Werner Bahlsen: „Wer sich nicht impfen lässt, gefährdet seine Umwelt“
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InterviewWerner Bahlsen : „Wer sich nicht impfen lässt, gefährdet seine Umwelt“
Der Unternehmer spricht über den bislang kraftlosen Wahlkampf, über den Klimawandel und wie es vor Jahren gelang, den Streit im Hause Bahlsen beizulegen.
Im Hause Bahlsen liegt der schmerzhafte Prozess der Firmenaufteilung schon viele Jahre zurück, und die grundsätzlich positive Entwicklung der beiden daraus hervorgegangenen Unternehmen Bahlsen und Lorenz legitimiert die Entscheidung nachträglich zumindest als nicht falsch. Werner Bahlsen, 72, Vorsitzender des Verwaltungsrats von Bahlsen, erinnert sich an die Zeit zurück, als der eigenen Familie klar wurde, dass es besser wäre, getrennte Richtungen einzuschlagen.
Als ehemaliger Chef des CDU-Wirtschaftsrats interessiert er sich aktuell aber auch sehr dafür, wie sich die Parteien und ihr Spitzenpersonal im Bundestagswahlkampf positionieren. „Ich erwarte von der nächsten Bundesregierung, dass sie alles tut, damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt“, fordert er.
Lesen Sie hier das gesamte Interview
Herr Bahlsen, nach 16 Jahren mit Kanzlerin Merkel scheint ein Regierungswechsel möglich. Mit welchen Gefühlen blicken Sie als Unternehmer auf den Ausgang der Bundestagswahl? Mit gespannten Gefühlen. Die Situation der Unternehmen ist in vielen Branchen nicht witzig. Ich erwarte von der nächsten Bundesregierung, dass sie alles tut, damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Nur dann entstehen Arbeitsplätze. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren gesehen, wie gut es dem Staat geht, wenn die Wirtschaft floriert. Der Staat hat noch nie so viel Steuern eingenommen wie in den Jahren vor der Pandemie.
Sie waren viele Jahre Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats. Warum schneidet die Union in Wählerumfragen aktuell relativ schwach ab? Was hat sie Ihrer Meinung nach versäumt in all den Jahren als Regierungspartei? Tagesaktuelle Umfragen sollte man nicht überbewerten. Aber die CDU stand als Synonym für Angela Merkel. Die Leute wussten, woran sie bei der Kanzlerin waren. Jetzt kommen neue Köpfe, deshalb macht sich eine gewisse Verunsicherung breit.
Was halten Sie von den Spitzenkandidaten der Union und der anderen Parteien? Das ist eine heiße Frage. Auf keiner Seite ist es gut gelaufen. Annalena Baerbock hat diverse Fehler gemacht. Mich wundert, dass jemand, der noch nie eine große Führungsposition innehatte, jetzt ein ganzes Land führen will. Olaf Scholz hat es aus meiner Sicht bisher ganz gut gemacht, auch wenn die letzten Werbespots daneben sind. Und Armin Laschet versucht, möglichst keine Fehler zu machen. Aber wahrscheinlich reicht das nicht als Zugpferd einer großen Partei. Da muss in den nächsten Wochen noch sehr viel mehr Dampf auf den Kessel kommen mit klaren Aussagen.
Vita Bahlsen
Werner Michael Bahlsen, 72, arbeitet seit 1968 im Familienunternehmen in Hannover. 2018 zog er sich vom Chefposten zurück und leitet seitdem den Verwaltungsrat. Von 2015 bis 2019 war Bahlsen Präsident des CDU-Wirtschaftsrats. Heute ist er Präsident der Unternehmerverbände Niedersachsen.
1889 gründete Hermann Bahlsen eine Keksfabrik in Hannover. Der Leibniz Butterkeks wurde weltbekannt. Familienzwist in der dritten Generation führte 1999 zur Aufspaltung des Unternehmens. Werner Bahlsen übernahm das Süßgebäck, Bahlsen hat heute weltweit 2600 Mitarbeiter. Der Umsatz lag 2019 bei 540 Millionen Euro.
Wie bewerten Sie Laschets Leistung als Ministerpräsident? Er hat Nordrhein-Westfalen sehr ordentlich geführt. Laschet ist keine One-Man-Show, sondern ein Teamleader. Auch das schwierige Thema Kohleausstieg hat er gut bewältigt – ohne allzu große Konflikte. Aber die Bundesrepublik zu führen das ist noch mal eine Stufe höher.
Hätten Sie Friedrich Merz als Kanzlerkandidat vorgezogen? Ich kenne Friedrich Merz gut und schätze seine hohe Wirtschaftskompetenz. Er kann komplexe Dinge einfach und verständlich darstellen. Insofern freue ich mich, dass er jetzt mit Armin Laschet in einem Team ist.
