Johannes Ehrnsperger Ökobrauerei Lammsbräu wird wieder von der Familie geführt

Der Brauer will die Werte des Unternehmens bewahren.
München Viel steiler kann eine Karriere in der deutschen Brauwirtschaft nicht verlaufen. Nach dem BWL-Studium durchlief Johannes Ehrnsperger noch ein duales Bachelorstudium der Brau- und Getränketechnologie sowie eine parallele Berufsausbildung zum Brauer und Mälzer, die er als Deutschlands bester Azubi seines Jahrgangs abschloss. Dann übernahm er mit nur 27 Jahren direkt als Mehrheitseigentümer die Führung einer der erfolgreichsten Brauereien Deutschlands.
Nach einem Übergangsjahr, in dem er mit Susanne Horn gemeinsam an der Spitze stand, ist er seit einigen Wochen nun alleiniger Chef der Biobrauerei Lammsbräu. Die Erfolgsgeschichte will er fortführen und die Werte des Familienunternehmens bewahren. „Die Unabhängigkeit und die Enkeltauglichkeit, wie ich es nenne, sind unsere obersten Unternehmensziele“, sagte er dem Handelsblatt.
Die Nachfolge ist ja bei vielen Familienunternehmen ein schwieriges Thema. Franz Ehrnsperger, der Vater von Johannes Ehrnsperger, hatte sich für einen ungewöhnlichen Weg entschieden: Als sich der Ökopionier vor gut zehn Jahren aus der operativen Führung der Brauerei zurückzog, war der Sohn noch zu jung.
Also holte der Senior Susanne Horn nach Neumarkt, eine Frau, die zuvor nie in der Braubranche gearbeitet hatte. Für die konservative, männerdominierte Braubranche ein höchst ungewöhnlicher Schritt. Doch Horn verdiente sich viel Respekt.
Ihr Nachfolger Ehrnsperger konnte am Dienstag wieder einmal gute Zahlen vorlegen. „Wir können sehr stolz sein, das Jahr ist extrem gut gelaufen“, sagt der junge Chef. 2018 steigerte Lammsbräu den Umsatz um mehr als zehn Prozent auf 26,8 Millionen Euro. Die Biobranche wuchs laut Arbeitskreis Biomarkt im selben Zeitraum nur um 5,5 Prozent, die deutschen Brauer nur um 0,5 Prozent auf 94 Millionen Hektoliter.
Die Branche wertete das im Fußball-WM-Jahr eher als Enttäuschung. „Die Deutschen haben 2018 etwas mehr Bier getrunken“, sagte Bayerns Brauer-Präsident Georg Schneider, „gemessen an den Rahmenbedingungen, vor allem den Witterungsverhältnissen, die zumindest für uns nicht besser hätten sein können, allerdings überraschend wenig mehr.“ Zum Vergleich: 1994 lag der Absatz der deutschen Brauereien bei noch mehr als 115 Millionen Hektoliter.
Bio aber boomt weiter. „Das ist kein Hype, sondern ein nachhaltiger Trend“, sagt Ehrnsperger. Für ihn war immer klar, dass er ins Familienunternehmen einsteigen will. „Wenn man in einem Familienunternehmen aufwächst, infiziert einen das.“
Er habe das Bier quasi „mit der Muttermilch aufgesogen“. Und so schaute er schon als Kind den Brauern zu und sortierte später als Ferienjob Leergut. Die Lehre machte er dann bei einer mittelständischen Brauerei in Tauberbischofsheim. „Ich wollte bewusst woanders hingehen.“
Familienname verleiht Kompetenz und Autorität
Doch war klar, dass es dann zurück nach Neumarkt gehen würde. „Ich wollte bei uns etwas bewegen und hier meine Ideen umsetzen.“ Autoritätsprobleme habe er als sehr junger Chef nicht. „Er ist ein sehr, sehr gründlicher Mensch“, sagt einer, der mit ihm zusammenarbeitete.
Auch Ehrnsperger sieht sich als Perfektionisten. Die Kompetenz verleiht ebenso Autorität wie der Familienname. Zudem sei er früh in die Strategieprozesse mit eingebunden gewesen, sagt der Erbe, der bald 29 Jahre alt wird.
Sein Vater, Ökopionier Franz Ehrnsperger, war mit seinen Ideen in der Branche lange allein auf weiter Flur. Lammsbräu war schon seit rund 200 Jahren im Besitz seiner Familie. Doch erst er schlug den Weg zu einem ökologischen Ansatz ein – „Bio“ im heutigen Sinne gab es 1977 noch nicht. Heute würden viele Großbrauereien gern auf den Zug aufspringen. Doch ist das nicht so einfach.
