Familienunternehmen Wie die Ororatech-Gründer mit Nano-Satelliten Waldbrände früher entdecken wollen

Die Ororatech-Gründer wollen 100 Nano-Satelliten ins All schießen.
München Thomas Grübler wollte schon immer hoch hinaus. Der 27-Jährige wandert und klettert gern. Doch auf fast allen Bergen, bedauert er, war ja schon jemand. Wirklich unbekannte Welten gebe es nur noch im All – und so war er schon früh von Star Trek, Beamen und vom Warp-Antrieb fasziniert. Seine Faszination hat der Elektro-Ingenieur zum Beruf gemacht.
Mit dem Start-up Ororatech will er gut 100 kleine Satelliten ins All schicken. Mit Infrarot-Kameras ausgerüstet sollen diese vor allem helfen, Waldbrände zu entdecken. Auch für Meteorologen sind die Daten interessant.
„The sky is no limit“ prangt über der Tür des Zimmers in der Technischen Universität München, das derzeit noch das Hauptquartier des Start-ups ist. Alle Grenzen überwinden kann die junge Firma erst, wenn sie genügend Investoren gefunden hat. Eine erste Seed-Finanzierung für die Entwicklung des Nano-Satelliten glückte rasch.
Doch für das geplante Satellitennetz werden größere Summen notwendig sein. „Es gibt einige Investoren, die abwarten wollen, ob der Satellit wirklich fliegt“, sagt Mitgründer Björn Stoffers. Doch wenn die Pläne aufgehen, könnte der Einstieg für die Interessenten teurer werden.
Ororatech wurde als Spin-Off der TU München vor erst einem Jahr gegründet. Zuvor hatten die Jungunternehmer bereits anderthalb Jahre in ihrer Freizeit entwickelt. Neben Grübler, dem Elektrotechniker, und Stoffers, dem Betriebswirtschafts- und Kommunikationsexperten sind Software-Ingenieur Florian Mauracher und Elektro-Ingenieur Rupert Amann als Mitgründer an Bord. Der erste Prototyp soll im kommenden Jahr ins All geschossen werden, bis 2023 oder 2024 soll das komplette Netz stehen.
Nano-Satelliten gibt es noch nicht lange – erst die Miniaturisierung der Elektronik für Handys und andere Anwendungen hat die Würfel mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern möglich gemacht. Anbieter wie Planet Labs und Spire entwickeln kleine Satelliten, die Fotos machen können und Radiowellen erfassen. Ororatech hat besonders kleine Infrarotsensoren entwickelt, die in den zehn mal zehn mal 30 Zentimeter großen Satelliten installiert werden.
100 Stück davon sollen auf verschiedenen Umlaufbahnen in niedriger Höhe jeden Punkt auf der Erde spätestens nach einer halben Stunde abdecken. „Dadurch entsteht ein hochaktueller Datensatz mit hoher Auflösung im Infrarotspektrum, der weltweit einzigartig ist“, heißt es bei Ororatech. Die kleinen Satelliten sind vergleichsweise günstig: Das gesamte Netz soll 50 Millionen Euro kosten.
Wegen der geringen Kosten ist es auch nicht so tragisch, wenn ein Satellit einmal nicht funktioniert. „Wir bauen einfach 110 Stück, dann fallen halt zehn aus“, sagt Grübler. Zum Vergleich: Ein einziger komplexer, großer Satellit kostet heute dagegen schnell eine halbe bis eine Milliarde Euro.
Früher wurde die Raumfahrt von großen Projekten vorangetrieben. Die Raumfahrtagenturen waren die Hauptauftraggeber der Raumfahrtunternehmen. Bei den Großprojekten ist das noch heute so. Doch entwickeln inzwischen gerade Start-ups, aber auch traditionelle Unternehmen Ideen für die kommerzielle Weltraumnutzung. Die Digitalisierung spielt hier eine zentrale Rolle. New Space nennen Experten dieses neue Feld, bei dem oft auch kleine Investitionen spannende Entwicklungen hervorbringen können.
Der Kölner Rechtsanwalt Ingo Baumann von BHO Legal kennt sich in der Raumfahrt-Szene in Europa bestens aus. Die deutschen New-Space-Firmen deckten ein breites Spektrum ab, viele fokussierten aber sich auf den Markt für Kleinsatelliten.
