Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Ernst Prost im Interview Liqui-Moly-Chef verteidigt seinen Verkauf – „Die Jobgarantie bin ich“

Der schwäbische Unternehmer spricht über den Verkauf seiner Firma Liqui Moly an Würth und erklärt, ob er seinen Umsatz künstlich in die Höhe getrieben hat.
11.03.2018 - 14:30 Uhr Kommentieren
Liqui-Moly-Chef Ernst Prost: „Die Jobgarantie bin ich“ Quelle: Liqui Moly
Ernst Prost

Seit dem 22.. Dezember 2017 ist er angestellter Manager von Liqui Moly.

(Foto: Liqui Moly)

Ernst Prost sieht sich als rechtschaffenen Unternehmer mit Herz für die Mitarbeiter und geißelt Investmentbanker gern als Finanzgangster. Auch an diesem Morgen gibt er den Schaffer und Anpacker. Im Freizeithemd mit Blumenmuster, mit rotem Pulli und derbem Beinkleid sitzt er am Schreibtisch und schiebt die Geschenkpäckchen zur Seite, die sich seit seinem 61. Geburtstag um ihn herum stapeln.

Der gelernte Kfz-Mechaniker und Selfmade-Man hat in zwei Schreiben an die Belegschaft wortreich gerechtfertigt, weshalb er seine Firma, den Schmierstoffhersteller Liqui Moly im schwäbischen Ulm, Ende vergangenen Jahres überraschend verkaufte. Und zwar an den Montagezeughändler Würth im württembergischen Künzelsau.

Herr Prost, Sie haben Ihre Geschäftszahlen für 2017 vor wenigen Tagen mit „Ernst Prost und sein Baby“ unterzeichnet und damit Ihre Firma Liqui Moly gemeint. Ein paar Wochen zuvor haben Sie sich gegenüber Ihren Mitarbeitern mit Ihrer Gesundheit und Fitness gebrüstet. Wieso gibt so jemand dann sein Baby einfach an der Babyklappe ab, sprich: verkauft es?
Ich habe mein Baby Liqui Moly nicht an der Babyklappe abgegeben. Den Vergleich verbitte ich mir. Liqui Moly ist mein Lebenswerk und inzwischen 61 Jahre alt. Es soll noch lange gesund und munter weiterleben. Deshalb muss ich Vorsorge treffen für den Tag, an dem mein Leben zu Ende geht. Das klingt sehr theatralisch, ist aber absolut rational. Mit dem Verkauf an Würth habe ich dafür gesorgt, dass Liqui Moly nach meiner Zeit weiter wachsen und gedeihen kann.

Aber wieso kommt der Verkauf ausgerechnet jetzt?
Der Zeitpunkt ist unerheblich. Ich bin ja weiterhin im Unternehmen und halte meine Hände schützend über mein Baby. Es hat sich überhaupt nichts an der Arbeitsweise von Liqui Moly geändert, außer dass die Zukunft sicherer geworden ist. Ich bin schon ein paar Mal vom Motorrad gefallen und vom Apfelbaum.

Was ist, wenn das wieder passiert und Schluss mit mir ist? Ich halte nichts von krampfhaften Versuchen, an einer Familiendynastie oder einer Unternehmensstiftung für die Zeit nach mir zu basteln. Deshalb habe ich Liqui Moly unter das Dach eines großen zuverlässigen Partners gebracht, der ist wie wir: schwäbisch, bodenständig, ein Familienunternehmen.

Es gibt wirklich keinen Anlass, den Sie uns und Ihren 850 Mitarbeitern verschweigen?
Ich verstehe Ihre Skepsis. Meine 88-jährige Tante Nanni glaubte auch, hinter dem Verkauf muss irgendwas stecken, über das ich nicht reden will. Das tut es nicht. Ich habe gerade wieder alle meine ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen hinter mich gebracht, ohne irgendwelche Befunde. Allerdings hatte ich schon immer Angst, dass mir und damit der Firma etwas passieren könnte. Und so hab ich’s halt jetzt gemacht.

Sie haben Ihren Mitarbeitern den Wechsel zur mächtigen Würth-Gruppe mit dem Argument verkauft, dass Liqui Moly es mit „dicken Brocken“ aufnehmen müsse, also mit den Ölmultis. 2010 hatten Sie noch stolz verkündet, BP wegen der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko als Zulieferer aussortiert zu haben. Sind Sie ängstlich geworden?
So ein Schmarrn! Es gibt einfach kein Vertun, dass wir jeden Tag gegen die weltgrößten Unternehmen antreten und mit ihnen im Clinch liegen – von BP über Shell und Exxon Mobile bis zu russischen oder chinesischen Staatskonzernen. Dass wir bisher Erfolg hatten, liegt an unserer Schnelligkeit, Flexibilität und Kreativität. Die Frage ist aber, wie lange ich persönlich noch dafür sorgen kann, bevor ich das nur noch mehr schlecht als recht schaffe und geschultes Fachpersonal mich mit den Füßen voraus aus dem Büro trägt.

