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Interview Ludwig Merckle: „Wir wollen uns nur selbst helfen“

Der Familienunternehmer bricht sein jahrelanges Schweigen. Er will Peter Altmaier eine Ministererlaubnis für die Fusion seines Unternehmens Zollern abringen.
07.06.2019 - 07:01 Uhr Kommentieren
Der Familienunternehmer bricht sein jahrelanges Schweigen. Quelle: dpa
Ludwig Merckle

Der Familienunternehmer bricht sein jahrelanges Schweigen.

(Foto: dpa)

Ulm Der Unternehmer Ludwig Merckle will bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Ministererlaubnis erwirken, um die Gleitlagersparte seines Unternehmens Zollern mit der österreichischen Miba zusammenlegen zu dürfen. „Bundeswirtschaftsminister Altmaier könnte jetzt mittels einer Ministererlaubnis, von der zwei Mittelständler profitieren, frühzeitig beweisen, dass es ihm damit ernst ist, auch die Wettbewerbsfähigkeit der Mittelständler zu erhöhen“, sagte Merckle in seinem ersten Interview seit Jahren im Handelsblatt.

Das Bundeskartellamt und die Monopolkommission hatten die Fusion abgelehnt. Am 18. Juni läuft die Frist ab, in der Altmaier eine Entscheidung treffen muss, ob er die Fusion trotzdem genehmigt. Das fusionierte Unternehmen hätte einen Umsatz von knapp 300 Millionen Euro und will sich mit dem Zusammengehen vor allem gegen den japanischen Weltmarktführer Daido behaupten. „Viele andere Mittelständler schauen genau darauf, wie sich Altmaier in diesem Fall verhält“, betonte Merckle. Unterstützung bekommt Merckle von Unternehmern aus dem Südwesten Deutschlands – Trumpf-Chefin Leibinger-Kammüller und Heinrich Baumann von der Eberspächer Gruppe – sowie von der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).

Ludwig Merckle ist der älteste Sohn von Unternehmerlegende Adolf Merckle, dessen Unternehmen über 35 Milliarden Euro Umsatz erzielten und 90.000 Menschen beschäftigten. 

Im Zusammenhang mit der Übernahme des britischen Baustoffherstellers Hanson im Jahr 2007 finanzierte Adolf Merckle zwei Kapitalerhöhungen bei Heidelberg Cement. Die dafür aufgenommenen Kredite wurden mit Unternehmensaktien besichert. In der Finanzkrise Ende 2008 verloren im allgemeinen Kursverfall der Aktien auch die Sicherheiten vorübergehend rund 75 Prozent ihres Werts.

Die Banken forderten vorzeitige Tilgung und zusätzliche Sicherheiten. Trotz des Einsatzes von Privat- und Betriebsvermögen konnten die Forderungen nicht vollständig erfüllt werden. Auch eine Landesbürgschaft wurde nicht gewährt. Die VEM Vermögensverwaltung, bei der Anteile an Ratiopharm und Heidelberg Cement gehalten wurden, geriet daher Ende 2008 in eine Liquiditätskrise

Ludwig Merckle führte die Verhandlungen mit den Gläubigerbanken. Nach dem Selbstmord seines Vaters im Januar 2009 übernahm er als Alleinerbe die Restrukturierung der Unternehmensgruppe, indem er Ratiopharm für mehr als drei Milliarden Euro verkaufte. So stabilisierte er das Familienvermögen, zu dem heute unter anderem maßgebliche Beteiligungen am Dax-Konzern Heidelberg Cement und dem Pharmahändler Phoenix sowie die Mittelständler Kässbohrer (Pistenbully) und Zollern gehören.

Lesen Sie hier das komplette Interview

Herr Merckle, normalerweise geben Sie keine Interviews. Warum geben Sie Ihre Zurückhaltung auf, wenn es um die Frage einer Ministererlaubnis im Kartellverfahren für Ihr Unternehmen Zollern mit der österreichischen Miba geht?
Weil mir dieses Thema wichtig ist. Wichtig für Zollern, für den Standort, die Mitarbeiter dort und die Gleitlagertechnologie in Deutschland. Miba/Zollern steht exemplarisch für die Herausforderungen, denen sich deutsche und europäische Mittelständler in der globalisierten Weltwirtschaft ausgesetzt sehen.

Inwiefern?
Zwei Mittelständler mit herausragendem Know-how bei Gleitlagern für Großmotoren in Schiffen, Lokomotiven oder Stromaggregaten und damit Schlüsselkompetenzen in einem eng umrissenen Markt sehen sich übermächtiger Konkurrenz aus Asien gegenüber.