Mit German Orbital Systems und Berlin Space Technologies gebe es zwei Hersteller von Kleinsatelliten, andere Firmen wie Morpheus Space GmbH aus Dresden lieferten Komponenten und Unternehmen wie Polaris RfZ GmbH arbeiteten an kleinen Startraketen.
„Im Bereich Betrieb und Dienste sind es bisher allerdings nicht so viele Firmen, hier ist Ororatech eine Ausnahme.“ Der Fokus auf Infrarot sei vielversprechend. „Aus rechtlicher Sicht stoßen die vielen Kleinsatellitenprojekte allerdings auch auf Bedenken“, so Baumann. „Sollten alle gegenwärtig geplanten Systeme tatsächlich realisiert, droht sich das Problem des Weltraummülls dramatisch zu verschärfen“. Da viele der Kleinsatellitenmodelle keine Antriebe hätten, könnten sie bei Kollisionsgefahr nicht ausweichen und auch nicht kontrolliert zum schnelleren Wiedereintritt in die Erdatmosphäre gebracht werden.
Ororatech-Gründer Grübler entgegnet, man platziere die Satelliten bewusst in einem niedrigeren Orbit um die 600 Kilometer. Da hier eine minimale Restatmosphäre vorherrschte, träten die Satelliten nach einer bestimmten Zeit durch den sogenannten „Orbital Drag“ von selbst wieder in die Atmosphäre ein. Durch die ESA sei dies innerhalb von 25 Jahren vorgeschrieben.
Finanzierung ist für Satelliten-Start-ups problematisch
„Wir hingegen planen die Flughöhe der Satelliten so anzupassen, dass sie direkt nach der geplanten Einsatzzeit von derzeit fünf Jahren wieder eintreten. Durch Orbital Drag könne man zudem auch den Orbit der Satelliten justieren – ähnlich wie ein Flugzeug mit Ruder und Flügel, nur langsamer, und somit aktiv anderen Satelliten ausweichen.
Das größte Problem für die jungen Firmen ist nach Einschätzung von Satelliten-Experte Baumann die Finanzierung. „Für den Aufbau von Konstellationen sind jahrelange, hohe Vorinvestitionen nötig, trotz vieler Anstrengungen auf Seiten der Weltraumagenturen, der Europäischen Kommission und der Europäischen Investitionsbank sind größere Investitionen in Europa nur sehr schwer zu realisieren.
Die Gründer von Ororatech planen ihre Satellitendaten zu verkaufen. Eine Anwendung ist Wetter. Für präzise Wettervorhersagen braucht man sehr gute, komplexe Modelle und unzählige Sensoren.
Es gibt zwei Arten von Wetter-Satelliten. Geostationäre stehen fest über einem Punkt am Äquator in 36.000 Kilometer Entfernung. Sie haben eine niedrige Auflösung. Zudem gibt es Satelliten in naher Umlaufbahn, die in bis zu 1000 Kilometern Höhe in 1,5 Stunden um die Erde kreisen. Die machen bessere Bilder, brauchen aber oft Tage, um den selben Punkt wieder abzudecken.
Mit den vielen Nano-Satelliten von Ororatech geht das schneller. Das hilft besonders bei Waldbrandgefahr. Heute werden in kritischen Zeiten die Wälder oft von Wachtürmen oder per Flugzeug überwacht. „Mit unseren Satelliten wird es günstiger und schneller gehen“, sagt Grübler. Die Geräte werden mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet und sollen Brandherde selbstständig entdecken. „Das ist doch das Tollste, was man machen kann“, sagt Stoffers, „wir bringen Satelliten ins All, tun etwas Gutes damit wie Waldbrände einzudämmen und verdienen auch noch Geld damit.“
Die Gründer sind zuversichtlich, dass sie ihr Satellitennetz realisieren können. Derzeit verdient das Unternehmen ein wenig Geld mit dem Bau von Satelliten, zudem gibt es in der Raumfahrt viele Fördermöglichkeiten. „Auch das neue Programm Bavaria One der bayerischen Staatsregierung könnte etwas für uns sein“, sagt Grübler. Doch wenn es nicht klappen sollte, ist dem Weltraum-Fan nicht bange. „Jeder von uns bekäme sicher sofort einen Job. Aber lieber würden wir wieder Unternehmer werden.“
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