Was fordern Sie von Merkels Nachfolger? Wir brauchen eine Politik, die Unternehmern und der Wirtschaft Freiheiten gibt – keine Verbotspolitik, die uns vorschreibt, wie wir zu leben haben und ansonsten mit Steuererhöhungen droht. Mit höheren Steuern haben wir noch nie eine Situation geregelt. Ich wünsche mir eine Bundesregierung, die Unternehmen machen lässt. Die Umstellung der Autoindustrie auf E-Autos ist eine gigantische Aufgabe – egal wie man dazu steht. Dafür braucht es Freiheiten. Auch die Ernährungsbranche muss Dinge anders machen, etwa Plastikmüll reduzieren. Dazu braucht es unternehmerische Freiheit für kreative Lösungen.
Spätestens seit der Flutkatastrophe ist der Klimawandel das beherrschende Wahlkampfthema. Was bedeutet das für die Wirtschaft? Wir müssen den Klimawandel ernst nehmen, Veränderungen sehr viel schneller und aggressiver umsetzen. Es geht darum: Wie kann man den Umschwung erreichen und trotzdem Wohlstand und Industriearbeitsplätze erhalten? Einfach alles abzustellen ist ja nicht die Lösung.
Die Grünen wollen den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen. Ist da eine stabile Stromversorgung für die Produktion noch sicher? Wir betreiben unsere Backöfen mit Gas, aber sind natürlich genauso auf Strom angewiesen wie Krankenhäuser und andere Industrien. Bevor die Grünen solche harten Forderungen stellen, sollten sie alles genau durchrechnen – und sich über die Konsequenzen und Risiken klar werden. So macht es auch jeder Unternehmer.
Bahlsen nutzt Erdgas. Dieser fossile Brennstoff ist politisch nicht mehr gewollt. Seit Januar wird in Deutschland eine CO2-Abgabe von 25 Euro je Tonne erhoben, die weiter steigen soll. Wie sehr belastet das den Mittelstand? Wenn der CO2-Preis weiter steigt, sollte es nicht dazu führen, dass sich nur bestimmte Branchen Emissionen leisten können und andere nicht. Um die Industrie zu Maßnahmen zu zwingen, sollte auch die Menge der CO2-Emissionen begrenzt werden.
Ein Vetorecht würde die Richtlinienkompetenz des Kanzlers oder der Kanzlerin massiv einschränken. Das ist aus meiner Sicht nicht verfassungskonform.
Die Grünen planen ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht. Welche Folgen hätte das für die Wirtschaft? Ein Vetorecht würde die Richtlinienkompetenz des Kanzlers oder der Kanzlerin massiv einschränken. Das ist aus meiner Sicht nicht verfassungskonform. Bestimmte Funktionen zusammenzufassen kann ich mir schon vorstellen, denn es braucht eine einheitlichere Steuerung.
Deutschland will Klimaneutralität schon 2045 erreichen, fünf Jahre früher als die EU. Was halten Sie von nationalen Alleingängen? Ich wünsche mir eine einheitliche Vorgehensweise in der EU. Alleingänge führen oft zu Wettbewerbsverzerrungen. Klimaschutz ist auch eine Chance. Wenn die deutsche Industrie intelligente Technologien gegen den Klimawandel findet, kann sie diese später international verkaufen. Wir dürfen nicht in Schockstarre verharren, sondern müssen kreative Lösungen vorantreiben.
Ist die deutsche Industrie agil genug? Die Automobilindustrie etwa stand lange auf der Bremse beim Thema Batterien. Jetzt haben VW und Daimler entschieden, dieses Kernelement des Elektroautos selbst zu bauen. Da entstehen neue Arbeitsplätze, dafür fallen andere weg.
Das Ende des Verbrennungsmotors scheint so gut wie besiegelt. Wie stehen Sie dazu? Ich bin kein Ingenieur. Aber ich wünsche mir eine technologieoffene Diskussion. Wasserstoff ist wahrscheinlich teuer. Aber auch bei Batterien muss man genau hinschauen: Unter welchen Umständen werden die Rohstoffe in Afrika gefördert? Was ist mit Recycling? Da ist die ganze Kette von Anfang bis Ende durchzudenken. Ich vermute, es gibt noch andere Lösungen als E-Autos.