Das ist ja nicht so ungewöhnlich.
Aber genau darauf zielt die Industriestrategie 2030 von Bundeswirtschaftsminister Altmaier ab: Hier gegenzuhalten, Know-how in Europa zu halten, gegebenenfalls auch durch Zusammengehen großer Unternehmen zu europäischen Champions. Das müsste aus meiner Sicht auch für den Mittelstand gelten.

Sehen Sie Chancen?
Minister Altmaier hat hier Korrekturen versprochen. Er könnte jetzt mittels einer Ministererlaubnis, von der zwei Mittelständler profitieren, frühzeitig beweisen, dass es ihm damit ernst ist, auch die Wettbewerbsfähigkeit der Mittelständler zu erhöhen. Viele andere Mittelständler schauen genau darauf, wie er sich in diesem Fall verhält.

Klingt ein bisschen nach Drohung.
Nein. Mit der Industriestrategie 2030 hat Minister Altmaier jedenfalls eine wichtige Debatte angestoßen. Das war mutig und weitsichtig. Jetzt bedarf es noch sinnvoller Impulse, um auch den Mittelstand in diese Strategie zu integrieren und das Innovationspotenzial des Mittelstandes als Rückgrat und Motor der deutschen Industrie zu würdigen.

Aber dazu müsste er die Entscheidungen des Kartellamts sowie der Monopolkommission korrigieren?
Nein, das muss er gar nicht. Er kann aber weiter gehende Argumente einfließen lassen. Beide Institutionen haben fachlich in ihrem rein kartellrechtlichen Rahmen geprüft. In Deutschland gab es bislang 22 Anträge auf Ministererlaubnis, und die Monopolkommission hat in 21 Fällen abgelehnt. Beide Institutionen bewegen sich fachlich in einem sehr engen Korsett.

Was meinen Sie damit?
Insbesondere was die Abgrenzung des Marktes anbelangt, sind beide Institutionen zu anderen Ergebnissen gekommen als unsere Rechtsberater. Dabei gibt es bei dem angestrebten Joint Venture konkret nur eine Überschneidung bei mittelschnell laufenden Viertaktmotoren. Und dieser Markt ist nur 13 Millionen Euro groß. Würden die Behörden den Markt genauso abgrenzen, was sachlich korrekt wäre, dann handelt es sich um einen sogenannten Bagatellmarkt, der nicht relevant für eine Genehmigung wäre. Aber es wird alles in einen Topf geworfen.

Nun, das ist eine Frage der Perspektive und des Ermessens. Da ist es ungeschickt, die Behörden zu belehren.
Das ist auch gar nicht in meinem Sinn. Beide Institutionen müssen aber sehr schematisch prüfen und haben einen sehr geringen Ermessensspielraum. Sie können übergeordnete Gründe für die Fusion dabei nicht betrachten. Wir sehen aber durchaus übergeordnete Gründe, und genau dafür hat der Gesetzgeber ja die Ministererlaubnis vorgesehen. Es geht uns darum, ein wie vom Minister beschriebenes „level playing field“ zu erhalten, in einem globalen Umfeld.

Das Kartellamt hat sich wohl besonders daran gestoßen, dass Ihre Seite das Zusammengehen mit der österreichischen Miba als alternativlos dargestellt hat. Sie könnten ja auch mit dem japanischen Weltmarktführer Daido Motors zusammengehen, schlugen die Kartellwächter vor.
Ja, das ist eine theoretische Option. Aber wie man die gleichberechtigt neben unsere deutsch-österreichische Lösung stellen kann, ist für mich nicht nachvollziehbar, realitätsfern und, wenn man ehrlich ist, auch etwas zynisch. Damit würde auf den Weltmarkt bezogen ja eine noch dominierendere Einheit entstehen. Hier wird aber das Dilemma offensichtlich. Das Kartellamt betrachtet den Weltmarkt nicht. Aber auf dem leben wir als einzelnes Unternehmen. Das ist unsere Realität und die von Deutschland als Exportnation.

Was sagen denn Ihre Kunden?
MAN, Wärtsilä und Caterpillar sind Weltkonzerne, und viel, viel größer als wir. Und die sehen das ganz pragmatisch. Alle drei sind für die Fusion, damit sie neben Daido Motors auf lange Sicht einen zweiten starken Lieferanten haben. Der Einzige, der gegen die Fusion ist, ist Daido.
Und was sind dann aus Ihrer Sicht die übergeordneten Gründe?
Es geht nicht zuletzt um den langfristigen Erhalt von über 400 Arbeitsplätzen in teilweise strukturschwachen Gebieten. Wir wollen gemeinsam mit der Miba auch in neue Märkte vorstoßen mit neuen Produkten oder Anwendungen, zum Beispiel für Windräder. Auch eine Schlüsseltechnologie für die Erzeugung regenerativer Energie und damit der Energiewende. Auch die ist im Sinne des Gemeinwohls und könnte damit Grund für eine Ministererlaubnis sein. Aber alleine sind diese Entwicklungskosten für uns kaum zu schultern in einem insgesamt schrumpfenden Markt. Gemeinsam mit der Miba wäre das viel leichter.

