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Fünf große Trends der Luxusmarken Digitalisierung rettet Schweizer Uhrenhersteller durch die Coronakrise

Die erfolgsverwöhnte Branche erlebt eine der härtesten Krisen ihrer Geschichte. Profiteure sind ausgerechnet Familienunternehmen im Hochpreissegment.
27.03.2021 - 12:20 Uhr Kommentieren
Die Marke ist mit weitem Abstand mittlerweile die unumstrittene Nummer eins der Branche Quelle: Reuters
Rolex-Uhren

Die Marke ist mit weitem Abstand mittlerweile die unumstrittene Nummer eins der Branche

(Foto: Reuters)

Hamburg Wer verstehen will, wie Corona auch die feine Schweizer Uhrenindustrie infiziert hat, muss sich nur den Wandel ihres wichtigsten Branchenevents anschauen: Als die große Uhrenmesse in Genf noch SIHH hieß (Salon International de la Haute Horlogerie), war das Gedränge groß: Tausende von Händlern, Fans und Firmenvertretern schoben sich durch die Hallen oben über der Stadt am Flughafen. Ohne mittelschwere Grippe kam kaum jemand nach Hause. Unter Infektions-Gesichtspunkten war es furchtbar. Fürs Geschäft war das Event großartig.

Seit der letzten analogen Messe sind nur zwei Jahre vergangen und doch eine Ewigkeit: Die noch größere Konkurrenzmesse Baselworld musste in den Virus-Wirren aufgeben. Der SIHH benannte sich um in Watches & Wonders und findet nun von 7. bis 13. April erstmals und dann auch rein digital statt. Ausgerechnet in einer Branche, die wohl mehr als jede andere auf Handarbeit, mechanische Präzision und persönliches Erlebnis Wert legt.

„Einer digitalen Messe wie der diesjährigen Watches & Wonders fehlen natürlich die Emotionen, das haptische Erleben der Uhren und die vielen Gespräche, die man normalerweise auf so einem Event führt“, trauert der Uhrenexperte Gisbert L. Brunner den alten Zeiten hinterher.

Und doch hat Corona auch hier nur eine Entwicklung extrem beschleunigt, die bereits vor der Pandemie im Gange war, und zugleich den ersten von fünf großen Trends der gesamten Industrie markiert:

1. Die Digitalisierung boomt rund um die Feinstmechanik

Schon im Januar kündigte A.-Lange-&-Söhne-Chef Wilhelm Schmid im Handelsblatt-Interview an, dass selbst sein Unternehmen einen eigenen Online-Store aufbauen und sich dem E-Commerce weiter öffnen wolle. Schmid räumte ein, dass sein Unternehmen das Thema E-Commerce bislang eher skeptisch sah, „weil unsere Kunden diesen Vertriebsweg nicht sonderlich geschätzt haben. Denen war der Besuch in unseren Boutiquen oder bei einem unserer Partner eben doch sehr wichtig.“ Das habe sich während der Coronakrise aber „mit erstaunlicher Geschwindigkeit“ geändert.

Die Glashütter gehören zu den prestigeträchtigsten Marken im Reich des Schweizer Luxuskonzerns Richemont (Cartier, IWC, Jaeger-LeCoultre u. a.), der gemeinsam mit dem chinesischen Internetriesen Alibaba je 550 Millionen Dollar in den Onlinemarktplatz Farfetch investieren will. Die Luxusplattform Yoox-Net-a-porter gehört den Genfern schon. Die digitalen Investitionen haben nicht nur bei Richemont mit einer zweiten Erkenntnis zu tun:

2. Asien ist der große Hoffnungswert

Die Volksrepublik China zum Beispiel ist 2020 erstmals zum Exportland Nummer eins der eidgenössischen Uhrenindustrie geworden, bilanziert René Weber, Fachmann beim Züricher Vermögensverwalter Vontobel. 14,1 Prozent der ausgeführten Schweizer Uhren gehen inzwischen allein nach Festland-China. Deutschland liegt hier mit einem Exportanteil von nur 5,2 Prozent auf Platz fünf, hinter der Volksrepublik, den USA, Hongkong und Japan.

Während in Europa noch Lockdown-Tristesse regiert, ist den Konsumenten in Tokio, Singapur oder Schanghai längst wieder nach Shoppingspaß. Und dort waren sie schon immer deutlich online-affiner. Dass auch kostbarste Uhren für fünf- oder gar sechsstellige Summen einfach mal per Klick verkauft werden, sei gerade in Asien keine Seltenheit mehr, beobachtet Sascha Moeri, Chef der Luzerner Uhrenmarke Carl F. Bucherer, die bereits rund 40 Prozent ihrer Umsätze in Asien macht, das Gros davon im Großraum China.

