Medien Russlands Streamingdienst Ivi profitiert von der Coronakrise

Der Unternehmer will Ivi an die Börse bringen.
Moskau Gemeinsam vor dem Fernseher: Die Behörden haben im Zuge der Coronakrise alle Bewohner in und um Moskau, die 65 Jahre oder älter sind, aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Viele Unternehmen haben ihre Angestellten ins Homeoffice geschickt. Schüler und Studenten sind seit dem Wochenende in den Ferien.
Und so nimmt die Popularität von Streamingportalen in Russland deutlich zu. Ivi-Gründer Oleg Tumanow hat auf die Coronakrise mit einer aggressiven Werbekampagne reagiert und bietet ein Probe-Abo für einen Rubel pro Monat an. Bisher kostete es rund 400 Rubel (etwa 4,50 Euro).
Nach Einschätzung von Jelena Krylowa, TV-Analystin bei TMT Consulting, wächst der russische Markt für Onlinekino 2020 um rund 45 Prozent. „Die Schätzung ist optimistisch, aber wegen des Coronavirus gehen die Menschen eben nicht mehr so oft in den Kinosaal, um Filme zu schauen“, sagt sie.
Die Krise als Chance zu sehen, damit kennt sich Oleg Tumanow aus. Denn das Unternehmen musste in seiner zehnjährigen Geschichte mehrfach harte Zeiten überstehen. Eigentlich wollte Hobbymusiker Tumanow aus der russischen Online-Videothek einen digitalen Vertriebskanal für Musik aufbauen. Stattdessen ist Ivi heute mit einem Erlös von 98 Millionen Dollar der größte Anbieter von Video on Demand in Russland.
Tumanow, der zuvor 20 Jahre lang in leitenden Funktionen bei Banken in Russland, den USA und der Schweiz gearbeitet hatte, knüpfte 2010 als Russlandchef der US-amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Access Industries von Milliardär Leonid Blavatnik Kontakte zu Warner Music. „Ich wollte für sie eine Plattform für den russischen Markt aufbauen“, erzählte er dem Handelsblatt.
Trend zum Smart-TV erkannt
Warner wollte mit Sony als Partner starten. Aber die Kooperation zwischen den beiden Musikgiganten funktionierte nicht. Also machte Tumanow allein weiter und schaltete die Plattform auf Videos um. Eine waghalsige Entscheidung. Denn Netflix war noch nicht populär. „Unser Vorbild war eigentlich Hulu und nicht Netflix“, bekennt Tumanow.
Er hatte mit einem viel größeren Problem als die amerikanischen Streamingpioniere zu kämpfen: Der russische Videomarkt wurde damals von Produktpiraten beherrscht. Doch Tumanow hoffte, dass er mit der höheren Bequemlichkeit beim Herunterladen, der besseren Navigation im Menü und vor allem der höheren Bildqualität punkten könnte.
Trotz einiger Rückschläge ließ sich der 55-Jährige nicht beirren. Er erkannte den Trend zum Smart-TV. Auf solchen Geräten machte die Online-Videothek ein Vielfaches der Abschlüsse, die sie bei Computernutzern erzielte.
Heute machen bezahlte Inhalte, also Abo oder Einzelkauf von Filmen, drei Viertel der Erlöse aus, Reklame in den kostenlosen Filmrubriken hingegen nur ein Viertel.
Nach dem Vorbild von Netflix hat Tumanow zudem mit der Produktion eigener Inhalte begonnen. Um das Wachstum zu finanzieren, hat er die Investmentbank Goldman Sachs angeheuert und schließt einen späteren Börsengang an der Nasdaq nicht aus.
Anfang des Jahres noch hatten Analysten einen Wert von 750 Millionen Dollar für einen IPO als realistisch angesehen. Das war, bevor Corona Russland erreichte.
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