Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Interview Verleger Manuel Herder: „In der Politik muss ich selbst den Kopf hinhalten“

Der Verleger verlässt das operative Management und will für die CDU in den Stuttgarter Landtag. Mit einem CO2-Sanierungsplan will er den grünen Favoriten schlagen.
08.03.2021 - 10:26 Uhr Kommentieren
Der Verleger will am Sonntag den Wahlkreis Freiburg/Hochschwarzwald von den Grünen zurückerobern. Quelle: picture alliance/dpa
Manuel Herder

Der Verleger will am Sonntag den Wahlkreis Freiburg/Hochschwarzwald von den Grünen zurückerobern.

(Foto: picture alliance/dpa)

München Manuel Herder ist der derzeit wohl prominenteste Quereinsteiger der Politik. Der Freiburger Familienunternehmer hat Papst- und Politikerbücher verlegt und will nun für die CDU am Sonntag in den baden-württembergischen Landtag. Dafür muss er den Wahlkreis Freiburg/Hochschwarzwald von den Grünen zurückerobern.

Ihn fasziniere, wie die CDU damit ringe, „die ökologische Dimension in die soziale Marktwirtschaft hineinzubringen“, sagt der Wahlkämpfer im Interview zu den Gründen seiner politischen Aktivität. Herder setzt sich dafür ein, überschüssiges CO2 in der Luft mit neuen technologischen Methoden einzufangen: „Unser blauer Planet ist Thema Nummer eins.“

Es sei ausgesprochen wichtig, „dass sich alle Teile der Gesellschaft politisch engagieren – auch Unternehmer“, erklärt der Verleger weiter: „Ihren Wohlstand verdankt unsere Gesellschaft in hohem Maße dem Mittelstand.“ Auf die Frage, warum viele Mittelständler dennoch politisch inaktiv blieben, antwortet Herder: „Wir sind sehr beschäftigt.“ Viele Unternehmer fühlten sich von der Politik unverstanden.

Der Polit-Novize, der auf einem Nominierungsparteitag zwei Rivalen aus dem Rennen schlug, wirbt seit Monaten via Internet um Stimmen, mit Videos und Online-Debatten. Zu sehen ist etwa, wie er von seinem Buchverlag in Freiburg zum Heimatort Buchenbach radelt und dabei erklärt, wie die Industrie das Klima retten kann.

Aus der operativen Geschäftsführung des Verlags hat sich der 55-Jährige Anfang März nach 25 Jahren zurückgezogen und eine Doppelspitze mit Simon Biallowons und Philipp Lindinger installiert. Herder selbst kümmert sich an der Spitze der Holding um strategische Fragen: „Unsere Unternehmenskultur gewährt mir nun Freiräume, die nutze ich für die Kandidatur.“ Nun wolle er sehen, ob die Menschen im Wahlkreis wollten, „dass einer wie der Herder in die Politik gehen soll oder nicht“.

Lesen Sie hier das komplette Interview

Herr Herder, Sie haben Papstbücher und Werke von Politikern verlegt. Ihr Haus hat Einfluss aufs öffentliche Leben. Nun wollen Sie am Sonntag für die CDU in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt werden. Ist das die Fortsetzung Ihres Buchprogramms?
Unser Buchprogramm ist Teil meines Lebens. Sollten mir die Wähler den Einstieg in die Politik erlauben, wird auch das Teil meines Lebens sein. Und beide werden zusammengehören. Als Verleger bin ich Mittler zwischen Autor und Leser, in der Politik zwischen Bürger und Bürgervertretung. Allerdings muss ich bei Letzterem selbst den Kopf hinhalten. Das ist der Unterschied.

Ihr 1798 gegründeter Traditionsverlag beruht nach eigener Aussage auf Glaube, Werten, Bildung. Was sind die Säulen Ihrer politischen Aktivität?
Der Herder Verlag taucht oft in Bestsellerlisten auf. Im vergangenen Jahr gelang uns das unter anderem mit „Heißzeit“ von Mojib Latif. Da geht es um den Klimawandel. Mich fasziniert politisch, wie die CDU in ihren Programmen darum ringt, die ökologische Dimension in die Soziale Marktwirtschaft hineinzubringen.

