieses Bild gefallen. „Es geht nicht darum, dass ich hier den Taktstock schwinge und alles vorgebe“, erzählt er in seinem Büro, einem Raum wie alle anderen, in dem nur ein von der Mutter gemaltes Bild an der Wand Persönliches einbringt.

Als Führungskraft müsse man die Teams unterstützen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – die Kunden. Dabei dürfe man „den Kolleginnen und Kollegen nicht im Wege stehen“, sondern auch mal machen lassen, sagt er zu seiner Rolle als Vorsitzender der Geschäftsführung.

Nun hieß es im Gegensatz etwa zum Konkurrenten Rossmann, wo längst alle auf die Übergabe von Gründer Dirk Roßmann auf den Sohn Raoul hinarbeiten, bei dm lange: Christoph Werner, der eines von sieben Geschwistern ist und nach dem BWL-Studium unter anderem bei L’Oréal und Glaxo-Smithkline im Ausland arbeitete, habe keine Ambitionen auf eine Karriere im Familienunternehmen.

2010 kam er dann doch, stieg 2011 in die Geschäftsführung ein und kümmerte sich dort mit Sebastian Bayer um Marketing und Sortimentsgestaltung.

Den Chefposten übernahm er dann nach dem überraschenden Abgang von Erich Harsch im vorigen August. Über seinen Vorgänger, der zum Baumarktbetreiber Hornbach wechselt, will Werner nicht viel sagen, nur: „Man kann das nicht vergleichen: Im Prinzip ist die Verantwortung gleich, aber es ist eine andere Zeit. Auch mein Vorgänger würde heute viele Dinge anders machen.“

Risiken sind offenkundig

Das klingt alles vorsichtig, sehr überlegt, bedächtig. Werner will sich auch nicht an Umsatz oder Wachstumszahlen messen lassen, keine konkreten Ziele nennen. Er freut sich über 600.000 Downloads der im November gestarteten dm-App, und selbstverständlich gewinne der Onlineshop mit seinen nun 18 500 Artikeln und Leistungen wie Click & Collect an Bedeutung.

Als Trend erkennt er das Mega-Thema Nachhaltigkeit, auf das dm mit Plastikvermeidungsstrategien eingeht, und die Personalisierung: „Die Kunden möchten sich wahrgenommen fühlen.“ Grundsätzlich aber gelte: „Wachstum per se ist nicht unser Ziel“, sondern sei eine Folge von Stärke. „Wenn wir starke, leistungsfähige Marken haben und attraktiv sind für unsere Kunden, dann folgt daraus Wachstum.“

Nun steht dm gut da: Man ist Branchenführer in Deutschland, der Umsatz wächst kontinuierlich, es gibt Bestnoten für Mitarbeiterzufriedenheit und von den Kunden. Doch der Wettbewerb ist knallhart. Die Zahl der neu eröffneten Filialen in Deutschland nimmt ab.

Auch Werner sagt mit Blick auf die Jahre nach der Schlecker-Pleite: „Der Kuchen ist gleich groß geblieben, aber die Kuchenstücke wurden breiter. Damit gab es eine Phase der sehr schnellen Expansion, und diese Zeit ist jetzt vorbei.“ Nun gehe es darum, an der Qualität zu arbeiten.

Dabei sind die Risiken offenkundig: Wenn ein Abschwung kommt, würde es dm sofort merken. Dann ist der Umsatz im erst 2015 eröffneten Onlinestore mit einem dreistelligen Millionenbetrag noch gering. Und es ist fraglich, ob sich die technisch aufwendigen Neuerungen und Investitionen bei knapp kalkulierten Artikeln wie Windeln oder Toilettenpapier rechnen.

Gleichzeitig bleiben die Filialen mit ihren hohen Fixkosten bestehen. Die Krux ist auch: Jede neu eröffnete oder frisch renovierte Filiale bringe mehr Umsatz, erläutert ein Insider. Nun habe dm stets auf seine Läden geachtet, sie kontinuierlich modernisiert. Im Gegensatz zur Konkurrenz, wo noch viele Filialen aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden können, gebe es hier nicht mehr viel Potenzial.

