Kik- und Obi-Eigner Drei Jahre nach Verschwinden von Karl-Erivan Haub: Tengelmann-Erben erzielen Einigung

Die Familienstämme des Unternehmens haben lange um eine Einigung gerungen.
Düsseldorf Einer der größten Streitfälle unter den deutschen Familienunternehmen scheint bald geklärt: der Streit um die Zukunft des Handelsunternehmens Tengelmann. Katrin Haub, die Frau des verschollenen Ex-Chefs Karl-Erivan Haub, und ihre Kinder Viktoria und Erivan sind bereit, ihre Anteile an der Tengelmann Warenhandels-KG an Karl-Erivans Bruder, Christian Haub, den jetzigen CEO der Tengelmann-Gruppe, zu verkaufen.
Am Sonntag einigten sich die beiden Familienstämme auf ein Memorandum of Understanding (MoU), wie die beiden Parteien am Montag bekanntgaben. Christian Haub wird Tengelmann damit künftig kontrollieren.
Vor drei Jahren war Karl-Erivan Haub zu einer Skitour rund um das Kleine Matterhorn aufgebrochen und kehrte nie wieder zurück. Das Problem: Der damals 58-Jährige hatte keine Vorsorge getroffen für den Fall, dass er als Unternehmer mitten aus dem Leben gerissen wird.
Seinen beiden Kindern würde eine hohe Erbschaftsteuer drohen, Zahlen von rund 450 Millionen Euro und mehr wurden kolportiert. Das spaltete die Familie, weil sich die verschiedenen Stämme nicht darauf einigen konnten, wie die drohende Steuer geschultert werden soll.
Das hatte Folgen für das Unternehmen. Der Bruder des Verschollenen, Christian Haub, der zuvor gemeinsam mit Karl-Erivan die Geschäfte geführt hatte, ist seit April 2018 allein an der Spitze. Doch durchregieren konnte er bisher nicht. Der Konzern mit rund 90.000 Mitarbeitern, zu dem Händler wie Kik und Obi gehören, befand sich permanent in Abstimmungsprozessen mit der Unternehmerfamilie.
Das wird sich nun ändern: Christian Haub wird nach Abschluss des Kaufs seinen Unternehmensanteil auf 68,7 Prozent verdoppeln. Sein Bruder Georg, der nicht im Unternehmen selbst operativ aktiv ist, hält die verbliebenen 31,3 Prozent.
Wie sehr die Parteien gerungen haben, machen die beiden renommierten Anwälte der Familie klar. Mark Binz, Spezialist für Familienunternehmen, der Christian Haub vertritt, und der prominente Anwalt und frühere CSU-Minister Peter Gauweiler, der Karl-Erivans Nachkommen berät, betonten in einer gemeinsamen Erklärung: „Es war ein langer Weg, den die Familien zurücklegen mussten, seit der langjährige CEO Karl-Erivan Haub verschollen ist.“
Der Durchbruch in den Verhandlungen belege, „dass man sich auch nach langwierigen Auseinandersetzungen einigen kann, sofern beiderseits der Wille und die Gestaltungskraft dazu vorhanden sind.“
Zugleich berichten die beiden Anwälte: „Wir haben sehr harte Verhandlungen geführt, die aber letztlich auf Fairness und einem gesteigerten gegenseitigen Verständnis fußten. Wir streben an, den vereinbarten Anteilskauf noch im Mai zu beurkunden und zu vollziehen.“ Die beiden Anwälte wollen sich wie die Familie nun bis zur Beurkundung des Kaufvertrags nicht mehr äußern. Dabei sind zwei zentrale Fragen noch offen.
Spekulationen um Tod von Karl-Erivan Haub
Erstens wird es vielleicht niemals geklärt werden, ob Karl-Erivan Haub wirklich den Tod am Kleinen Matterhorn fand. Es waren sogar Gerüchte aufgekommen, dass der Unternehmer ein neues Leben in Russland begonnen haben könnte. Bruder Georg hatte Mitte Januar seinen gemeinsam mit Christian Haub im Oktober 2020 gestellten Antrag auf Todeserklärung zurückgezogen.

Der Tengelmann-Chef übernimmt die Anteile der Familie seines verschwundenen Bruders.
Nur wenige Tage später überraschten dann die Ehefrau Karl-Erivans, Katrin Haub, und ihre beiden gemeinsamen Kinder Viktoria Anna-Katharina und Erivan Karl-Christopher damit, dass sie ihrerseits nach langem Zögern doch dem Verfahren auf Todeserklärung beitraten. Im Herbst hatten sie die Brüder dafür noch heftig kritisiert.
Die zweite Frage: Wie hoch werden Kaufpreis und Steuer ausfallen? Hier lässt sich nur vermuten, wie die Rechnungen ausfallen. Der Verschollene und seine Kinder haben neben der deutschen auch die US-Staatsbürgerschaft.
Die deutsche Erbschaftsteuer wird auf die US-Erbschaftsteuer angerechnet, die höher liegt als hierzulande. Die Einkommensteuer, die auf den Veräußerungsgewinn der Unternehmensanteile von Karl-Erivan anfallen würde, würde wiederum die Erbschaftsteuer mindern.
Mitte Oktober 2020 hatte Christian Haub das Angebot öffentlich gemacht, dass er bereit sei, 1,1 Milliarden Euro für den Anteil seines verschollenen Bruders zu zahlen. Damals hatte sein Anwalt Binz erklärt, dass laut Tengelmann-Satzung bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters diesem lediglich 70 Prozent des Verkehrswerts seiner Anteile zustünden.
Nach seiner Darstellung war die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG von einem Firmenwert vor Corona von rund vier Milliarden Euro ausgegangen. Für die Anteile von Karl-Erivan Haub wären das laut Binz rund 950 Millionen Euro, zahlbar in sieben Jahresraten von 2030 bis 2037. Diese Annahmen beruhten laut Binz damals darauf, dass die Kündigungsfrist für einen ausscheidenden Gesellschafter bei zehn Jahren liege.