Das ist der Grund, warum Sie in den Landtag wollen?
Mit der Sozialen Marktwirtschaft haben wir ein ökonomisches Konzept, das sich in der Vergangenheit bewährt hat: Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ hat aus dem Sanierungsfall Deutschland ein blühendes Land gemacht. Die Botschaft war: Was dem einzelnen Unternehmen nutzt, nutzt der Gesellschaft.

Heute ist unser schöner blauer Planet ein ökologischer Sanierungsfall. Wir haben weltweit rund 630 Milliarden Tonnen überschüssiges CO2 in der Atmosphäre. Wissenschaftler sind sich einig, dass diese Last mit der Zukunft von neun Milliarden Menschen auf unserem Planeten langfristig nicht zu vereinbaren ist. Mit Verboten und Dirigismus in Deutschland richtet man da wenig aus. Das geht nur international mit Wissenschaft, Wirtschaft und der Bürgergesellschaft.

Nicht viele Unternehmen oder CEOs äußern sich politisch. Wollen Sie bewusst ein Zeichen setzen?
Ja. Es ist ausgesprochen wichtig, dass sich alle Teile der Gesellschaft politisch engagieren – auch Unternehmer. Ihren Wohlstand verdankt unsere Gesellschaft in hohem Maße dem Mittelstand. Wenn die Mitte der Gesellschaft geschwächt wird, ist das nicht gut für ein Land – ein Blick in die USA sollte uns warnen.

In den USA sind Unternehmer wie Donald Trump oder Michael Bloomberg sogar sehr prominente Politiker geworden.
Das kann man nicht vergleichen. Das System in den USA erlaubt es politisch Außenstehenden, direkt an die Spitze zu streben. Ich werbe für mein Anliegen an der gesellschaftlichen Basis. Gemeinde für Gemeinde, in Freiburg und im Hochschwarzwald.

Warum ist der Mittelstand bisher, bis auf Ausnahmen, in Deutschland politisch eher inaktiv geblieben?
Das kann ich nur mit meiner eigenen Biographie beantworten: Wir sind sehr beschäftigt. Ich habe nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze der Geschäftsführung des Verlages einen Generationswechsel auf der operativen Ebene vollzogen. Zwei Führungskräfte in ihren Dreißigern haben die Führung übernommen. Ich ziehe mich in die Holding zurück. Unsere Unternehmensstruktur gewährt mir nun Freiräume. Die nutze ich für die Kandidatur.

Schon 1994 hatten Sie sich für den Freiburger Stadtrat beworben.
Damals war ich noch Berufsanfänger, Single und hatte viel Zeit. Doch wenn dann das echte Leben zuschlägt, also Führungsaufgaben und Familie, dann geht das mit der Politik nicht. Ich bin aber in der Union geblieben und habe sie bei Wahlkämpfen gerne unterstützt.

Ist Ihr Weg durch den Großvater vorbestimmt, der in den 1960er-Jahren für die CDU im Bundestag saß?
Ja, ich denke schon. Er hat immer gesagt: „Politik ist nicht schön, und du erlebst viele Enttäuschungen, wenn du dich da hineintraust. Aber es lohnt sich, für sein Land zu kämpfen.“ Das hat mich beeindruckt. Ich sagte mir damals, das willst du später auch mal machen.

Wie sind Sie nun, viele Jahre später, konkret in die Politik gekommen?
Am Anfang stellte ich mir die Frage: „Traue ich mich überhaupt?“ Ich bat um „Personalgespräche“ mit den zuständigen Kreisvorsitzenden in dem Wahlkreis, um den es geht. Die erklärten mir den Ablauf des Nominierungsverfahrens. Es ist demokratisch und transparent.

