Gebäudereinigung Der Desinfektor: Was bei Unternehmen nach einem Coronafall passiert

Der Servicebereich der Gebäudereinigung des Unternehmens ist für die tägliche Reinigung und Desinfektion von mehr als 540.000 Quadratmetern verantwortlich.
Düsseldorf
Sascha Hartmann geht noch immer jeden Tag ins Büro. Sein Team umfasst fünf Leute, mit einem Kollegen sitzt er in der Berliner Zentrale des Dienstleistungskonzerns Dussmann. Die anderen drei sind im Homeoffice und über Deutschland verteilt – falls mal jemand krank wird.
Der 36-Jährige leitet das Competence Center Gebäudereinigung bei Dussmann Service und verantwortet dort alles rund um Reinigung, Hygiene und Desinfektion. Derzeit ist er darüber hinaus Mitglied der internen Taskforce Covid-19, in der Dussmann für die Kunden fachübergreifend alle Themen rund um Corona bündelt.
Als ausgebildeter Desinfektor weiß er genau, was zu tun ist, wenn in Firmen, Pflegeheimen oder Krankenhäusern Viren, Bakterien oder Keime entfernt werden müssen. Vor Ort wird gereinigt und desinfiziert – die Richtlinien, wie das jeweils stattfinden soll, kommen von Hartmann. Derzeit gibt es vor allem einen Gegner für ihn: das Coronavirus.
Alle fachlichen Themen laufen bei ihm auf, eine Anfrage oder Fachfrage jagt die nächste – von den Kundenunternehmen und solche von Dussmann-Kollegen selbst. Was Hartmann hilft: Er ist seit 20 Jahren im Geschäft. Seine Eltern waren selbst Gebäudereiniger. Er wollte das kleine Unternehmen nicht übernehmen, aber eine Berufsausbildung in dem Beruf machen. Viele seiner Freunde fragten ungläubig: „Putzen kann man lernen?“
Hartmann hat den Allianz-Tower in Berlin von außen gereinigt und die Glaskuppel des Bundestags. Auch beim Sommerfest auf Schloss Bellevue war er im Dienst. Nach der Ausbildung studierte er Facility Management in Berlin, er besuchte die Meisterschule und erwarb die Qualifikation zum Desinfektor. Er führte Hunderte Mitarbeiter und definierte, wie Gebäudereinigung und Desinfektion unternehmensweit ablaufen soll.
Bei Dussmann ist die Expertise zur Desinfektion vorhanden. Schließlich betreibt das Familienunternehmen mit 2,34 Milliarden Euro Umsatz, das von Wolf-Dieter Adlhoch geführt wird, selbst die Kursana-Pflegeeinrichtungen und Betriebskindergärten.
Dort wie auch in anderen Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern und Unternehmen ist der Servicebereich der Gebäudereinigung, der für fast 80 Prozent des Umsatzes verantwortlich ist, für die tägliche Reinigung und Desinfektion von mehr als 540.000 Quadratmetern verantwortlich. „Das sind mehr als 135 Fußballfelder“, erklärt Hartmann allein bei den Kursana-Einrichtungen, der auch bestimmt, welche Schutzkleidung bei welchem Erreger getragen werden muss.
Mundschutz schützt nur die anderen
In den heutigen Coronazeiten muss er noch mehr bedenken: Bei einem Krankenzimmer, in dem ein Coronapatient stark hustet und damit besonders viele Viren verteilt, reicht es nicht, wenn sich die Reinigungskräfte eine sogenannte FFP2-Maske wie bei der Grippe über das Gesicht ziehen. Dann muss es eine Maske nach dem Standard FFP3 sein, also ein noch größerer Schutz für die Mitarbeiter, weiß der Desinfektor.
Hinzu kommen noch der Schutzanzug, die Handschuhe und die Schutzbrille – all das muss zur Desinfektionssituation passen. Und der Arbeitsschutz der Mitarbeiter steht dabei an erster Stelle.

Der 36-Jährige leitet das Competence Center Gebäudereinigung bei Dussmann Service und verantwortet dort alles rund um Reinigung, Hygiene und Desinfektion.
Aktuell ist es das Thema Mundschutz, genauer Mund-Nasen-Schutz, das viele Menschen umtreibt. Die Frage, ob man einen solchen Schutz tragen soll oder nicht, beschäftigt auch Sascha Hartmann: „Das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes kann den Menschen ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln.“ Wenn sie dann vergäßen, die Hände weiterhin gründlich zu waschen und zwei Meter Abstand zu halten, bringe dieser nichts.
Man müsse alle Regeln befolgen und wissen, dass der Mundschutz sehr schnell seine Wirkung verliert. Der bekannte Virologe Christian Drosten verweist in seinem Podcast ebenfalls darauf, dass die Maske vor allem die anderen schützt. Doch anders als Drosten geht es Hartmann nicht darum, das Virus zu erforschen, sondern es zu beseitigen, und zwar gründlich.
