IT-Sicherheit Schweizer Cybersecurity-Einhorn Acronis bereitet sich auf Börsengang vor

Zürich Der Umgang vieler Unternehmen mit ihrer IT-Sicherheit ähnelt nach Ansicht von Serguei Beloussov den Abstands- und Hygieneregeln. „Wir wussten immer, dass es gut ist, sich regelmäßig die Hände zu waschen und nicht krank ins Büro zu gehen“, sagt der Gründer und Chef des im schweizerischen Schaffhausen beheimateten Cybersecurityspezialisten Acronis. „Doch erst Covid hat uns das ins Bewusstsein gerufen.“
Ähnlich verhalte es sich mit dem Schutz vor Cyberattacken. Die Pandemie habe vielen Unternehmen vor Augen geführt, wie stark sie auf die IT angewiesen sind, erklärt der 49-Jährige. „Der Bedarf, sich zu schützen, wächst rasant.“ Und Acronis profitiert von dem steigenden Bedarf. Der Umsatz sei gegenüber dem Vorjahr um rund 100 Prozent auf einen dreistelligen Millionenbetrag gewachsen, sagt Beloussov.
Das Wachstum zieht Interessenten an: Der Private-Equity-Investor CVC, dessen Geschäft im deutschsprachigen Raum vom ehemaligen Starbanker Alexander Dibelius geführt wird, hat jüngst zusammen mit weiteren Partnern 250 Millionen Dollar in Acronis investiert. In der Finanzierungsrunde bewerten die Investoren Acronis mit 2,5 Milliarden Dollar, wie Beloussov dem Handelsblatt vorab mitteilte.
Der Gründer und Großaktionär behält sich zudem einen Börsengang vor: „Wir prüfen alle Optionen. Wir wären in jedem Fall ein guter Börsenkandidat.“ In der Fachwelt genießt Acronis einen exzellenten Ruf. Die renommierten Marktforscher von Gartner stufen Acronis im Bereich Datensicherung und Backup als „visionäres Unternehmen“ ein.
Für den in Russland geborenen Seriengründer Beloussov wäre ein Börsengang von Acronis der bislang größte Exit. Sein erstes Unternehmen gründete er bereits in den 1990er-Jahren als Student am Moskauer Institut für Physik und Technologie – und hat es später an Microsoft verkauft. 1994 wanderte er nach Singapur aus, heute hat Beloussov auch die dortige Staatsbürgerschaft. Seither hat er rund ein Dutzend Start-ups gegründet, erzählt er.
Acronis startete 2003 in Singapur als Abspaltung einer anderen von Beloussov gegründeten Firma. 2008 eröffnete das Unternehmen ein zweites Hauptquartier in Schaffhausen nahe der deutsch-schweizerischen Grenze. 40 Prozent seines Umsatzes erwirtschafte er in Europa, das habe für einen Firmensitz auf dem Kontinent gesprochen, sagt er.
Investitionen ins Cloud-Geschäft
Zunächst war Beloussov lediglich Großaktionär und Chairman von Acronis. Das Unternehmen war damals allein auf Datensicherung spezialisiert – die Software von Acronis versprach Unternehmen und Privatkunden, Daten wiederherstellen zu können, falls die Festplatte den Geist aufgibt.
2013 übernahm Beloussov zusätzlich den CEO-Posten bei Acronis und baute das Unternehmen zu einem Cybersecurityspezialisten um. Kern ist weiterhin die Datensicherung. Doch drumherum entwickelte er Dienstleistungen wie den Schutz vor Cyberattacken, mit Künstlicher Intelligenz verstärkte Antivirenprogramme sowie die forensische Analyse von Sicherheitslücken.
„Es macht für die Unternehmen keinen Unterschied, ob die IT wegen eines Netzwerkfehlers oder eines Cyberangriffs nicht funktioniert“, sagt Beloussov. Wichtig sei vor allem, Ausfälle zu verhindern und – wenn es doch zu einem Ausfall kommt – schnell wieder handlungsfähig zu sein.
Das verspricht Acronis. Allerdings arbeitet das Unternehmen nicht direkt mit den Endkunden. Die Schweizer Firma kooperiert mit rund 10.000 Dienstleistern, meist kleinen bis mittelgroßen IT-Firmen, die die Software von Acronis nutzen, um damit die IT-Infrastruktur der Endkunden zu managen und zu warten. Die von CBC eingesammelten 250 Millionen Dollar will Beloussov daher nutzen, um dieses Netzwerk auszubauen und zudem in das wachsende Cloud-Geschäft zu investieren. Ein Teil des Geldes soll auch in Forschung und Entwicklung fließen.
In der Forschung sieht Beloussov auch seine persönliche Zukunft. Der promovierte Computerwissenschaftler will sich verstärkt einem neuen Projekt zuwenden: dem Aufbau einer Privatuni in Schaffhausen. 1000 bis 2000 Studenten sollen am Schaffhausen Institute of Technology in Zukunft etwa an der Quantentechnologie sowie an intelligenten Maschinen forschen. Wenn es nach Beloussov geht, wird die nächste Generation von IT-Seriengründern nicht in der Metropole Moskau ausgebildet – sondern in dem 36.000-Einwohner-Ort in der Schweiz.
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