Lazada-Gründer Maximilian Bittner Das Amazon Südostasiens

Es war einfach zu verlockend, nach Südostasien zu gehen.
Ausgerechnet seinen wohl größten Erfolg muss Maximilian Bittner vom Bett aus zelebrieren. Mit Windpocken darf er seine Wohnung in Singapur nicht verlassen. „Ich sehe wie ein 13 Jahre alter Pubertierender aus“, sagt er am Telefon. Dabei hätte er allen Grund zu feiern: Kurz zuvor hatte der chinesische Gigant Alibaba den Anteil an Bittners Onlinehandelsplattform Lazada auf 83 Prozent aufgestockt. Damit ist es dem deutschen Gründer gelungen, in Südostasien innerhalb von fünf Jahren einen mit umgerechnet 2,76 Milliarden Euro bewerteten Händler aufzubauen.
Die Geschichte von Bittner und Lazada beginnt mit einer Bauchentscheidung. 2012 hat der Ökonom nach Stationen bei der US-Bank Morgan Stanley und der Unternehmensberatung McKinsey gerade bei der Start-up-Fabrik Rocket Internet angeheuert, als ihn sein neuer Chef Oliver Samwer auf eine Expeditionstour nach Südostasien schickt. „Ich war damals 34 Jahre alt und kannte die Region nur von einer Reise als Backpacker“, erzählt Bittner. Zehn Tage ist er dort und sieht die Herausforderungen. Die Region ist zerklüftet, die Logistik zwischen den vielen Ländern ein Problem. Zudem unterscheiden sich die Nationen durch völlig unterschiedliche Sprachen und Kulturen.
Was ihn reizt: „Es gab keinen Einzelhändler, der die Region verbunden hat“, erzählt der Manager. Selbst Handelsgiganten wie Tesco oder Carrefour beschränkten ihr Engagement auf einzelne Länder. „Der Bedarf war da. Die Chance war einfach zu verlockend“, sagt der heute 38-jährige Bittner. Wenige Tage später zog er mit seiner Familie nach Singapur.
Neben Rocket Internet hatten einst Firmen wie der schwedische Investor Kinnevik Investment, die Supermarktkette Tesco oder Tengelmann Ventures in den Onlineshop investiert, der von Elektroartikel bis hin zu Kleidung so ziemlich alles vertreibt. Mit Rückendeckung von Oliver Samwer dehnt Bittner Lazada Stück für Stück über sechs Länder aus. Heute erstreckt sich das Geschäft über Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur, Thailand sowie Vietnam und erreicht mehr als eine halbe Milliarde Kunden.
Bittner hat die Plattform im Stil von Amazon oder Alibaba aufgebaut. Mit der Übernahme des Onlinesupermarkts Redmart aus Singapur drängt Lazada jedoch auch in das Geschäft mit der Zustellung von Lebensmitteln. Zudem hat sich Bittner mit dem Fahrdienst Uber und dem Videoportal Netflix zusammengetan, um Kunden eine Premiummitgliedschaft im Stil von Amazon Prime anzubieten.
Lukratives Geschäft für Rocket Internet
Die wichtigsten Veränderungen treibt jedoch Alibaba voran. Schon im vergangenen April hatte der chinesische Handelsgigant knapp eine Milliarde US-Dollar (rund 876 Millionen Euro) für einen 51 prozentigen Anteil von Lazada gezahlt, bevor der Konzern nun weiter aufstockte. Niemals zuvor hatten die Chinesen einen so großen internationalen Deal getätigt. „Das Geschäft mit dem Onlinehandel in der Region steckt noch in einer frühen Entwicklungsphase, und wir sehen gute Wachstumschancen für uns“, begründete Alibaba-Vorstandschef Daniel Zhang die Entscheidung. Außer Alibaba ist nun neben dem eigenen Management nur noch die singapurische Staatsholding Temasek an Lazada beteiligt.
Für Rocket Internet war der Rauskauf sehr lukrativ. „Lazada war ein großer Erfolg für uns“, sagt Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer. Das Startinvestment von 18 Millionen Euro habe sich verzwanzigfacht. Die verbliebenen Lazada-Anteile von 8,8 Prozent gingen für umgerechnet rund 243 Millionen Euro an den chinesischen Konzern.
Alibaba bringt das Geld und viele Anwendungen mit. Lazada stellt bereits auf Alibabas Bezahlplattform Alipay um. Dafür werde sich Lazada stärker auf die Logistik konzentrieren. Alibaba-Gründer Jack Ma treibt derzeit sein Ziel voran, weltweit eine Plattform für Onlinehandel aufzubauen, die gerade kleine und mittelständische Firmen mit Kunden zusammenbringt, sowie ihm es mit den Plattformen Taobao und TMall in China gelungen war.
Im März war Jack Ma in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur gereist, um das erste Logistikzentrum von Alibaba außerhalb Chinas einzuweihen. Lazada gewährt seinen Kunden seit diesem Jahr über die eigene Plattform Zugang zu Produkten von Alibaba’s Plattform Taobao. „Jack Ma will, dass Produkte innerhalb von 72 Stunden weltweit zugestellt werden können. Daran arbeiten wir bereits intensiv“, sagt Bittner. Der Onlinehandel habe zwei entscheidende Herausforderungen: die Bezahlung und die Zustellung. „Der Rest ist einfach“, meint Bittner. „Ich fokussiere mich auf den Logistikteil“, sagt der Lazada-Vorstandschef.
Gewaltiger Boom erwartet
Alibaba wolle mit der Übernahme die internationale Expansion vorantreiben, sagt Kevin Wei Wang von der Unternehmensberatung McKinsey in Hongkong. „Alibaba prescht mit Macht vor, und will nicht länger nur von China abhängig sein.“ Gleichzeitig stehe Konkurrent Amazon in den Startlöchern, um sich stärker auf Südostasien zu konzentrieren. Mit der Allianz von Lazada und Alibaba versuchten die beiden Firmen den US-Konkurrenten aus dem Markt zu halten, um alleine vom bevorstehenden Onlineboom zu profitieren.
Und dieser Boom könnte gewaltig ausfallen. Vergangenes Jahr ließ Suchmaschinengigant Google eine Studie zum Onlinehandel in der Region anfertigen. Demnach dürfte das Geschäft in Südostasien bis 2025 auf 88 Milliarden Dollar pro Jahr steigen. 2015 lagen die Umsätze erst bei 5,5 Milliarden Dollar. Entscheidender Wachstumstreiber soll das Einkaufen per Smartphone werden. Derzeit macht das mobile Einkaufen in der Region nur deutlich weniger als zehn Prozent der Handelsumsätze aus.
Wäre das nicht der richtig Zeitpunkt, sich nach neuen Herausforderungen umzuschauen? Bittner verneint. „Es ist ein falsches Verständnis, dass man eine Firma einfach aufbaut, und die Aufgabe damit erledigt ist“, stellt er klar. „Für mich gibt es hier noch viel zu tun.“
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