Spätestens seitdem der bayerische Autozulieferer Webasto den ersten Coronafall in einem deutschen Unternehmen hatte, fragen sich viele Unternehmer, was eigentlich zu tun ist, wenn in der Verwaltung oder in der Produktion jemand an Covid-19 erkrankt ist und weite Teile desinfiziert werden müssen. Laut Infektionsschutzgesetz dürfen Orte, in denen sich Menschen mit meldepflichtigen Infektionskrankheiten aufgehalten haben, nur durch qualifiziertes Personal gereinigt und desinfiziert werden.
Ein Desinfektor darf Mitarbeiter schulen, die dann die Reinigung selbstständig durchführen dürfen. Die Unternehmen sollten versuchen, eine Person in diesem Bereich schulen zu lassen, rät Hartmann.
Während die Desinfektion in Büros noch vergleichsweise einfach funktioniert, ist es bei Produktionshallen deutlich umfangreicher. Wird ein Mitarbeiter eines Unternehmens positiv getestet, muss er seine Kontaktpersonen angeben. Da gehörten natürlich dann auch Kollegen und Vorgesetzte dazu, sagt Hartmann. Der Arbeitgeber jedenfalls muss informiert werden, damit klargemacht wird, welche Räume betroffen sind.
Alle diese Informationen gehen dann auch an das Gesundheitsamt. Anschließend müssen das betroffene Büro, der Pausenraum oder auch ein Teil der Produktionshalle gereinigt werden. Dabei sind die geschulten Reinigungskräfte mit Atemschutzmasken, Körperschutzanzügen sowie Einmal-Handschuhen und Schutzbrillen ausgerüstet. Dann müssen die Hauptkontaktflächen komplett mit dem Flächendesinfektionsmittel benetzt werden.
„Diese Mittel müssen je nach Fabrikat fünf bis 15 Minuten einwirken“, erklärt Hartmann. Muss eine komplette Büroetage mit 20 Büros, Fluren, Toiletten und einer Teeküche desinfiziert werden, dauert das bis zu 24 Arbeitsstunden, rechnet der Experte vor. Das kostet rund einen niedrigen vierstelligen Euro-Betrag.
Kein Krisengewinnler
Geht es dagegen um eine komplette Fabrikhalle, wird es deutlich teurer. Das Problem: Ist ein Produktionsmitarbeiter infiziert, muss zunächst der Weg des Mitarbeiters zurückverfolgt werden. Zentrale Umkleide, Toilette, allgemeiner Pausenraum und der eigentliche Arbeitsort müssten dann zum Beispiel desinfiziert werden. Lassen sich die Wege dagegen nicht zurückverfolgen, müssten präventiv alle Kontaktflächen desinfiziert werden, sagt der Experte.
Problematisch wird es etwa bei Sofas im Pausenraum, denn, so erklärt es der Desinfektor, Textilien kann man „nicht oberflächlich desinfizieren, auch offenporiges Holz nicht“, dann müsse man desinfizierend waschen oder aufbereiten.
Doch es gibt Alternativen: Weil das Virus eine Wirtszelle braucht, kann man Räume auch einige Tage sperren. Wie lange das sein muss, darüber seien sich wohl auch die Experten nicht einig, sagt Hartmann. Mehrere Tage seien es schon, bis hin zu einer Woche. Wem das aber zu lang ist, für den gibt es härteres Geschütz: „Alternativ könnten wir allerdings auch eine Vernebelung mit Wasserstoffperoxid durchführen. Der Raum ist dann nach einigen Stunden direkt wieder nutzbar.“
Am Schluss aber muss noch eine virologische Probe gemacht werden. „Dazu wird ein Nährboden auf eine bearbeitete Oberfläche gedrückt“, erläutert Hartmann das Verfahren. Die Petrischale geht ins Labor. Nach ein paar Tagen bekommt man das Ergebnis mit der noch gefundenen Anzahl an Keimen. 99,9 Prozent ist das gewünschte Ergebnis. Denn 100 Prozent Virenfreiheit erreicht man nicht.
Als Krisengewinner sieht sich Dussmann nicht. Denn während an manchen Stellen die Reinigungsaufträge intensiviert werden, spürt das 1963 vom 2013 verstorbenen Peter Dussmann gegründete Unternehmen Auftragsrückgänge an anderer Stelle. Zum Beispiel, weil Behörden oder Schulen geschlossen bleiben.
Auf die Frage, was passiert eigentlich, wenn die Homeoffice-Zeit beendet ist und die Produktionen wieder hochgefahren werden, hat auch Hartmann keine leichte Antwort. „Wenn alle morgen wieder alle Türen öffnen würden, dann reicht ja ein Fall aus, damit wieder erst mal alles desinfiziert werden muss. Das dauert dann wieder eine gewisse Zeit.“
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