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Heraeus-Chef Jan Rinnert China als Chance, China als Risiko

Heraeus-Chef Jan Rinnert richtet das Familienunternehmen auf die Volksrepublik aus, obwohl das Geschäft dort immer härter wird. Peking will Schlüsselbranchen in heimischer Hand wissen. Wie reagiert der Milliardenkonzern aus Hanau?
13.06.2017 - 18:55 Uhr Kommentieren
Global aufgestellt. Quelle: Bert Bostelmann für Handelsblatt
Rinnert (l.) und Eigentümer Heraeus

Global aufgestellt.

(Foto: Bert Bostelmann für Handelsblatt)

Dongyu Panzer flankieren den Kontrollposten. An dem weißen Checkpoint haben sich Militärpolizisten aufgebaut. Sie tragen ihre Maschinenpistolen vor ihrer Brust. Eine Schlange dunkler Limousinen hat sich gebildet. Die exklusive Dongyu Insel im Süden Chinas ist abgeriegelt. Denn hier treffen sich jedes Jahr zum viertägigen Bo’ao-Forum mehr als 1.000 Entscheider der chinesischen Politik und Wirtschaft. Und mittendrin ist Jan Rinnert, CEO der Heraeus-Gruppe aus Hanau, eines der größten deutschen Familienunternehmen.

Eine Brücke führt auf die Insel. Sie ist ausschließlich der Konferenz gewidmet und auch den Rest des Jahres weitgehend für Besucher abgeriegelt. Dabei liegt sie direkt vor der Küste der bei Touristen beliebten Tropeninsel Hainan. Für die ausgewählten Konferenzbesucher hat China ein Resort der Luxusklasse geschaffen. Links liegt ein Golfplatz. Rechts Tennisplätze. In der Mitte der Insel erhebt sich das Konferenzzentrum mit angeschlossenem Hotel mit 437 Zimmern. In einem Café im Erdgeschoss nippt Jan Rinnert an seinem Kaffee.

„China ist für uns von großer Bedeutung“, sagt Rinnert, der auch der Schwiegersohn von Aufsichtsratschef Jürgen Heraeus ist. Die 1851 gegründete Firma ist global aufgestellt. Die rund 12.500 Mitarbeiter sind über mehr als 38 Länder verteilt. Aber kein Markt ist so wichtig wie die Volksrepublik. Schon heute macht China rund ein Drittel des Gesamtumsatzes aus. Doch der Anteil könnte weiter steigen. „Wir erwarten weiterhin ein Wachstum von sechs bis sieben Prozent in China“, sagt der gebürtige Oldenburger.

Seine Karriere startete er als Sprecher des Wirtschaftssenators in Bremen. Später wechselte er zu einer Unternehmensberatung. 2004 begann er beim Heraeus-Konzern. 2007 wurde er dessen Finanzchef und 2014 CEO. Heute, als Chef des weitverzweigten Technologieunternehmens, setzt er klar auf die Volksrepublik.

China ist nicht mehr Werkbank der Welt

Das Land setze künftig mehr auf qualitatives Wachstum und benötige Technologien für den Umweltschutz und die Kreislaufwirtschaft. „Mit diesen Themen fühlen wir uns sehr wohl, sie passen zu unseren Geschäften.“
Mit seiner China-Euphorie wäre Rinnert noch vor wenigen Jahren in Deutschland in sehr guter Gesellschaft gewesen. China war einst das gelobte Land der deutschen Wirtschaft. In nahezu jeder Branche wuchs das Geschäft, deutsche Unternehmen nutzten die einstige „Werkbank der Welt“ fleißig und machten dabei gute Gewinne.