Auch Plastikmüll belastet zunehmend die Umwelt. Bisher zahlt der deutsche Staat die Abgabe auf nicht wiederverwertete Plastikverpackungen an die EU. Die 1,3 Milliarden Euro könnten aber künftig auf Unternehmen umgelegt werden. Was würde das für Konsumgüterhersteller wie Bahlsen bedeuten? Das kostet uns Geld. Es ist die Frage, ob wir die Kosten durch höhere Preise weitergeben können. Plastikmüll ist ein drängendes Problem. Allein mit einer Abgabe ist nichts erreicht. Wir arbeiten intensiv an Verpackungen, die recycelfähig oder kompostierbar sind. Unsere Kekse sollen aber auch nach Monaten noch gut schmecken und nicht nach dem Knoblauch, der im Regal daneben liegt.
Der Goldene Leibnizkeks hängt am Stammsitz der Firma Bahlsen
Der Leibniz Butterkeks stammt aus dem Hause Bahlsen.
Viele Menschen haben sich mit Snacks den Lockdown versüßt. Wie ist Bahlsen durch die Coronakrise gekommen? Eigentlich ganz gut, aber es war ein Auf und Ab. Vor allem im ersten Lockdown haben die Konsumenten Klopapier und Leibniz Butterkekse gehortet. Natürlich sind wir auch betroffen, unsere Outlets waren über Monate zu. Unsere Kunden Lufthansa und Deutsche Bahn fielen zeitweise komplett aus. Bahlsen konnte zum Glück mit strengen Corona-Schutzmaßnahmen durcharbeiten.
Verraten Sie, wie sich der Umsatz von Bahlsen entwickelt hat? Laut Bundesanzeiger lagen die Erlöse 2019 bei 540 Millionen Euro. Ungefähr wie geplant, aber Corona ist noch nicht durch.
Was sollte bei der nächsten Welle im Corona-Management der Politik anders laufen? Corona muss mit Konsequenz, aber ruhiger Hand gemanagt werden – und endlich einheitlich über alle Bundesländer. Und es sollte einen gewissen Druck geben: Denn wer sich nicht impfen lässt, gefährdet seine Umwelt. Das finde ich unverantwortlich. Ich bin komplett geimpft. Deshalb möchte ich meine bürgerlichen Freiheiten so gut wie möglich wiederbekommen.
Inwiefern versucht Bahlsen, Impfskeptiker in der Belegschaft zu überzeugen? Unsere Betriebsärzte impfen. Ich denke, die Einsicht der Notwendigkeit wird in der nächsten Zeit steigen. Denn wir wollen Sicherheit für Mitarbeiter und Produktion. Die Pandemie hat vielen Branchen sehr zugesetzt.
Die Bundesregierung hat versucht, mit der „Bazooka“ und einem „Wumms“ in dreistelliger Milliardenhöhe die Folgen des Lockdowns für die Wirtschaft abzufedern. Hat das gewirkt? Ich finde es absolut richtig, dass der Staat mit viel Geld einen Absturz in vielen Branchen vermieden hat. Es gibt aber Unternehmen, die schon vor der Krise Sanierungsfälle waren und nun künstlich am Leben erhalten werden. Damit tun wir niemandem einen Gefallen. Gesunde Konkurrenzfirmen geraten durch künstlich niedrige Preise selbst in Schwierigkeiten.
Ob der Einstieg des Staats bei Tui sinnvoll war, darüber lässt sich streiten. Der Staat soll kein Reiseveranstalter sein.
Konzerne wie Lufthansa und Tui werden mit Milliarden vom Staat gestützt. Hätte man sie besser pleitegehen lassen sollen? Die Lufthansa ist ein systemrelevantes Unternehmen. Ob der Einstieg des Staats bei Tui sinnvoll war, darüber lässt sich streiten. Der Staat soll kein Reiseveranstalter sein. Marktwirtschaft bedeutet auch eine gewisse Selektion von Unternehmen. Diesen Mechanismus dürfen wir nicht zu lange aussetzen. Sonst gewöhnt sich die Wirtschaft an die Milliarden.
Ein ganz anderes Thema. Die Oetkers haben sich nach jahrelangem Familienstreit zur Realteilung ihres Unternehmens entschlossen. Familie Bahlsen hat dies bereits 1999 getan. Sie backen Kekse, Ihr Bruder Lorenz produziert Salzgebäck. Wie bewerten Sie diesen Schritt im Nachhinein? Die Aufspaltung war absolut richtig. Denken und handeln die Gesellschafter nicht in dieselbe Richtung, lähmt das jede Investitionsentscheidung. Wenn es in der Familie nicht harmoniert, darf das Unternehmen nicht darunter leiden.
War die Trennung ein langer und schmerzhafter Prozess? Natürlich war das schmerzhaft. Aber als die Erkenntnis da war, dass es so nicht weitergeht, ging alles ganz schnell. An einem Sonntag im Advent hat die Familie innerhalb von vier Stunden die Aufspaltung besiegelt. Ich würde es heute wieder genauso machen.
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