Der Unternehmer war vor der Komplettübernahme bereits seit 20 jahren an Liqi Moly beteiligt. Quelle: Berthold Steinhilber/laif
Reinhold Würth

Der Unternehmer war vor der Komplettübernahme bereits seit 20 jahren an Liqi Moly beteiligt.

(Foto: Berthold Steinhilber/laif)

Sie haben die neue Mutter von Liqui Moly als „Familienunternehmen wie wir“ gepriesen. In Wahrheit macht Würth jedoch fast 40-mal so viel Umsatz, ist ein internationaler Konzern und Liqui Moly nur ein Anhängsel.
Dass unsere neue Mutter groß und international ist, ändert nichts daran, dass Würth ein Familienunternehmen mit dem Gründer Reinhold Würth als letzter Instanz ist. Die ticken und fühlen sich genauso verantwortlich fürs Unternehmen und die Arbeitsplätze wie wir.

Gleichzeitig ist Würth gegenüber den Ölmultis trotz seiner Größe noch immer ein Winzling. Wieso sollte dieser Winzling erfolgreicher gegen BP, Shell und Co. anstinken können als Liqui Moly?
Es geht gar nicht so sehr ums Anstinken. Es geht auch um finanzielle Mittel, die Liqui Moly eventuell einmal benötigt. Ich habe in der Finanzkrise 2008/09 erlebt, dass mir Banken ohne jeden Grund die Kredite gekündigt haben. Deshalb ist es gut für Liqui Moly, künftig jemanden zu haben, der dem Unternehmen im Zweifelsfall ein paar Millionen rüberschieben kann. Da ist Würth sicher viel zuverlässiger als Banken oder Finanzinvestoren.

Weshalb sollte Würth im Krisenfall zig Millionen lockermachen, um seine vergleichsweise kleine neue Schmierstoffabteilung Liqui Moly zu retten?
Sie sollten unsere Bedeutung nicht am Umsatz festmachen, sondern an den Erträgen. Und da sind wir für Würth durchaus wichtig. Wir machten im vergangenen Jahr 52 Millionen Euro Gewinn vor Steuern, Würth kommt auf etwa 750 Millionen. Da muss sich Liqui Moly nicht verstecken. Zudem wird Würth sein Investment nicht vor die Hunde gehen lassen. Im Übrigen kann sich Liqui Moly ziemlich lang selbst helfen. Wir sind schuldenfrei. Unser Eigenkapital betrug am 31. Dezember 2017 rund 120 Millionen Euro, was 75 Prozent unserer Bilanzsumme entspricht.

Liqui Moly steht vor großen Herausforderungen, vor allem durch den Trend zum Elektroauto, dessen Motor sich bekanntlich ohne Öl dreht. Ist das der eigentliche Grund, weshalb Sie das Unternehmen verkauft haben?
Klingt plausibel, stimmt aber nicht. Erstens wird es auch in Zukunft Verbrennungsmotoren geben. Zweitens kommt die Elektromobilität viel langsamer, als viele denken. Und drittens wird Liqui Moly es bis dahin schaffen, neue Produkte etwa für die Autopflege auf den Markt zu bringen.

Sie haben den Verkauf am 22. Dezember 2017 besiegelt. Welche Weisungen haben Sie seitdem von der Würth-Zentrale erhalten?
Keine, keine und noch mal keine. Keinen Brief, keine E-Mail, kein Fax, nicht einmal einen Anruf. Das zeigt, wie sehr die Jungs in Künzelsau uns vertrauen und dass sich nichts geändert hat.

Sie sind nun kein geschäftsführender Gesellschafter mehr, sondern einfacher Geschäftsführer von Würths Gnaden ...
Ich verstehe nicht, was es daran zu mäkeln gibt. Ich habe meinen Mitarbeitern, die für mich weiterhin Kollegen und Mitunternehmer sind, versprochen, dass ich Geschäftsführer bleibe und die Geschicke von Liqui Moly auch in Zukunft lenke. Und ich verrate Ihnen jetzt was: Mein Vertrag als Geschäftsführer ist unbefristet.

Im Gegensatz zu früher kann Würth Sie aber jetzt jeden Moment und ohne Begründung abberufen.
Das stimmt. Aber wieso sollte das passieren? Ich stehe für den Erfolg des Unternehmens. Reinhold Würth hat sich vor gut 20 Jahren an Liqui Moly in Form einer stillen Einlage beteiligt, die er im Laufe der Jahre durch Optionen zuletzt auf ein Drittel aufstockte. Daraus ist eine persönliche Freundschaft erwachsen. Deshalb muss keiner bei Liqui Moly fürchten, dass ich nach dem Motto „mir nix, dir nix“ abgesägt werde.