„Es gab keine Vorgaben oder Einflüsse“

Keine Hilfe von oben?
Vonseiten der Landes- oder der Bundes-CDU gibt es keine Vorgaben oder Einflüsse – das würden sich die Mitglieder vor Ort nie gefallen lassen. Von außen glauben ja viele, dass da gekungelt wird. Ich habe das ganz anders erlebt. Es war ein offener Wettbewerb, und die Entscheidung wurde von den Mitgliedern auf einem Nominierungsparteitag getroffen. Das ist der Unterschied zwischen einer Volkspartei und einer kleinen Klientelpartei, die nur wenige Mitglieder hat. Da lassen sich Entscheidungen auf Kreisebene festzurren. Bei uns spielen die Ortsverbände eine starke Rolle, und bei denen habe ich mich beworben.

Was sagen andere Unternehmer zu Ihrer Kandidatur?
Die meisten fragen: „Manuel, warum tust du dir das an?“ Der zweite Satz lautet dann aber fast immer: „Ich find’s gut, dass du dich engagierst“. Viele Unternehmer fühlen sich von der Politik unverstanden.

Sie selbst fragen sich nicht mehr, warum Sie sich das antun?
Nein. Das hatte ich für mich geklärt. Jetzt freue ich mich jeden Tag von Neuem und lerne sehr viel dazu.

Und wenn es nicht klappt mit dem Landtagssitz?
Was mich heute interessiert, interessiert mich auch in Zukunft. Ich sehe jetzt erst mal der Rückmeldung entgegen, ob die Menschen in meinem Wahlkreis wollen, dass einer wie der Herder in die Politik gehen soll oder nicht.

Sie haben vor einigen Jahren sowohl ein Buch von Friedrich Merz verlegt als später auch eines mit Armin Laschet als Herausgeber. Für wen hätten Sie bei der Wahl zum CDU-Chef gestimmt?
Ich kenne beide. Sie wissen doch, was CDUler in dieser Frage zu Journalisten sagen: Wir hatten das Privileg, unter drei Kandidaten auswählen zu können, von denen es jeder kann.

Herder über die Wahl des CDU-Vorsitzenden: „Wir hatten das Privileg, unter drei Kandidaten auswählen zu können, von denen es jeder kann.“ Quelle: dpa
Friedrich Merz und Armin Laschet (v. l.)

Herder über die Wahl des CDU-Vorsitzenden: „Wir hatten das Privileg, unter drei Kandidaten auswählen zu können, von denen es jeder kann.“

(Foto: dpa)

Sie streiten für eine neue ökosoziale Marktwirtschaft, wie Sie sagen. Warum ist das so wichtig?
Zu Zeiten Ludwig Erhards galten Luft und Wasser als unerschöpfliche Ressource. Sie brauchten nicht in die Wertschöpfung eingepreist zu werden. Jetzt stellen wir fest: Die Natur hat zwar keine Rechnungen gestellt, aber teuer wird es trotzdem. Luft und Wasser sind endliche Ressourcen. Und damit steigt ihr Wert und der Preis, sie zu erhalten.

Baden-Württemberg ist ein Innovations- und Wissenschaftsführer. Der Wettbewerb um die besten Methoden, CO2-Emissionen zu reduzieren und CO2 zu binden, ist in vollem Gange. Wir brauchen wissenschaftliche Eckwerte eines CO2-Sanierungsplans. Bedenken Sie: Wir haben in den letzten 150 Jahren rund 630 Milliarden Tonnen zusätzliches CO2 in der Atmosphäre freigesetzt. Für Vermeidungsstrategien allein scheint es mir zu spät zu sein. Wir müssen schneller werden.

Vermehrt wird über Techniken des „Direct-air-capture“ diskutiert, also über Methoden, CO2 aus der Luft einzufangen.
Ja. Da scheint es schon funktionierende Anwendungen zu geben. Aus meiner Sicht sind jetzt Wissenschaft und Wirtschaft gefragt. Es geht neben allen schon eingeleiteten Maßnahmen auch darum, CO2 zu binden und idealerweise zu verwerten.