Es wird vielleicht niemals geklärt werden, ob der frühere Tengelmann-Chef 2018 wirklich den Tod am Kleinen Matterhorn fand.
Dass die beiden Parteien sich auf ein Memorandum of Understanding geeinigt haben, legt ein anderes Vorgehen nahe. Es deutet darauf hin, dass die Zahlungen an die Familie des Verschollenen nun viel früher geleistet werden. Denn so können sie die Steuerlasten aus der Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn und aus der Erbschaftsteuer schultern.
In den Medien war zuvor auch mal ein Kaufpreis für die Anteile der Familie des Verschollenen von 1,6 Milliarden Euro kolportiert worden, dieser Wert wurde allerdings von keiner Seite bislang offiziell bestätigt. Es ist aber denkbar, dass der nun verhandelte Kaufpreis zwischen 1,1 und 1,6 Milliarden Euro liegen könnte.
Fakt ist, dass der Verkauf der 34,3 Prozent der Firmenanteile nun vor der Todeserklärung eintreten könnte. Das Amtsgericht hatte Mitte März das Aufgebot auf Todeserklärung erlassen und eine Frist bis zum 12. Mai gesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt könnten sich der Verschollene oder mögliche andere Zeugen melden.
Tengelmann: Christian Haub hat Weichen für Neustart gestellt
Geschieht dies nicht, könnte das Gericht den langjährigen Firmenchef kurz darauf per Beschluss für tot erklären lassen. „Vermutlich wird das am Folgetag passieren“, verlautete das Gericht. Danach aber beginnt noch eine einmonatige Beschwerdefrist. Erst nach deren Ablauf werde der Beschluss dann rechtskräftig. Einfach ausgedrückt: Frühestens am 13. Juni könnte die Todeserklärung rechtskräftig sein.
Das ist nicht unwichtig: Auch wenn das Gericht als Todeszeitpunkt den Tag des Verschwindens des Unternehmers in den Schweizer Alpen annimmt, also den 7. April 2018, wird die Einkommensteuer zum Kaufpreisdatum ermittelt, die Erbschaftsteuer dagegen erst bei Eintreten der Rechtskraft festgelegt. Wie lange die Familie dann Zeit haben wird, diese Steuern zu zahlen, darüber ist derzeit noch nichts zu erfahren.
Klar ist, dass es um sehr viel Geld geht: Der Steuersatz bei der Erbschaftsteuer liegt bei 30 Prozent, der Einkommensteuersatz bei solch großen Summen liegt bei 45 Prozent. Doch wenn die Familie von Karl-Erivan Haub den Kaufpreis erhält, muss sie in der Lage sein, die Steuerlasten zu tragen.
Gleichzeitig muss auch Christian Haub das Geld für den Kauf der Anteile seines verschollenen Bruders aufbringen.
Hinzu kommt allerdings noch ein anderer Aspekt: Noch ist nicht im Detail bekannt, wie sich die Corona-Pandemie auf das Geschäft von Tengelmann ausgewirkt hat. Zahlen für das Geschäftsjahr 2020 liegen bislang nicht vor. 2019 setzte Tengelmann rund 8,1 Milliarden Euro um.
Klare Verhältnisse beim Textil-Discounter Kik
Damals jedoch war Tengelmann noch ein ganz anderes Unternehmen. Denn Christian Haub hat in seiner inzwischen drei Jahre währenden Amtszeit als Chef bereits wichtige Weichen für das Unternehmen gestellt. So hat er das historische Betriebsgelände in Mülheim verkauft und die Holding deutlich verschlankt.
Bei den Beteiligungen hat er für klarere Verhältnisse gesorgt. So gehört der Textildiscounter Kik inzwischen zu 100 Prozent zu Tengelmann, die Anteile am Non-Food-Discounter Tedi dagegen gibt das Unternehmen zum 30. April an den bisherigen Miteigentümer H. H. Unternehmensgruppe ab.
Die Beteiligungsunternehmen im Einzelhandel will Christian Haub künftig stärker strategisch steuern, auch neue Geschäftsfelder sind angedacht. Darüber hinaus will er das Venture-Capital-Geschäft noch direkter vom Unternehmen aus steuern. Die Einigung mit der Familie hat ihn der Umsetzung dieser Pläne einen großen Schritt näher gebracht.
Mehr: Ehemalige Tengelmann-Investoren gründen neuen Wagniskapitalgeber
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.