Oliver Pabst Der Manager mit der Mammut-Aufgabe
![Seit Herbst führt er die Geschäfte bei Mammut. Quelle: VKE - Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse e. V. [M]](/images/oliver-pabst/20105520/7-format2020.jpg)
Seit Herbst führt er die Geschäfte bei Mammut.
Seon Fürs Skifahren kann sich Oliver Pabst schon lange begeistern. Schließlich hat der Manager einst bei der Münchener Nobelmarke Bogner die chinesische Ski-Nationalmannschaft eingekleidet. Auch an Skitouren hat der gebürtige Berliner Geschmack gefunden. Aber am dünnen Seil hängend eine steile Felswand erklimmen? Daran musste sich ein Flachländer wie Pabst erst gewöhnen.
Doch der 51-Jährige weiß genau: Wenn er das Vertrauen seiner Mitarbeiter gewinnen will, dann muss er hin und wieder einen Gipfel erklimmen. Und zwar nicht mit der Seilbahn, sondern über die Direttissima. Schließlich führt Pabst seit vergangenem Herbst Mammut, die angesehenste Bergsportmarke der Schweiz. Da gehört der Klettergurt quasi zur Arbeitskleidung.
Die Höhenangst zu überwinden ist für Pabst in diesen Tagen nicht die größte Herausforderung. Denn die Traditionsfirma aus dem Aargauer Weiler Seon steht im wahrsten Sinne des Wortes vor einer Mammutaufgabe. Er muss das angestaubte Label modernisieren.
„Transformation“ ist das Lieblingswort des ehemaligen McKinsey-Beraters. Von einem Sanierungsfall mag Pabst zwar nicht reden. Doch dem mehr als 150 Jahre alten Mittelständler geht es nicht gut. Der Umsatz stagnierte vergangenes Jahr bei umgerechnet 211 Millionen Euro, der Betriebsgewinn lag bei einer Million Euro, viel zu wenig für eine ambitionierte Sportmarke – auch wenn hinter Mammut der Zürcher Mischkonzern Conzzeta steht, der von drei wohlhabenden Schweizer Familien beherrscht wird.
Zuvor hatte der Schweizer Rolf Schmid das Label zwei Jahrzehnte lang geführt, die meiste Zeit sehr erfolgreich. Doch zuletzt lief es überhaupt nicht mehr rund, auch, weil sich das Outdoor-Urgestein Schmid vehement gegen den Onlinehandel sträubte. Bis Frühjahr 2016 hatte Mammut nicht einmal einen eigenen Webshop. So versuchte Schmid, sich die Gunst der Fachhändler zu sichern, die angestammten Partner der Marke.
Doch die Strategie ging nicht auf. Einerseits, weil der gesamte Outdoor-Markt in Europa stagniert. Andererseits, weil immer mehr Kunden im Netz einkaufen. Und von boomenden Internetkaufhäusern wie Zalando und Amazon wollte der Unternehmenslenker schon gar nichts wissen. Als der Umsatz massiv schrumpfte und die Marke sogar in die roten Zahlen stürzte, warfen die Besitzer ihn schließlich raus.
Seit Herbst führt nun Pabst die Geschäfte, und der steuert radikal um. „Ich liebe die digitale Welt“, betont der joviale Manager, der seine Leute wie selbstverständlich duzt. Jüngst hat er sich mit dem chinesischen Internetriesen JD.com verbündet, unter seinem Vorgänger undenkbar.
Der sportliche Mann war zuvor für Vertrieb und Marketing bei Bogner zuständig. Als ihm Eigentümer Willy Bogner einen neuen Chef vorsetzte, verließ er das Label.
Pabst griff bei Mammut sofort durch, denn er steht unter Druck. Bis 2020 haben ihm seine Eigentümer Zeit gegeben, dann muss das Label wieder wachsen und ordentlich Gewinn abwerfen. Schon in seinen ersten Tagen strich er die Kollektion um ein Fünftel zusammen. Anschließend setzte er die oberste Führungsebene vor die Tür und holte neue Leute.