Martina Becker, Konsumgüter- und Handelsexpertin bei der Managementberatung Atreus, verweist zudem auf den hohen Anteil an Eigenmarken im Sortiment: dm setze stark auf „trendige Eigenmarken, die eher bei der jungen Kundschaft, allerdings mit geringerer Kaufkraft, ankommen“. Rossmann wiederum punkte mit „Mittelpreismarken bei einer eher älteren Kundschaft mit mehr Kaufkraft“. Hier sei die Frage, „ob das Wachstum von Eigenmarken auch an Grenzen stoßen kann“.

Der Insider, der seit Jahrzehnten im Drogeriebereich tätig ist, fragt zudem: „Wann erwachen wohl die schlafenden Riesen Aldi und Lidl und steigen bei Babypflege oder Gesundheitsprodukten ein? Dann wird es richtig hart.“ Auch Konkurrent Müller, wo ein junges Team die Führung übernommen habe, „wird noch von sich reden machen“.

Einfluss des Vaters bleibt

Christoph Werner ficht das nicht an. Seine Sicht: „Wettbewerb ist ein unendliches Spiel, das nie zu Ende geht und das daher nicht endgültig gewonnen werden kann. Unser Ziel ist es, im Spiel zu bleiben.“ Vor allem gehe es ihm darum: „Wir machen die Dinge, weil wir den Sinn darin erkennen.“ Das klingt dann doch sehr nach dem Vater, der dm 1973 gründete.

Götz Werner plädiert nicht nur für ein Grundeinkommen, sondern ist auch für seine anthroposophische Grundhaltung und Ideale einer menschenfreundlichen Unternehmensführung bekannt. Operativ im Unternehmen tätig ist der Senior nicht mehr – aber natürlich tausche man sich regelmäßig aus, sagt der Sohn, der selbst mit einer Südafrikanerin verheiratet ist und zwei Kinder hat.

In der Branche heißt es allerdings: Es sei doch klar gewesen, dass der Vater, mittlerweile 75, nun letztmalig die Chance gesehen habe, seinen Sohn als Nachfolger zu installieren. Zumal Götz Werner die Anteile am Unternehmen in eine Stiftung überführt hat, an der die Kinder keine Anteile halten.

Der Wirtschaftsanwalt und Honorarprofessor für Familienunternehmen, Mark Binz, der die Familie schon sehr lange kennt, meint wiederum: Es sei Christoph Werners „ganz persönliches Verdienst und ein Glücksfall fürs Unternehmen“, vom Aufsichtsrat auf den Posten berufen worden zu sein. Er habe in anderen Firmen jahrelang Erfahrungen gesammelt.

Dabei habe er aber „die anthroposophische Grundhaltung seines Vaters verinnerlicht, wonach mit dem Eigentum an einem so bedeutenden Familienunternehmen eine große gesellschaftliche Verantwortung einhergeht und deswegen nicht die Gewinnmaximierung im Mittelpunkt stehen sollte“, sondern die Anliegen der Kunden und Mitarbeiter sowie der schonende Umgang mit Ressourcen.

Hier sieht Binz dm als Vorbild, da sich diese Erkenntnis „inzwischen sogar bei Dax-Unternehmen langsam durchzusetzen scheint“. Dazu sagt ein Brancheninsider: „Nur mit Goethe-Rezitieren wird keiner Milliardär. Die Werners verstehen ihr Geschäft – und sind Kaufleute wie alle anderen auch.“

Zu seiner Familie sagt Christoph Werner übrigens wenig. Der Sohn, 25, könnte ja durchaus auch schon im Unternehmen arbeiten. Aber der Chef wiegelt ab: Der sei im Ausland und sei ganz woanders unterwegs, mache sein Ding. Bei ihm selbst, der einst Pilot werden wollte und heute nur noch wenig Zeit für Hobbys wie Segeln, sei der Sinneswandel übrigens ganz einfach eingetreten: Der Zeitpunkt zum Einstieg ins Familienunternehmen habe gepasst, „ich habe es ausprobiert, und es hat mir Spaß gemacht“.

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