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Michael Gschrei Wie ein einzelner Wirtschaftsprüfer die Big Four besiegen will

Streit um die Macht: Ein Einzelkämpfer aus München tritt bei den Wahlen zur Wirtschaftsprüferkammer noch einmal gegen PwC, EY, KPMG und Deloitte an.
11.06.2018 - 00:02 Uhr Kommentieren
Der Münchener Wirtschaftsprüfer kritisiert seine Zunft harsch. Angesichts des Versagens von EY im Fall Wirecard forderte er Maßnahmen, die mehr Unabhängigkeit im Prüfsystem gewährleisten. Quelle: Verband für die mittelständische Wirtschaftsprüfung
Michael Gschrei

Der Münchener Wirtschaftsprüfer kritisiert seine Zunft harsch. Angesichts des Versagens von EY im Fall Wirecard forderte er Maßnahmen, die mehr Unabhängigkeit im Prüfsystem gewährleisten.

(Foto: Verband für die mittelständische Wirtschaftsprüfung)

München Es soll ein Wunder geschehen. Das Wunder sähe so aus, dass sich die Kleinen gegen die Großen durchsetzen. Dass die Minibetriebe in der Branche der Wirtschaftsprüfer gegen die globalen Branchengrößen PwC, KPMG, Deloitte und EY (Big Four) am Ende gewinnen. David gegen Goliath.

„Die brauchen einen unabhängigen Gegenpol“, sagt Michael Gschrei, 66. Er sitzt in einem nüchternen Büro unter dem Dach eines früheren Bankgebäudes in der Münchener Innenstadt. Resopal-Charme, eine Nespresso-Maschine als Zier. Und doch agiert hier der Galionsführer der Kleinen, eine Ein-Mann-eine-Sekretärin-Veranstaltung, aus der heraus vor 13 Jahren der mittelständische Verband wp.net entstand – der bei den jetzt angelaufenen Wahlen zur Wirtschaftsprüferkammer vorn liegen will.

Diese Institution ist gewissermaßen das Herz des Geschäfts. Über deren Beirat – und damit über den Vorstand – bestimmen bis zum 9. Juli rund 14.000 Wirtschaftsprüfer, 2.800 Buchprüfer sowie 1.000 Anwälte und Steuerberater per Briefwahl. „Die anderen haben das Geld, wir haben die Mehrheit“, fasst Gschrei seine Sicht auf die Big Four zusammen. Keinesfalls dürfe es wie früher heißen: „Vier gewinnt.“ Es müssten halt nur genügend Personen der eigenen Klientel zur Wahl gehen.

Für den quirligen Gschrei mit der hohen Stirn ist das noch einmal ein Auftritt auf großer Bühne. Eine Art Erfüllung für den Kleinbauernsohn aus dem oberpfälzischen Teunz, der schon mit 17 beschloss, unbedingt Wirtschaftsprüfer zu werden. Der Job schien seriös, versprach ein Maximum an Respekt durch Mitmenschen. Den Wunsch erfüllte sich Gschrei vor genau 30 Jahren in München, nach BWL-Studium und Steuerberaterabschluss. Er begann bei Wollert-Elmendorff, heute Teil des Deloitte-Konzerns, ehe er sich nach ein paar Jahren selbstständig machte.

Die eigene Zunft sieht der Wirtschaftsprüfer inzwischen durch die Mängel der Big Four in Verruf geraten. Die Bilanzen der in der Finanzkrise beteiligten Banken waren ja allesamt von den großen Prüfkonzernen ordentlich geprüft und testiert worden.

Und dass die Initiative des früheren EU-Kommissars Michel Barnier gegen gleichzeitige Prüf- und Beratungsaufträge der vier Branchenriesen so einfach verläpperte, empört ihn noch Jahre später. Eine Mitarbeiterin der Wirtschaftsprüferkammer war – aus „optischen Gründen“ über die externe Berufsaufsicht APAK – als rechte Hand von Barniers Bürochefin platziert worden und verrichtete Lobbyarbeit. Das erfuhr Gschrei aus höherer Quelle. 

Seine Kampagne gegen die Usancen der Macht führte 2011 tatsächlich dazu, dass Gschrei Präsident der Wirtschaftsprüfkammer wurde. Auf einmal schienen PwC & Co. – oder das von ihnen mehrheitlich finanzierte Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) – von den Schaltstellen entfernt zu sein. Doch aus der versprochenen Transparenz unter neuer Führung wurde wenig.

Auch Prüfunterlagen des in der Finanzkrise aufgefallenen Skandalinstituts HRE bekam Gschrei nicht mehr zu sehen. Sechs Monate nach der Inthronisierung gab er auf, einige Mitstreiter von wp.net waren ihm nicht mehr gefolgt.

Rebell und Querulant

Diesmal will der Rebell, der in den großen Frankfurter Zentralen von PwC oder KPMG als Querulant gilt, länger Nummer eins sein – wieder mit dem Verband wp.net, der 4.000 Einzelprüfer und 4.500 Prüfer in mittleren und kleinen Firmen vertritt. „Das ist mein Baby“, sagt der Kandidat, der eine gescheiterte Ehe hinter sich hat. Zu viel Politik, zu viel Kammerarbeit in 18 Jahren.

Bei der aktuellen Wahl sieht sich Gschrei einer Front von gleich sechs Listen gegenüber: den vier von den Big Four sowie zwei von Bewerbern, die unabhängig auftreten („Ziegler-Liste“, „Hoffmann-Liste“); sie wirkten in einem Arbeitskreis des Instituts IDW für die Wahl mit. Das sähe ganz nach einer „geschichtlichen Anleihe“ bei dem früheren DDR-Regime aus, lästert Gschrei über den „Interessenkreis“. Also alles so wie damals in Pankow, als unter Führung der SED alte Ost-Parteien wie CDU, LDPD, DBD und NDPD auch Vielfalt suggeriert haben?

Es stehe jedem Mitglied der Wirtschaftsprüferkammer frei, eine Vorschlagsliste für die Beiratswahl vorzulegen, sagt IDW-Vorstandssprecher Klaus-Peter Naumann. Einen „Interessenkreis“ könne er nicht erkennen. Sein Institut wolle, dass der Beirat ausgewogen mit kompetenten Mitgliedern besetzt sei.

Und von einer Übermacht der Big Four in seinem Institut könne auch nicht die Rede sein. PwC erklärt, die klare Mehrheit im Beirat komme nicht von den Großen. Die eigenen Kandidaten würden mit vielen anderen Beiratsmitgliedern „vertrauensvoll“ zusammenarbeiten. 

Den aufmüpfigen Gschrei stellt das nicht zufrieden. Er verweist auf die Macht der großen vier in wichtigen Ausschüssen und in der Berufsaufsicht. Seine wp.net habe zwar zuletzt 2014 mit rund 37 Prozent die meisten Stimmen bekommen, sei dann aber nicht in den Vorstand gekommen. Für einen „Neuanfang“ seien deshalb 50 Prozent und mehr für die eigene Liste nötig.

Gschrei setzt auf Entbürokratisierung mit weniger Kontrollaufwand sowie eine gerechtere Beitragszahlung, damit sich nicht noch mehr mittelständische Wirtschaftsprüfer zurückziehen. Das sei jetzt ein „hartes Eisen“, man müsse „ganz schön aufräumen“, sagt der Einzelkämpfer.

Spätestens in vier Jahren will Gschrei in den Ruhestand gehen, mehr als bisher wandern und sich die Big Four von außen ansehen. „Das ist mein letzter Kampf“, sagt er.

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