Sein wichtigster Mann ist seit diesem Frühjahr Adrian Margelist, ein erfahrener Modedesigner aus dem Wallis. Der ehemalige Esprit-Kreative ist mit Feuereifer dabei, den Regenjacken und Wanderhosen eine einheitliche Linie zu verpassen. „Die Marke trägt zu viele unterschiedliche Handschriften. Das wird sich ändern“, kündigt Pabst an. Doch die Vorlaufzeiten in der gesamten Outdoorindustrie sind lang. Was Margelist jetzt entwirft, kommt erst 2019 in die Läden.
Die Konkurrenten warten überall schon
Gleichzeitig hat Pabst seinen Chefkreativen beauftragt, eine neue Kollektion wetterfester Ausrüstung für die Stadt zu entwickeln, Urban Outdoor nennt das die Sportbranche. Es ist eine Kehrtwende um 180 Grad.
Vorgänger Schmid lag viel daran, Mammut als reine Bergsportmarke zu positionieren, als Ausrüster für Athleten, die sich mehrheitlich jenseits der Baumgrenze bewegen. Pabst dagegen glaubt, dass er vor allem in den Metropolen neue Kunden gewinnen kann, in seiner Heimatstadt Berlin, aber auch in Schanghai oder Tokio.
Einfach wird das nicht, denn Konkurrenten wie Jack Wolfskin, Schöffel oder Vaude haben das städtische Publikum lange vor Mammut für sich entdeckt. Doch das ist nicht die einzige Hürde. Experten fürchten, dass sich die Bergsteiger und Expeditionsteilnehmer von Mammut abwenden, wenn das rot-schwarze Mammut-Logo erst einmal überall in der Straßenbahn und den Fußgängerzonen zu sehen ist. „Es ist ein Spagat: Mammut darf seine alten Fans nicht verlieren, muss aber gleichzeitig neue gewinnen“, meint Philipp Prechtl von der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner in München.
Seine dritte große Baustelle ist Asien. Unternehmenslenker Pabst glaubt, dass er vor allem in China noch viele neue Kunden erreichen kann. „Wer es sich leisten kann, geht dort raus in die Natur“, hat Probst erkannt. Das Problem dabei: „Auf Mammut warten starke etablierte Player“, so Berater Prechtl. Internationale Outdoor-Marken wie The North Face haben einen starken Stand in der Volksrepublik. Die Amerikaner sind zehnmal so groß wie Mammut und können daher viel mehr Geld für das lebenswichtige Marketing in die Hand nehmen, sie sind auch mit Hunderten Shops vertreten.
Dasselbe gilt für den Turnschuh-Hersteller Adidas, der in China Hunderte spezielle Outdoor-Stores betreibt. Mammut hingegen zählt lediglich 70 Läden – weltweit. Anfang des Jahres hat Pabst erst einmal ein neues Büro in Hongkong eröffnet, von hier aus will er Fernost erobern. Einmal im Quartal jettet der weltläufige Unternehmenslenker in die ehemalige britische Kolonie.
Im Hauptquartier im beschaulichen Seon, eine halbe Autostunde westlich von Zürich, ist Pabst derweil sichtlich bemüht, seine Mannschaft auf den neuen Kurs einzuschwören. Das ist nicht einfach für einen Deutschen, der doppelt so schnell redet wie die Einheimischen. Doch der salopp gekleidete Manager weiß, wie er mit den Schweizern umgehen muss. Er hat in St. Gallen promoviert, seinen ersten Job fand er in Zürich. So grüßt Pabst jeden Einzelnen auf dem Flur, erkundigt sich nach dem Wohlbefinden seiner Leute.
Er ist an den nahegelegenen Hallwilersee gezogen, ein Zeichen, dass er länger bleiben will. Und: Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat er die Parkplätze für die Geschäftsführung direkt vor dem Haupteingang gestrichen.
Am meisten Respekt verschafft ihm intern aber wohl, dass er mit Karabiner und Eispickel inzwischen gut zurechtkommt. Fast so gut wie mit dem Laptop.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.