Der Erzeugergemeinschaft von Lammsbräu gehören 160 Landwirte in der Großregion an, mit denen es langfristige Verträge gibt. Lammsbräu zahlt gut. „Für uns ist es wichtig, dass der Bauer einen Preis bekommt, der es ihm ermöglicht, davon zu leben und einen intakten Hof an die nächste Generation zu übergeben“, sagt Ehrnsperger. Die Enkeltauglichkeit.
Bei der Biolimonade, die Lammsbräu seit einigen Jahren herstellt, war das etwas schwieriger. „Ich hoffe, dass der Klimawandel nie so weit fortschreitet, dass bei uns in der Oberpfalz Orangen wachsen“, sagt Ehrnsperger. So musste Lammsbräu das Regionalprinzip aufgeben. Der Naturlandverband zertifiziert die Zutaten und soll als Partner die Transparenz in der Lieferkette sichern. Der Rübenzucker kommt von Biobauern aus Süddeutschland.
Der Absatz der alkoholfreien Getränke – das alkoholfreie Bier, Biowasser und Limonaden – stieg 2018 um 14 Prozent auf knapp 140.000 Hektoliter. Beim Bier betrug das Plus gut sechs Prozent auf erstmals mehr als 100.000 Hektoliter.
Unternehmer aus Leidenschaft
Ehrnsperger ist Unternehmer aus Leidenschaft. „Unternehmer ist man oder man ist es nicht“, sagt er. Er könne sich zu 100 Prozent vorstellen, die Brauerei für die nächsten 40 oder 50 Jahre zu führen. „Ich gehe jeden Tag mit Freude in das Unternehmen“, sagt er, „und ich will, dass es bei allen Mitarbeitern genauso ist.“ Er wolle nicht alles anders machen, eher die Konsequenz bei Themen wie der Nachhaltigkeit – und damit die Glaubwürdigkeit – weiter ausbauen. Das schärfe dann auch die Marke.
Das Verhältnis zum Vater ist gut. „Im Biobereich ist er einer der größten Visionäre überhaupt“, sagt der Junior. Als Franz Ehrnsperger schrittweise auf Biobier umstellte, schäumte einst die Branche. Andere Brauer klagten in den 80ern durch mehrere Instanzen gegen ihn: Unlauterer Wettbewerb lautete der Vorwurf. Doch Ehrnsperger blieb stur und hatte Erfolg.
Während sich die Großen Preiskriege lieferten, setzte Lammsbräu aufs Premiumprodukt – und auf Premiumpreise. Heute haben auch die großen Brauereien erkannt: „Es war und es bleibt ein Fehler, das Heil im alleinigen Streben nach größeren Mengen durch niedrigere Preise zu suchen“, so Bayerns Braupräsident Schneider. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist im Mainstream angekommen.
Johannes Ehrnsperger sieht seinen Vater heute als Sparringspartner und Ratgeber. Die Entscheidungen könne er am Ende aber selbst treffen. Geholfen hat da ja womöglich auch die zehnjährige Zwischenphase. Die Verantwortung an einen externen Manager abzugeben ist manchmal leichter.
Auch Susanne Horn hatte Franz Ehrnsperger als Gesellschafter geschätzt, dem Unternehmen aber auch ihren eigenen Stempel aufgedrückt. Dass sie nach hartem Kampf nun in der Branche akzeptiert ist, zeigt die Tatsache, dass sie die Führung der größeren Brauerei Bischofshof übernahm.
Auch an die Produktpalette geht Ehrnsperger behutsam heran. Zwar freut er sich über die Craftbier-Welle in Deutschland. Das seien schließlich auch Brauer, die großen Wert auf die Zutaten legten. Doch bei Lammsbräu wolle man die Dinge richtig machen. „Und ich kann nicht alle Dinge richtig machen.“ Daher werde die Brauerei erst einmal beim Sortiment bleiben.
Wenn Ehrnsperger entspannen will, spielt er Schlagzeug. Stereo acoustic heißt seine Band, in der auch seine Verlobte singt. Einmal ist das Trio, noch bevor Ehrnsperger die Führung übernahm, auf einer Betriebsweihnachtsfeier aufgetreten. Da habe er seine beiden Leidenschaften zusammengebracht. Doch das bleibe eine Ausnahme. Ein wenig sollte man Privat- und Berufsleben trennen – selbst als Familienunternehmer.
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