Interview Lkw-Bau nach dem Lego-Prinzip – Wie der neue Traton-Chef MAN und Scania neu aufstellen will

Die beiden Lkw-Marken des VW-Konzerns sollen künftig enger zusammenarbeiten.
Berlin Kurzfristig hat der Mutterkonzern Volkswagen die Führung des Lkw-Herstellers Traton (Scania, MAN) ausgetauscht. Vorstandschef Matthias Gründler musste gehen, wie auch Finanzvorstand Christian Schulz, weil der Umbau zu langsam lief.
Keine 30 Stunden nach der Ankündigung hat nun Christian Levin seinen ersten Arbeitstag als Vorstandschef. Der Nutzfahrzeugexperte steht seit 27 Jahren in den Diensten von Scania, zuletzt als Chef.
Levin soll jetzt die einzelnen Marken des zweitgrößten Lastwagen-Produzenten nach Daimler stärker zusammenführen und die Kosten senken. Die Macht verschiebt sich dabei vom MAN-Stammsitz in München ins schwedische Södertälje, wo Scania seinen Sitz hat. MAN soll sich zudem stärker am Produktionsmodell der Skandinavier orientieren, die mit ihrem Modulbaukasten die höchsten Gewinne in der Branche erwirtschaften.
Insgesamt will der neue Chef Traton schlanker und kostengünstiger aufstellen. Notwendig ist dies allein schon, um die Umstellung vom Verbrenner auf Elektroantriebe zu finanzieren.
Geld braucht Levin aber auch für die internationale Expansion. Den Fokus legt er dabei auf China, wo Traton derzeit ein Werk baut. Die Präsenz in dem weltweit größten Markt für Nutzfahrzeuge ist wichtig, um Daimler die Krone als Weltmarktführer abzunehmen.
Lesen hier das gesamte Interview:
Mit einem Paukenschlag wurde die Spitze von Traton ausgetauscht. Wie plötzlich kam die Berufung für Sie?
Es war für mich selbst überraschend. Ich empfinde die Berufung als große Wertschätzung für meine Arbeit und auch für die Arbeit, die ich bei Scania geleistet wird. Mein Vorgänger Matthias Gründler hat einen sehr guten Job gemacht, auf dem ich nun werde aufsetzen können.
Wie wird Ihre Arbeitsteilung nun aussehen? Sie bleiben ja Chef von Scania.
Meiner Familie habe ich gesagt, dass ich entsprechend mehr arbeiten muss. Ich arbeite zu 100 Prozent für Scania und zu 50 Prozent für Traton. Im Laufe der Zeit wird sich das gut einspielen. Ich muss ja nicht alles allein machen, ich kann mich auf starke Teams bei Scania und Traton stützen.

Der neue Chef des Lkw-Herstellers Traton möchte die Produktion effizienter machen.
Werden Sie nach München ziehen?
Traton hat zwei Sitze, einen in München und einen in Schweden. Meine Planung ist, dass ich alle zwei Wochen in Deutschland bin. Mein Wohnsitz bleibt aber in Södertälje. Wir werden nun schauen, wie wir die Funktionen in der Holding neu verteilen werden.
Geht also mehr nach Schweden?
Darüber gibt es keine Entscheidung. Wir arbeiten jetzt gemeinsam an der Strategie, die wir zum Jahresende kommunizieren werden.
„Wir arbeiten noch nicht optimal zusammen“
Traton ist zuletzt mit dem Kauf des US-Herstellers Navistar in die USA expandiert. Wie wird es nun mit Ihnen als Vorstandsvorsitzendem weitergehen?
Wir haben die richtige Strategie, an der ich ja mitgearbeitet habe und die wir weiter Schritt für Schritt umsetzen werden. Die Marken haben mehr Spielraum unter dem Dach der Holding bekommen und wir verschieben in Asien den Fokus von Japan auf China. Ich will nun, dass wir noch schlanker, effizienter und schneller werden.
Sie brauchen Geld für die Investitionen in die geplante Elektrifizierung Ihrer Modelle. Was heißt das aber konkret?
Wir arbeiten noch nicht optimal zusammen – das muss besser werden. Die einzelnen Marken müssen ihre Freiheiten haben, aber wir brauchen einen konzernweiten Baukasten von gemeinsamen Komponenten, die von allen konsequent genutzt werden. Das macht uns schneller in der Entwicklung und auch kosteneffizienter . Bei Scania arbeiten wir so seit langer Zeit sehr erfolgreich, nun müssen wir das als Gruppe auch tun.
Scania ist das Vorbild?
Anders als bei den Autos gleicht kein Lkw dem anderen, da die Kunden jeweils andere Ansprüche haben. Fast jedes Fahrzeug ist damit ein Einzelstück. Dennoch kann man mit einem intelligenten Baukasten Skaleneffekte erzeugen. Bei Scania haben wir das in den 40er-Jahren erkannt und entwickeln daher Komponenten, die sich fast beliebig kombinieren lassen. Das funktioniert nach dem „Lego-Prinzip“.
Und das soll nun auf MAN übertragen werden?
Auf die Gruppe bezogen, werden wir dieses Prinzip adaptieren. Wir entwickeln Komponenten, die dann Traton-weit verwendet werden. Und wir müssen das konsequenter und eben schneller machen als bisher. Dies funktioniert auch, wenn man sowohl den Volumenmarkt als auch das obere Preissegment bedient.
„Jedes Unternehmen soll seine eigene Kultur behalten“
Aber lässt sich dem Volumenhersteller MAN letztlich die Kultur der Hochpreismarke Scania überstülpen?
Das ist natürlich nicht das Ziel. Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur, und die soll es behalten. Wir brauchen eine starke MAN. Der Grund, warum die Zusammenarbeit nicht wie gewünscht läuft, liegt auch bei Scania. Wir haben eine Kultur, die Kooperationen gegenüber immer skeptisch war. Das muss und wird sich ändern.
Traton ist mit Navistar global geworden. China ist aber ein bisher weitgehend unerschlossenes Gebiet. Wie wollen Sie das ändern?
So stimmt das nicht. Scania ist seit langer Zeit dort. Und wir haben nach Tesla als erstes ausländisches Unternehmen von China die Zulassung, dort Fahrzeuge zu bauen und zu verkaufen. Wir errichten derzeit eine neues Werk in China.
Dort werden dann ausschließlich Scania-Nutzfahrzeuge produziert?
Der Markt für leistungsfähige Lkws steigt in China rasant, was uns in die Karten spielt. Wir haben bisher keine Entscheidung darüber gefällt, ob neben Scania auch eine andere Marke in China produziert wird.
Herr Levin, vielen Dank für das Interview.
Mehr: Topmanager müssen gehen: Chaostage bei VW-Tochter Traton
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