Hand aufs Herz, wie lange gedenken Sie, Geschäftsführer von Liqui Moly zu bleiben?
So lange, wie ich das gesundheitlich kann und meine Kräfte mir das erlauben.

Sie haben den Liqui-Moly-Beschäftigten den „Fortbestand aller Arbeitsplätze“ versprochen, allerdings ohne jede zeitliche und sonstige Einschränkung. Wie sicher sind Sie, dass Ihnen die großen Worte nicht einmal um die Ohren fliegen?
Das ist eine Klein-Erna-Frage. Schauen Sie doch unsere Zahlen an: das vierte Rekordjahr in Reihenfolge, dazu wieder 11.000 Euro Erfolgsprämie für jeden Mitarbeiter. Liqui Moly ist so ein toller Laden, da gibt es nichts zu rationalisieren, etwa indem man Stellen streicht, um den Gewinn zu erhöhen. Keiner wird einem Rennpferd, das von einem Sieg zum anderen eilt, das Messer anlegen, um auch noch ein paar Würste aus ihm rauszuholen.

Sie haben einmal gesagt, Sie würden Ihr Schloss verkaufen, wenn Sie damit Jobs bei Liqui Moly retten könnten. Warum haben Sie den Mitarbeitern dann keine Jobgarantien für die ersten Jahre unter Würth gegeben?
Weil es schlicht nicht notwendig ist. Die Jobgarantie bin ich. Was Beschäftigungsgarantien in Marktumbruchsituationen wert sind, kann übrigens jeder gerade bei Siemens studieren, wo trotz solcher Zusagen wegen der Energiewende Arbeitsplätze in der Kraftwerkssparte hierzulande abgebaut werden sollen.

Bei der Veröffentlichung Ihrer jüngsten Geschäftszahlen haben Sie behauptet, Liqui Moly habe im vergangenen Jahr 532 Millionen Euro Umsatz gemacht. Wer Ihre Angaben im Bundesanzeiger für 2016 hochrechnet, kommt jedoch nur auf einen Konzernumsatz von etwas mehr als 300 Millionen Euro. Was stimmt?
Beides: Die 532 Millionen Euro ergeben sich aus dem Wert der Mineralöle, die unsere Fabrik Meguin in Saarlouis an Liqui Moly liefert. Dazu kommen die Einnahmen, die Liqui Moly durch Verkauf unter anderem dieser Schmierstoffe erzielt. Bereinigt man die Einnahmen von Liqui Moly um die Lieferungen von Meguin, bleibt in der Tat ein Konzernumsatz in der Größenordnung von etwas über 300 Millionen Euro. Eigentlich ist das aber eine gute Nachricht, denn damit kommen wir auf eine Umsatzrendite von gut 16 Prozent.

Herr Würth schreibt bekanntlich gern geharnischte Briefe an seine Verkäufer, in denen er sie der Trägheit bezichtigt und zu höherer Leistung antreibt. Für wann rechnen Sie mit solchen Briefen an die Liqui-Moly-Mitarbeiter?
Überhaupt nicht. Glauben Sie mir: Es ändert sich nichts an der Führung dieses Hauses, am Stil dieses Hauses, an den Konzepten und Strategien dieses Hauses und was es sonst noch alles gibt im täglichen Geschäft.

Wie fühlen Sie sich im Klub der Milliardäre, dem Sie durch den Verkauf von Liqui Moly nun angehören?
Sie wollen mich doch nicht mit Donald Duck vergleichen! Spaß beiseite, ich werde niemandem sagen, wie hoch der Kaufpreis war.

Dann lassen Sie uns rechnen: Gemessen am Gewinn vor Steuern und an den Gewinnaussichten dürften Sie locker 800 Millionen Euro für Liqui Moly kassiert haben. Zusammen mit den Profiten der vergangenen 20 Jahre kommen Sie also bestimmt auf ein Gesamtvermögen von einer Milliarde Euro.
Was Sie nicht sagen! Sie wissen aber auch, dass Gewinne versteuert werden müssen und deshalb ein paar Hundert Millionen des Verkaufspreises an den Fiskus gehen. Insofern hat auch der Staat viel davon, dass ich Liqui Moly verkauft habe. Ich sage das ohne jede Ironie. Ich zahle gern hier meine Steuern, denn es gibt noch viel Gutes zu tun in Deutschland.

Herr Prost, wir danken Ihnen für das Interview.

Startseite
Mehr zu: Ernst Prost im Interview - Liqui-Moly-Chef verteidigt seinen Verkauf – „Die Jobgarantie bin ich“
0 Kommentare zu "Ernst Prost im Interview: Liqui-Moly-Chef verteidigt seinen Verkauf – „Die Jobgarantie bin ich“"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%