Finanzierungsrunde Gebrauchte Luxusmode boomt – nun verhelfen Softbank und Al Gore Vestiaire zu Milliardenbewertung

Er ist mit dem Verkauf von Lazada an Alibaba reich geworden.
Düsseldorf Vestiaire Collective: Den Namen haben sich internationale Investoren offenbar gut gemerkt. Im März hatte bereits eine Summe von knapp 180 Millionen Euro dafür gesorgt, dass Vestiaire als Anbieter von hochwertiger Secondhand-Mode zum französischen Einhorn wurde, also zu einem Start-up mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Euro. Jetzt legen erneut zwei sehr namhafte Investoren noch einmal knapp 180 Millionen Euro obendrauf. Die Bewertung liege jetzt bei rund 1,7 Milliarden Euro, teilte Vestiaire mit.
Mit Softbank haben Gründerin Fanny Moizant und der 2018 mit eigenem Geld eingestiegene deutsche Vorstandschef Maximilian Bittner nun einen der renommiertesten Tech-Investoren für sich gewonnen. Zudem gibt Generation Investment Management Geld, ein auf Nachhaltigkeit konzentrierter Investor mit dem früheren US-Vizepräsidenten Al Gore als Vorsitzendem und Gründungspartner in seinen Reihen. Die anderen bisherigen Geldgeber haben ebenfalls erneut investiert, wie Vestiaire mitteilte. Seit Frühjahr gehört auch der Luxusgüterhersteller Kering mit fünf Prozent dazu.
Bereits Anfang des Jahres habe er mit Al Gore gesprochen, wie Bittner im Gespräch mit dem Handelsblatt erzählt. Er sieht in den neuen Geldgebern einen „Ritterschlag“ für Vestiaire Collective. Marcelo Claure, CEO der SoftBank Group International, wird in den Verwaltungsrat von Vestiaire eintreten, er sieht das 2009 gegründete Unternehmen an der Schnittstelle „mehrerer Branchentrends mit Wachstum im Luxuseinzelhandel, fortlaufender Umstellung auf online und einem aktiven Fokus auf Nachhaltigkeit“.
Vestiaire hatte sich zunächst auf Designer-Secondhand-Kleidungsstücke fokussiert und auch den Authentifizierungsservice für die auch gebraucht noch hochpreisigen Taschen und Modestücke gleich mitgeliefert.
Weltweite Textilwirtschaft für vier Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich
Als Bittner 2018 einstieg, stellte er das Start-up breiter auf. Mehr Plattform als Online-Händler, mehr günstigere, aber qualitativ hochwertige Secondhand-Kleidungsstücke, abseits von Chanel und Louis Vuitton, und drittens gerade bei den etwas günstigeren Modellen auch die Chance, dass Käufer und Verkäufer selbst aktiv werden und die Authentifizierung auf Wunsch auch weglassen können. Inzwischen werden 70 Prozent des Warenvolumens zwischen Verkäufern und Käufern direkt umgesetzt, erklärt Bittner.
Im Ergebnis stieg das Warenvolumen offenbar deutlich an. Aktuelle Zahlen nennt Bittner beharrlich nicht. Der Umsatz habe 2020 bei 400 Millionen gelegen, hatte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Frühjahr gesagt. Im Schnitt liege der Warenkorb bei rund 300 Euro, elf Millionen Nutzer in 60 Nationen und drei Millionen Kleidungsstücke hat Vestiaire nach eigenen Angaben derzeit.
An der Mission aber, lieber hochwertiger langlebiger Mode ein zweites Leben einzuhauchen, habe sich aber nichts geändert. Bittner ist überzeugt, Teil der Lösung in der Textilwirtschaft zu sein und nicht Teil des Problems.
Shalini Rao von Generation Investment Management rechnet vor: Die gesamte Menge der Treibhausgasemissionen aus der Textilproduktion übersteige die Emissionen aller internationalen Flüge und Seeschiffe zusammen. Daher müsse es „genauso einfach und verlockend werden, Secondhand-Mode zu kaufen wie neue Artikel“. Laut einer Studie von McKinsey verursachte die globale Bekleidungs- und Schuhindustrie im Jahr 2018 bereits 2,1 Milliarden Tonnen CO2. Das sei in etwa so viel wie Frankreich, Deutschland und Großbritannien zusammen.
Trend 1: Mehr Nachhaltigkeit und mehr secondhand in der Mode
Vestiaire ist nur eines von vielen Unternehmen, die auf Secondhand-Mode setzen und derzeit stark wachsen. Rebelle aus Deutschland ist ebenfalls im Designer-Segment unterwegs. Vinted, das litauische Unternehmen, das früher unter Kleiderkreisel firmierte, oder Momox, das Unternehmen, das auch andere Secondhand-Waren wie Bücher auf seiner Plattform führt, belegen das Interesse der Kunden an Nachhaltigkeit.
Seit einiger Zeit sind auch Europas größte Modeplattform Zalando und das zur Otto-Gruppe gehörende About You mit bereits getragenen Modeartikeln am Markt.
Das Kalkül: Wenn die Kunden immer nachhaltiger kaufen, werden Secondhand-Produkte immer wichtiger und anerkannter. Die Boston Consulting Group hatte bereits 2020 in einer Studie für Vestiaire ermittelt, dass die Pandemie den Trend zu nachhaltigeren Produkten verstärke.
Bislang liege der Marktanteil am gesamten Textilmarkt zwar nur bei rund zwei Prozent, die Secondhand-Waren könnten in den nächsten fünf Jahren aber um 15 bis 20 Prozent zulegen, schätzt die Beratung. Knapp 70 Prozent der Konsumenten planten, künftig auch Secondhand-Produkte zu kaufen. Im Luxusmarkt entfielen bereits 2020 knapp zehn Prozent der Gesamtumsätze auf sogenannte Pre-owned-Produkte.
„Das Schöne ist, dass bei uns Nachhaltigkeit und Profitabilität kein Gegensatz sind, sondern zusammengehören“, sagt Bittner. Das stand bei seinen früheren Engagements noch nicht so sehr im Fokus. Nach Stationen bei McKinsey baute er für Rocket Internet eine Plattform in Asien, „Lazada“, auf, die schließlich für mehrere Milliarden an Alibaba verkauft wurde.
Seit knapp zwei Wochen verfügt Vestiaire darüber hinaus über einen sogenannte B-Corp-Zertifizierung. Es sei bisher das einzige Unternehmen der Branche, das bislang dazugehöre, teilte das Unternehmen mit. Die in den USA beheimatete Non-Profit-Organisation B Lab vergibt das Zertifikat an Unternehmen, die sich regelmäßig auf ihre positive Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt überprüfen lassen. Weltweit verfügen rund 3500 Unternehmen über dieses Siegel.
Trend 2: Mehr Geld für französische Start-ups
Nachdem der französische Staatspräsident Emanuelle Macron die Förderung von eigenen Tech-Unternehmen zur Chefsache gemacht hat, erlebt Frankreich gerade einen Finanzierungsboom, wie er seit einiger Zeit auch hierzulande zu beobachten ist. Allein in dieser Woche meldeten die Fußball-Plattform Sorare, der Plattform-Entwickler Mirakl und nun Vestiare große Finanzierungsrunden an. Sie alle sind bereits seit Längerem Start-ups mit Milliardenbewertungen.
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