Doch die Jubelstimmung verzieht sich. Es wird immer klarer, dass aus den chinesischen Partnern von heute die Konkurrenten von morgen werden. Die Regierung in Peking forciert den Wandel. In ihrem jüngsten Fünfjahresplan hat sie Schlüsselbranchen definiert, die gestärkt werden sollen. Dazu zählen Branchen wie Mobilitätswesen, Gesundheitsversorgung, Informationstechnologie oder regenerative Energiegewinnung.
Das klingt gut. Das klingt nach Wachstum. Und das klingt nach einem großen Bedarf an ausländischem Fachwissen. Für einige Unternehmer klingt das jedoch auch nach einem Fahrplan, mit dem sie langfristig aus Zukunftsmärkten gedrängt werden könnten. Entgegen den Versprechen von mehr Öffnung mehrten sich die Sorgen um Chinas industriepolitische Methoden, warnte Jörg Wuttke, ehemaliger Präsident der EU-Handelskammer in China. „Die Frustration wächst und spiegelt sich im Rückgang europäischer Investitionen in China wider“, sagte Wuttke. Besonders kritisch sieht die Kammer das chinesische Strategiepapier „Made in China 2025“. Das Fernziel des Plans lautet: Bis zum 100. Gründungstag der Volksrepublik im Jahr 2049 soll China eine Industriesupermacht sein, vor Deutschland und den anderen entwickelten Ländern.

Heraeus drohen deutliche Veränderungen

Heraeus könnte die kommenden Veränderungen in China besonders deutlich zu spüren bekommen. Die Gruppe hat ihre Aktivitäten in der Region seit dem Markteintritt 1974 von Hongkong aus von ihrem Kerngeschäft mit Edelmetallen gestartet. Heute ist sie in etlichen unterschiedlichen Industrien aktiv, in die jetzt immer stärker chinesische Wettbewerber drängen.
Als Zulieferer ist sie in der Herstellung von Telekommunikationsfasern für den Ausbau eines schnellen Internets in China engagiert. Die Fasern werden aus Quarzglaszylindern von Heraeus gewonnen, und die Volksrepublik macht den Löwenanteil des Geschäfts davon für die deutsche Firma aus. Silberpaste verkauft Heraeus an chinesische Photovoltaik-Unternehmen, die damit die Effizienz ihrer Module steigern wollen. Zudem drängen die Hanauer in den Gesundheitssektor, etwa mit Teilen für Herzschrittmacher oder mit Knochenzement.

Das sind alles Industrien, in denen China langfristig heimische Firmen stärken möchte. Macht das Heraeus besonders angreifbar? Nein, meint Rinnert. Dazu führt er zwei Gründe an. „Wir stellen mehr als 80 Prozent der Produkte für den chinesischen Markt auch dort her“, sagt Rinnert. Schon vor mehr als 20 Jahren startete Heraeus vor Ort die industrielle Produktion.

2.600 Mitarbeiter beschäftigen die Hanauer in der Region, rund die Hälfte davon arbeitet in Schanghai. Zweitens nütze Heraeus die große Fülle an unterschiedlichen Industrien, in denen das Unternehmen vertreten sei. „Wir sind gut aufgestellt. Selbst wenn es in einzelnen Branchen einmal nicht so gut laufen sollten, können wir das aufgrund unseres breiten Portfolios ausgleichen“, sagt Rinnert.

Kontinuierliche Innovation

Die Strategie sei sinnvoll, urteilt Georg Stieler, Managing Director der Unternehmensberatung Stieler Enterprise Management Consulting. Allerdings stelle der Abfluss von Fachwissen ein großes Risiko gerade für Mittelständler dar. „Kein Unternehmen kann alle Mitarbeiter halten. Mit ihnen verlässt ihr Know-how die Firma. Gerade in China kann das künftige Konkurrenten stärken“, warnt Stieler.
Den Wirtschaftsplanern in Peking gehe es nicht nur darum, einzelne Produkte in Schlüsselbranchen lokal fertigen zu lassen. „Die Volksrepublik will auch die Zulieferung in wichtigen Bereichen in chinesischer Hand wissen“, sagt Stieler.

Auch Rinnert sieht, dass sich die Geschäfte ändern. „Das alte Modell, Produkte aus dem Westen nach China zu verkaufen, hat zunehmend ausgedient. In vielen relevanten Branchen werden künftig in China entwickelte Produkte nach Europa exportiert werden und der hiesigen Wirtschaft zunehmend Konkurrenz machen“, sagt der Chef. Für ihn gibt es darauf eine Antwort: „Nur mit kontinuierlicher Innovation können wir uns behaupten.“

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