Fotodienstleister Großauftrag aus Großbritannien: Cewe-Chef Friege beweist Gespür für neue Chancen

„In Zeiten der Digitalisierung gewinnen die agilen und innovativen Unternehmen, die ihre Technologie ganz nach den Kundenwünschen ausrichten.“
Düsseldorf Wenn sich die beiden Töchter von Cewe-Chef Christian Friege ihre Studentenzimmer einrichten, pinnen sie als Erstes an die 100 Erinnerungsfotos an die Wand. „Dann erst fühlen sie sich richtig wohl“, erzählt der Vorstandschef von Europas führendem Fotodienstleister aus Oldenburg. „Digitalfotos bei Snapchat oder Instagram-Storys sind selbst jungen Leuten zu flüchtig. Fotos auf Papier zu drucken ist moderner denn je.“
Ein Beleg dafür sind die Cewe-Fotobücher, die ein Verkaufsschlager bleiben. 6,6 Millionen davon wurden vor allem im Weihnachtsgeschäft verkauft, sieben Prozent mehr als im Vorjahr. „Das Unternehmen dominiert diese lukrative Nische“, konstatiert Volker Bosse, Analyst der Baader Bank. „Die Marke Cewe ist zum Synonym für Fotobücher geworden, wie Tempo für Taschentücher.“
Das SDax-Unternehmen mit rund 4000 Mitarbeitern steigerte den Umsatz 2019 kräftig um zehn Prozent auf 715 Millionen Euro. Das operative Ergebnis stieg leicht auf 57 Millionen Euro. „Wir sind richtig gut unterwegs“, gibt sich Friege zufrieden.
Dabei schien die Digitalisierung der Fotografie zunächst existenzbedrohend für den 1912 gegründeten Fotodienstleister. Bis Anfang der 2000er-Jahre lebte Cewe überwiegend von Fotoabzügen vom Negativ. In nur zehn Jahren brachen mehr als 90 Prozent des Geschäfts weg.
Die konsequente Umstellung auf digitalen Bilderservice erwies sich für Cewe als Segen. Mit Smartphones fotografieren die Menschen heute viel mehr als früher mit analogen Kameras. „Die Leute haben Tausende digitale Fotos in der Hand- oder Hosentasche“, so Friege. „Ein paar davon sind ihnen so wichtig, dass sie diese als Fotobuch in Händen halten wollen.“
Der promovierte Ökonom Friege hat eine bunte Karriere hinter sich – etwa als Leiter des Bertelsmann-Buchclubs in Großbritannien, Vorstand von Debitel und Chef des Ökostromanbieters Lichtblick. Dass Cewe insgesamt hervorragend dastehe, liegt laut Analyst Bosse vor allem daran, dass Friege in den vier Jahren, die er jetzt bei Cewe ist, die Markenstrategie vorangetrieben und durch Zukäufe gestärkt habe.
Service auf allen Kanälen
Nach der französischen Foto-App Cheerz im Jahr 2018 wurde im Mai der deutsche Wandbild-Spezialist White Wall für 30 Millionen Euro übernommen. „In Zeiten der Digitalisierung gewinnen die agilen und innovativen Unternehmen, die ihre Technologie ganz nach den Kundenwünschen ausrichten“, begründet Friege die Zukäufe. Dem 53-Jährigen ist wichtig, dass Kunden den Service von Cewe auf allen Kanälen nutzen können.
Im Laufe dieses Jahres kann Cewe sein Geschäft in Großbritannien und Irland deutlich ausbauen. Für die rund 1000 Filialen der Drogeriekette Boots hat Cewe exklusiv den Fotoservice übernommen. „Das ist schon eine Hausnummer“, freut sich Friege. Cewe hat einen Produktionsbetrieb in Warwick und kann so Nachteile des Brexits umgehen.
Weniger flott läuft derzeit das zweite Standbein von Cewe, der Online-Druck. „Wir verlegen die Produktion von Laserline von Berlin nach Dresden zu Saxoprint. Dort betreiben wir Europas modernste Bogen-Offsetdruckerei“, so Friege. Der Wettbewerb etwa mit Flyer-Alarm sei hart und werde vor allem über den Preis ausgetragen, beobachtet Bosse. Es sei schwer, im Online-Druck Gewinne zu machen. Die Zusammenlegung in Dresden sei somit richtig.
Weil das Hauptgeschäft Fotofinishing demgegenüber richtig gut laufe, empfiehlt Analyst Bosse die Cewe-Aktie zum Kauf. Der Kurs stieg zuletzt auf Rekordwerte über 100 Euro. Bosses Resümee: „Cewe ist ein grundsolides Unternehmen mit einer sauberen Bilanz.“
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