Malte Bürger, Jan Herold Müller, Johannes Feik Diese drei Gründer vermitteln Praktikumsplätze für Schulabgänger

Sie haben eine Praktikumsvermittlung in Hessen gestartet, wollen aber über die hessischen Landesgrenzen hinaus expandieren.
Frankfurt Wer Malte Bürger (21), Jan Herold Müller (20) und Johannes Feik (20) trifft und sich länger mit ihnen unterhält, merkt schnell: Da sitzen drei junge Menschen, die mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen und alles aufsaugen, was sie können. Und die genau wissen, was sie wollen und wie sie das an die Frau oder den Mann bringen.
Sie tragen T-Shirts mit dem Namen ihrer Firma, jeder in einen anderen Farbe. Sie haben lustige Karten dabei, auf denen ihre Idee prägnant erklärt wird. „Weil nicht jeder Bundeskanzlerin werden will“, steht da unter einem Bild von Angela Merkel, wie sie mit ihren Händen die für sie typische Raute formt.
Praktikumsjahr heißt ihre Firma. Und der Name ist Programm. Die Drei vermitteln auf ihrer Online-Plattform Praktikumsplätze für Schulabgänger. Das Konzept: Firmen registrieren sich bei Praktikumsjahr. Die Schulabgänger können auf der Plattform ihre Wünsche angeben, in welchem Bereich sie sich gerne einmal ausprobieren möchten. Ein Algorithmus versucht Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.
In der Regel geht es um vier bis fünf verschiedene Praktika nacheinander, jedes dauert rund zwei Monate. Sogar bis zu ein Jahr können Interessenten „praktizieren“. Dabei berücksichtigt das System auch die Frage, ob es für den Schulabgänger überhaupt möglich ist, in einer vertretbaren Zeit mit dem Nahverkehr zur Firma zu kommen. Und: Für jeden Monat gibt es ein Taschengeld von 250 Euro.
Wie bei so vielen Firmengründungen standen die eigenen Erfahrungen Pate bei der Entwicklung der Idee. Bürger und Feik standen vor der Frage, wie es nach der Schule weitergehen soll. Auch bei Müller, der damals noch etwas Zeit bis zum Abitur hatte, rückte diese Frage langsam näher. Orientierung fiel schwer. Über 20.000 Studiengänge und 300 Ausbildungsberufe gibt es mittlerweile. Die Frage tauchte auf, warum es nicht möglich sei, sich in mehreren Berufen zu versuchen, bevor man entscheidet.
„In unserer Schule gab es immer Veranstaltungen mit Vertretern von Firmen, um über mögliche Berufe zu informieren. Das war ganz nett, aber die Unterlagen, die dort verteilt wurden, waren viel zu komplex“, erzählt Bürger, der in Fulda Informatik studiert. So richtig hätten solche Events bei den Schülern nicht funktioniert. Da sei zum ersten Mal die Idee der Plattform entstanden.
„Wir haben dann über mehrere Monate mit Schülern und Unternehmen gesprochen, um genauer zu verstehen, was eigentlich gebraucht wird“, beschreibt Feik, der gerade eine Ausbildung abgeschlossen hat, das Vorgehen der Drei. Im Frühjahr 2018 wurde die Firma gegründet.
Die Eltern fanden die Idee von Beginn an gut und haben ihren Nachwuchs bei der Umsetzung unterstützt. „Die wussten aus eigener Erfahrung nur zu gut, wie anstrengend es ist, Praktikumsplätze für die Kinder zu finden“, erzählt Müller lachend. Er hat im vergangenen Jahr Abitur gemacht. 80 Partnerunternehmen hat das Trio mittlerweile gewonnen, mit vielen weiteren sei man in Kontakt.