Schön und gut, aber Sie treten bei einer Landtagswahl an. Interessiert den Wähler die Causa CO2 überhaupt?
Und wie! Die Landwirtschaft im Schwarzwald leidet unter der Trockenheit. Schüler demonstrieren wegen des Klimawandels. Freiburg ist ein Wissenschaftsstandort auf Weltniveau, hier werden wertvolle Erkenntnisse zu diesen Fragen gewonnen. Dort, wo die Reagenzgläser stehen, kandidiere ich. Unser blauer Planet ist Thema Nummer eins.

Sie treten im „Filbinger-Wahlkreis“ an, der bis 2011 fest in CDU-Hand war. Seitdem aber siegten die Grünen. Wie wollen Sie das wieder ändern?
Als Verleger habe ich von meinen Autoren viel gelernt. Jetzt will ich meine politischen Ideen nicht von der Seite reinrufen, sondern selbst auf dem Spielfeld zu Gehör bringen. Zunächst im Wahlkampf. Hierfür nutze ich digitale Möglichkeiten wie Videos oder virtuelle Veranstaltungen. Ich kann mich ja nicht überall persönlich vorstellen. Die Volkspartei CDU hat Gott sei Dank in jeder Ortschaft Vertreter, die über Handy und Laptop meine Nachrichten verbreiten. Am Ende werde ich demütig entgegennehmen, was die Wählerschaft entscheidet.

„Wir stehen für die Soziale Marktwirtschaft“

Sie wollen als der ökonomisch klügere, „bessere“ Grüne siegen?
Nein, ich möchte mich keinesfalls über den politischen Wettbewerber profilieren. Andere mögen für Fahrradwege und Verbote von Einfamilienhäusern stehen. Das ist nicht unsere Richtung. Wir stehen für die Soziale Marktwirtschaft und ringen darum, die ökologische Dimension zu integrieren.

Inwieweit hat die Debatte um Masken-Provisionen zweier CDU-Bundestagsabgeordneter, einer davon aus Ihrem Bundesland, Einfluss auf das Wahlergebnis?
Ich bin täglich unterwegs und werde auf viele Ärgernisse angesprochen. Es gibt zurzeit so einiges, über das sich die Bürger empören. Dieses zusätzliche Ärgernis scheint mir an der politischen Großwetterlage nicht viel zu ändern.

Herr Herder, wie ist Ihr Unternehmen eigentlich durch die Coronakrise gekommen?
Der Herder Verlag ist inzwischen digital sehr gut aufgestellt. Wir haben eine junge Führungsmannschaft und viele direkte Kundenkontakte. Das hat geholfen. Wir haben die Chance genutzt, den Digitalisierungsschub im Haus voranzubringen.

Wie sehr hat Sie als politischen Menschen die Debatte um eine Kooperation von Thalia, zu deren Eigentümern Sie zählen, im Herbst 2020 mit einem staatsnahen chinesischen Unternehmen gestört? In einigen Ihrer Buchhandlungen wurden Peking-genehme Schriften präsentiert.
Da gehe ich ganz anders heran. Wenn ich mir politische Gedanken über jeden Titel eines jeden Verlages machen würde, der bei Thalia im Angebot ist, dann wäre ich in arger Bedrängnis. Brauche ich aber nicht zu sein: Thalia ist ein exzellenter Buchhändler, der sich nach den Bedürfnissen der Leserschaft richtet. Und unsere Leserschaft ist mündig und weiß, was sie will.

Sie haben sich schon als junger Mensch sehr für Japan interessiert und dort auch studiert. Ist Neugier ein Grund, warum Sie in die Politik gehen?
Man ist oft nicht der beste Kenner seiner selbst und findet sich persönlich ziemlich normal. Von außen wird mir aber herangetragen, dass das mit der Neugier wahr sein könnte.

Ist auch Abenteuerlust dabei?
Wenn ich keinen Spaß am Abenteuer hätte, würden wir jetzt nicht miteinander telefonieren.

Herr Herder, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Prinzip Pragmatismus: So kämpfen die Grünen um die politische Führung

Startseite
Mehr zu: Interview - Verleger Manuel Herder: „In der Politik muss ich selbst den Kopf hinhalten“
0 Kommentare zu "Interview: Verleger Manuel Herder: „In der Politik muss ich selbst den Kopf hinhalten“"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%