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Fleischbranche Tönnies geht gegen Subfirmen vor: Privatdetektive ermitteln gegen Rekrutierer

Der Fleischkonzern Tönnies will die größte Krise in der Unternehmensgeschichte hinter sich lassen. Dabei sollen auch Privatermittler helfen.
26.06.2021 - 12:43 Uhr Kommentieren
Der Fleischkonzern Tönnies hat im Rahmen einer Imagekampagne sein Logo demontiert. Quelle: dpa
Fall für das Archiv

Der Fleischkonzern Tönnies hat im Rahmen einer Imagekampagne sein Logo demontiert.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Ein Schwein, eine Kuh und ein Bulle, deren Schwänze ein Herz formen: Das fröhliche Tier-Trio zierte jahrelang das Dach der Tönnies-Zentrale in Rheda-Wiedenbrück und wurde bundesweit zum Symbol der Probleme in der Fleischindustrie. Im April hat das Unternehmen das Logo eingelagert. Der Grund: Es passe „nicht mehr in unsere Zeit“.

Ein Jahr nach dem massenhaften Corona-Ausbruch im Stammwerk will Deutschlands größter Schweineschlachter sein ramponiertes Image glätten. Das Unternehmen investiert in die Arbeits- und Wohnbedingungen seiner Beschäftigten – und in Privatermittler, die gegen ehemalige Geschäftspartner vorgehen.

Das Familienunternehmen hat die Kölner Firma Comsec damit beauftragt, das Geschäft dubioser Arbeitskräftevermittler zu überprüfen, sogenannter Rekrutierer. Diese Subunternehmen werben Arbeitskräfte aus Ost- und Südosteuropa für die Arbeit im Fleischkonzern an.

Comsec bezeichnet sich als „Detektei für Internationale Wirtschaftsermittlungen“, für die eigenen Angaben zufolge ehemalige Polizisten und Staatsanwälte tätig sind. Auf der Website des Unternehmens heißt es, dass die „Aufdeckung von gewerbs- oder bandenmäßigen Diebstählen, Betrugsstraftaten oder auch Untreuedelikten“ genauso zum Angebot gehöre „wie die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsspionage“. Die Agentur arbeitet schon seit Jahren für Tönnies.

Nun geht der Schweineschlachter mithilfe der Detektive juristisch gegen ehemalige Geschäftspartner vor. Comsec hat eigenen Angaben zufolge acht Tatkomplexe ausgemacht, in denen es um Kreditbetrug und den Missbrauch von Sozialsystemen durch die Rekrutierer gehe und an denen insgesamt 18 Verdächtige beteiligt seien. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld teilte mit, dass bislang eine Anzeige bei ihr eingegangen sei.

Bereits zwei Jahre lang hätte Comsec im Umfeld der Tönnies-Subunternehmen ermittelt, teilweise verdeckt. Verbindungsleute hätten sich in das System eingeschleust, um die Netzwerke der Vermittler auszuleuchten. Das sei notwendig, sagte ein Geschäftsführer der „Neuen Westfälischen Zeitung“, weil die Polizei „mit dieser Aufgabe überfordert“ sei.

Gewerkschaft NGG: „Tönnies war Teil des Systems“

Konkret seien etwa Fälle bekannt, in denen Rekrutierer Lohnabrechnungen gefälscht hätten, um Kredite zu beantragen. Bis zu 40.000 Euro ließen sich somit pro Person ergaunern. Für die Banken sei das zwar ein Ärgernis – von einer Strafverfolgung der im Ausland lebenden Rekrutierer würden sie aber zumeist absehen.

Comsec wollte sich nicht zu Details äußern und verwies an Tönnies. Das Unternehmen bestätigt zwar die Zusammenarbeit mit den Privatdetektiven, wollte „die laufenden Ermittlungen“ aber ebenfalls nicht kommentieren.

Thomas Bernhard, Fleischexperte der Gewerkschaft NGG, begrüßt die Ermittlungen aus eigenem Antrieb: „Tönnies hat viele Jahre wissentlich und bewusst mit kriminellen Subunternehmen zusammengearbeitet.“ Dass die Fleischmafia Menschen teilweise illegal mit gefälschten Pässen nach Deutschland geholt habe, sei in der Branche seit Langem bekannt. Bernhard: „Tönnies war Teil des Systems und hat davon gelebt.“

Die Fleischkonzerne bleiben weiterhin auf Personal aus dem Ausland angewiesen. Quelle: dpa
Corona-Ausbruch im Kreis Gütersloh

Die Fleischkonzerne bleiben weiterhin auf Personal aus dem Ausland angewiesen.

(Foto: dpa)

Bis zum vergangenen Jahr sei es dem Unternehmen zumindest in der Außendarstellung „völlig egal“ gewesen, unter welchen Bedingungen seine Arbeiter nach Deutschland kamen. „Die Verantwortung wurde ganz an die Subunternehmer geschoben“, sagte der Gewerkschafter.

Die Bundesregierung hat mit Beginn des Jahres 2021 Werksverträge in Kernbereichen der Branche verboten. Seit April ist auch der Einsatz von Zeitarbeitern verboten. Das soll Ausbeutung verhindern und dubiose Firmengeflechte mit unklaren Zuständigkeiten auflösen. Tönnies musste deshalb bis Ende 2020 etwa 6000 Arbeiter einstellen. Allein im Stammwerk Rheda war zuvor etwa die Hälfte der fast 7000 Beschäftigten über Subunternehmen eingestellt

Ende Januar hatte das Unternehmen zudem etwa 2000 Wohnplätze für seine Mitarbeiter bereitgestellt. Weitere Wohnungen sind geplant. Zuvor hatten Subunternehmer teilweise zu Wucherpreisen Zimmer an Werkverträgler vermietet.

Trotzdem sind die Fleischkonzerne weiterhin auf Personal aus dem Ausland angewiesen. Ehemalige Subunternehmen bieten nun ihre Dienste als Rekrutierer an. „Wir haben umfangreiche Erfahrung mit dem Versuch, in Deutschland Personal zu rekrutieren“, sagte ein Tönnies-Sprecher vor einem Jahr. „Das ist nicht möglich.“

Hinzu kommt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen um Arbeitskräfte konkurrieren muss, unter anderem mit Amazon, das keine 20 Autominuten von der Tönnies-Zentrale entfernt einen Standort eröffnet hat.

Laut Comsec würden Rekrutierer gezielt von Tönnies ausgebildete Fachkräfte abwerben, die bereits an internen Sprachschulungen teilgenommen haben. Ihnen würden zwei bis drei Euro mehr Gehalt versprochen. Ein Euro je Arbeitsstunde würde jedoch an den Rekrutierer fließen.

NGG-Gewerkschafter Bernhard hält das für ein Unding: „Davon profitieren wieder die dubiosen Vermittler, die abkassieren.“ Er fordert, dass die Rekrutierung künftig offiziell über Arbeitsagenturen abläuft.

Mehr: So gehen die Fleischkonzerne mit der Zäsur in ihrer Branche um

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