Einnahmen reichen für die geplante Expansion
Etwa im Metall- und Chemiebereich. Der Arbeitgeberverband Hessenmetall hat sich vor wenigen Wochen mit den Jungunternehmern zusammengetan. Damit steht Praktikumsjahr ein Netzwerk von 620 Mitgliedsunternehmen offen. „Für die Schulabgängerinnen und -abgänger ist es eine Super-Chance, um Unternehmensluft zu schnuppern und im Idealfall den eigenen Traumjob zu finden“, lobt Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, das Start-up.
Ähnlich groß ist die Begeisterung bei Hessenchemie, die seit November mit Praktikumsjahr zusammenarbeiten. „Besonders gefällt uns die zielgruppengerechte Ansprache der jungen Bewerber“, sagt Jürgen Funk, als Geschäftsführer im Verband für Ausbildungsthemen und Nachwuchskräftemarketing zuständig.
Wurde zu Beginn nach der Schule und am Wochenende am Aufbau von Praktikumsjahr gewerkelt, arbeiten die Drei mittlerweile Vollzeit für ihre junge Firma. Bürger hat sein Informatikstudium vorübergehend unterbrochen. Ein Entwickler hilft bei der Pflege und weiteren Ertüchtigung der Informationstechnik, ein Berater begleitet die Firma als eine Art Business-Angel.
Geld benötigen die Jungunternehmer vorerst nicht. Zum Start fanden sie eine Firma, die mit einem kleinen Betrag die Anfangsinvestitionen finanzierte. Sehr früh haben sie dann mit den ersten Partnerfirmen vereinbart, dass diese je nach Mitarbeiterzahl eine Grundgebühr von 25 bis 100 Euro pro Monat zahlen sowie pro vermittelten Praktikanten und Monat noch einmal 50 Euro. Das gilt bis heute.
„Mit den Einnahmen können wir uns selbst keine üppigen Gehälter auszahlen und auch keinen Dienstwagen finanzieren“, scherzt Feik: „Aber es reicht für unseren weiteren Pläne.“ Die sehen eine Expansion über die hessischen Landesgrenzen hinaus vor. „Wir werden uns zunächst auf die großen Metropolen konzentrieren“, sagt Müller.
Anfragen von dort gibt es genug. Denn die Drei sind mittlerweile bundesweit bekannt. Bei RTL durften sie auftreten und ihre Idee präsentieren. Auch in der ARD waren die Drei vor wenigen Wochen. Tarek Al-Wazir, der Wirtschaftsminister von Hessen, überreichte den Jungunternehmern vor einiger Zeit den „Hessischen Gründerpreis“. „So was hilft enorm bei der Bekanntheit, das war der Durchbruch“, sagt Bürger.
Ihre Idee funktioniert auch deshalb so gut, weil sie zugleich die Nöte vieler Firmen lindert. Die Zeiten, in denen das Schlagwort „Generation Praktikum“ die Runde machte und sich junge Menschen ohne Aussicht auf einen Job von einer Teststation zur nächsten hangelten, sind vorbei.
So hat eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Clevis ergeben, dass Praktikanten mittlerweile im Schnitt 1053 Euro im Monat verdienen. Die hohe Summe erklärt sich zwar auch dadurch, dass viele Praktika etwa im sozialen Bereich nicht erfasst wurden. Dennoch geben die Daten einen Hinweis darauf, dass sich die Situation für die Berufssuchenden gebessert hat. Das dürfte auch am vorgeschriebenen Mindestlohn liegen.
Die Unternehmen müssen mittlerweile um den Nachwuchs kämpfen. Gerade kleinere haben aber in der Personalabteilung kaum die erforderlichen Kapazitäten, um sich um das Anwerben von Praktikanten zu kümmern. Und auch nicht um die Betreuung am ersten Tag – für die Praktikanten eine oftmals schwierige Situation. Auch hier hilft Praktikumsjahr. „Wir haben eine Information verfasst, in der steht, was den Praktikanten erwartet, worauf er achten muss. Alleine dafür haben sich schon viele Firmen bedankt“, sagt Feik.
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