Kartellamt und Monopolkommission reicht das aber nicht aus.
Das deutsche und europäische Kartellrecht setzt sich naturgemäß mit der Wettbewerbssituation in begrenzten Märkten auseinander. Der globale Wettbewerb, um den es hier geht, wird dabei nicht berücksichtigt. Deshalb glaube ich, dass es ein gutes Zeichen wäre, wenn der Bundeswirtschaftsminister hier eine Ministererlaubnis erteilen würde, um auch einem mittelständischen Unternehmen die Positionierung im globalen Wettbewerb zu ermöglichen. 

Also eigentlich keine große Sache?
Der Bundeswirtschaftsminister verfügt über ein gesetzlich verankertes Ermessen bei der Ministerentscheidung. Gerade in Deutschland sind es sehr häufig mittelständische Unternehmen, mit denen wir auf dem Weltmarkt die großen Erfolge erzielen. Heute konkurrieren sie jedoch global mit Unternehmen, die gerade im Forschungs- und Entwicklungs-Bereich enorme staatliche Unterstützung erhalten. Hier herrscht ja überwiegend Einigkeit, dass dies zu einer unzulässigen Wettbewerbsverzerrung geführt hat. Daher ist es auch Teil der industriestrategischen Betrachtung des Ministers, maßgeschneiderte Lösungen für den Mittelstand zu finden, die zugleich möglichst nicht oder kaum in den Markt eingreifen. Wir wollen keine Subventionen, wir wollen uns nur selbst helfen.

Würden Sie persönlich finanziell von der Fusion profitieren?
Die Gleitlager sind mit 70 Millionen Euro das fünfte Geschäftsfeld von Zollern. Die österreichische Miba hat gut 200 Millionen Euro Umsatz mit Gleitlagern. Entsprechend würde Zollern 25,1 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen bekommen. Davon würden insbesondere der Gleitlagerstandort Deutschland und die Mitarbeiter profitieren.

Und Sie bleiben weiter investiert?
Beide Gesellschafter von Zollern, das Fürstenhaus Hohenzollern und meine Familie, haben immer langfristig gedacht. Daran ändert sich nichts.

Und wenn es keine Erlaubnis gibt?
Dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie sich dieses Geschäft in der Zollern-Gruppe langfristig erfolgreich weiterentwickelt. Eine Klage gegen die Entscheidung dauert aber mindestens drei, vermutlich bis zu fünf Jahre. So lange wartet der Markt bestimmt nicht auf uns.

Aber so ein Prozess kann doch auch schneller gehen?
Aber nicht, wenn er durch alle Instanzen geht. Unsere Kartellspezialisten sagen uns, dass wir bei der Abgrenzung der Märkte höchstwahrscheinlich gewinnen würden. Aber das Kartellamt würde das sicherlich gern höchstrichterlich geklärt haben. Damit sie eine Entscheidungsgrundlage für die Zukunft haben. Aber wir sind Unternehmer und wollen handeln und nicht Rechtsgeschichte schreiben. Abgesehen davon, dass der Rechtsweg auch viel Geld kostet.

Sie waren ja neulich persönlich bei der Anhörung im Wirtschaftsministerium dabei. Wie war Ihr Eindruck?
Beide Eigentümer waren da, die Unternehmensführung samt Betriebsrat und Gewerkschaftsvertreter. Das österreichische Kartellamt hat nichts dagegen. Die Kunden sind nicht gekommen, weil sie auch nichts gegen die Fusion haben. Ich hoffe, wir haben da die Berechtigung unseres Anliegens zeigen können.

Wann wird entschieden?
Wir haben den Antrag auf die Ministererlaubnis am 18. Februar gestellt. Eigentlich sollte sich der Minister innerhalb von vier Monaten entscheiden, also bis zum 18. Juni.

Vielen Dank für das Interview, Herr Merckle.

Mehr: Die Margen im Pharmahandel sind unter Druck. Die Phoenix-Gruppe will daher durch Zukäufe wachsen, sich digitalisieren und Angreifer Amazon abwehren.

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