Insofern ist es wohl nur zwangsläufig, dass die Watches & Wonders sich nach ihrem digitalen Start doch noch einmal sehr analog in Schanghai materialisieren wird – schon um den dortigen Kunden zu zeigen, wie wichtig sie den eidgenössischen Uhrmachern sind. Denn eines erleben coronabedingt zurzeit wohl alle 830 Schweizer Uhrenmarken:

3. Umsatzeinbrüche auf breiter Front

Um 22 Prozent auf nur noch knapp 17 Milliarden Franken brachen die Exporte der eidgenössischen Uhrenindustrie im Corona-Jahr 2020 ein. Der April war mit einem Minus von 81,3 Prozent der wahrscheinlich düsterste Monat, den die Branche je erlebt hat. Die Hauptgründe: Der globale Tourismus hat sich förmlich aufgelöst. Die Fachgeschäfte erlebten monatelange Zwangsschließungen.

„Verzweifelt sind vor allem die Juweliere“, sagt Uhren-Experte Brunner. „Das eigentlich im Laden stattfindende Geschäft können sie online gar nicht kompensieren bei all den Lockdowns.“ Die Folgen in der Schweiz waren Kurzarbeit, Kündigungen und die Angst, dass noch eine größere Insolvenzwelle drohen könnte. Andererseits rechnet Vontobel-Fachmann Weber schon für dieses Jahr wieder mit einem Export-Plus von 18 Prozent.

Im Februar scheint die Talsohle der Ausfuhren erreicht gewesen zu sein, verkündete auch der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie zuletzt. Aber selbst 2022 dürfte der Gesamtumsatz demnach noch unter dem des Rekordjahrs 2019 liegen, als insgesamt Uhren für 21,7 Milliarden Schweizer Franken ausgeführt wurden.

4. Billig hat kaum noch Zukunft

Besonders hart traf es die günstigen Marken und deshalb auch die Swatch Group, die eher für Einsteiger-Marken wie Swatch, Longines oder Tissot steht. Der Trend gehe eindeutig Richtung Uhren, die über 3000 Schweizer Franken kosten, bilanziert eine aktuelle Studie der US-Investmentbank Morgan Stanley. „Einigermaßen gut durch die Krise kommen vor allem jene Marken, die eine Gewähr dafür bieten, dass ihre Uhren wirklich werthaltig sind – und entsprechend eine echte Geldanlage“, glaubt Branchen-Beobachter Brunner.

Schuld an dem Einbruch des Billig-Segments ist zudem der Boom der Smart Watches, die vergleichsweise günstig zu haben sind – auch die Modelle des hier alles dominierenden Apple-Konzerns. Vor fünf Jahren erst startete das US-Imperium seine elektronischen Armbanduhren. Im vergangenen Jahr verkaufte Apple weltweit 33,9 Millionen Uhren – die gesamte Schweizer Branche nur noch 13,8 Millionen.

5. Familienfirmen führen die Branche an

Damit hängt auch zusammen, dass sich ausgerechnet die familiengeführten Unternehmen oft deutlich besser schlugen als die Konzernmarken – eben weil sie eher im Hochpreissegment unterwegs sind. Und das trotz der machtvollen Konkurrenz von gleich vier börsennotierten Milliarden-Konzernen, die sich nicht nur im Luxusmarkt, sondern auch in der Uhrennische tummeln: Swatch Group (Longines, Tissot, Blancpain, Breguet), Richemont, LVMH (u. a. Bulgari, Hublot, TAG Heuer) und Kering (Girard-Perregaux, Ulysse Nardin).

Der Branchen-Marktführer aus der Schweiz verkaufte im vergangenen Jahr 810.000 Armbanduhren. Quelle: Reuters
Rolex

Der Branchen-Marktführer aus der Schweiz verkaufte im vergangenen Jahr 810.000 Armbanduhren.

(Foto: Reuters)

Rolex ist mit weitem Abstand mittlerweile die unumstrittene Nummer eins der Branche: Das von einer privaten Stiftung gesteuerte Genfer Unternehmen, zu dem auch die erfolgreiche Zweitmarke Tudor zählt, setzte nach Vontobel-Schätzungen im vergangenen Jahr rund 5,2 Milliarden Franken um, verkaufte etwa 810.000 Armbanduhren, hat einen Marktanteil von rund 25 Prozent erobert. Trotz Umsatzeinbußen von „nur“ rund 15 Prozent konnte es sich Rolex sogar leisten, im Krisenjahr 2020 seine Preise um rund fünf Prozent anzuheben.

Rolex ist inzwischen dreimal so groß wie die Nummer zwei, die zum Swatch-Konzern gehörende Marke Omega. Überhaupt fällt auf, dass im kleinen, nur noch sechs Mitglieder zählenden Club der Umsatz-Milliardäre drei Familienfirmen wie Felsen in der Brandung wirken: neben Rolex noch Patek Philippe auf Platz vier (1,16 Milliarden Schweizer Franken) und Audemars Piguet auf Rang sechs (1,13 Milliarden).

Gerade dieses Trio steht für höchste Uhrmacherkunst, entsprechend hohe Preise und einen Marktanteil von insgesamt 35 Prozent, bilanziert Morgan Stanley. Aber auch auf Platz sieben der Umsatzcharts präsentiert sich das Familienunternehmen Richard Mille noch mit beeindruckenden Zahlen: 788 Millionen Franken Umsatz – bei nur 4300 verkauften Pretiosen laut Vontobel-Schätzung. Mehr Exklusivität geht kaum.

Mehr: Uhren-Ikone A. Lange & Söhne öffnet sich dem E-Commerce.

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