Onlinehandel Berlin Brands Group forciert die Jagd auf begehrte Amazon-Marken

Der Unternehmer hat 200 Millionen Euro aufgenommen, um erfolgreiche Handelsmarken zu übernehmen.
Düsseldorf Im Dezember hat Peter Chaljawski eine ehrgeizige Ansage gemacht. Nach dem der Gründer des Handelsunternehmens Berlin Brands Group (BBG) die erfolgreiche Bettwäschemarke Sleepwise übernommen hatte, kündigte er schon den Kauf von zehn weiteren Unternehmen an, die ihre Produkte über den Amazon-Marketplace verkaufen.
Wenige Monate später zeigt sich, dass das keine leeren Versprechen waren. 20 Unternehmen hat BBG bisher übernommen und integriert, darunter den Sportartikelanbieter Boarderking, den Badeausstatter Dombach und den Haushaltswarenhersteller Glaswerk. „Da bieten sich im Markt noch erheblich größere Chancen, als wir erwartet hatten“, berichtet Chaljawski. „Es gibt viele Anbieter, die haben tolle Produkte, aber großen Respekt vor dem nächsten Wachstumsschritt.“ Diese Marken sollen unter dem Dach der BBG eine bessere Perspektive bekommen.
Bei der Übernahme dieser sogenannten Amazon-Seller herrscht unter Investoren zurzeit geradezu eine Goldgräberstimmung. Inspiriert ist dieser Trend von Thrasio. Das US-Start-up hat es zum Geschäftsmodell gemacht, Onlinehandelsmarken zu kaufen, und hat damit, nach seiner Gründung vor über zwei Jahren, binnen kürzester Zeit eine Milliardenbewertung erreicht. In Deutschland beteiligen sich Unternehmen wie Seller X, Razor Group oder Branded an diesem Wettbieten.
Bisher hatte Branded mit Investorengeldern von über 150 Millionen Euro in diesem Kreis den größten Spielraum. Doch nun forciert BBG seinen aggressiven Wachstumskurs noch einmal: Wie Chaljawski dem Handelsblatt sagte, hat sich das Unternehmen eine Debt-Finanzierung von 200 Millionen Euro für weitere Übernahmen gesichert. Dahinter stehen Unicredit, die Deutsche Bank und die Commerzbank.
Das Potenzial im Markt ist riesig. So gibt es in Deutschland 40.000 Marktplatzhändler auf der Amazon-Plattform, die im Schnitt jeweils 120.000 Euro Umsatz machen. Rund 3300 davon erzielen nach Berechnungen der Händlerberatung Amalyze sogar einen Umsatz jenseits der Marke von 840.000 Euro. Das sind die spannendsten Ziele für die Firmenjäger.
Bei der Übernahme der digitalen Handelsmarken verfolgt BBG aber einen anderen Kurs als die meisten Konkurrenten, die als reine Investoren auftreten. Das von Chaljawski aufgebaute Unternehmen ist selber Händler. Der Selfmade-Unternehmer hat 14 Eigenmarken aufgebaut, deren Umsatz er im vergangenen Jahr um mehr als 50 Prozent auf 334 Millionen Euro gesteigert hat.
Peter Chaljawski: Als 19-Jähriger im Wohnzimmer gestartet
Ein wichtiger Schwerpunkt von BBG sind Haushaltswaren unter der Marke Klarstein, außerdem Fitnessgeräte, Gartenartikel und Elektronikprodukte. Dieses Sortiment rund um Haus und Garten ist gerade während der Corona-Pandemie extrem gefragt. Und da sollen die zugekauften Marken eine sinnvolle Ergänzung sein. Ein Team von 30 Experten kümmert sich bei BBG um die Übernahmen.
Konkurrenten wie Seller X oder Branded haben es auf Händler abgesehen, die bei beliebten Suchanfragen ganz oben in der Ergebnisliste stehen – ein Indiz für hohe Verkaufszahlen und zufriedene Kunden. Chaljawski dagegen schaut eher, ob die zugekauften Marken sich sinnvoll ergänzen und welches Entwicklungspotenzial sie unter dem Dach von BBG im Markt haben. „Wir sind da eher ein strategischer Käufer“, betont er.
Für den Marktplatzexperten Mark Steier ist es gerade das tiefe Verständnis des Marktes, das im Wettbieten um die Markenhändler den Ausschlag geben kann. Und genau da habe das Team um Peter Chaljawski einen echten Wettbewerbsvorsprung vor der Konkurrenz, sagt er.
Diese Marktkenntnis sei nicht nur nötig, um die richtigen Übernahmeziele zu identifizieren, sondern auch, um die Marken erfolgreich weiterzuentwickeln. Da werde sich bald die Spreu vom Weizen trennen, ist der Experte überzeugt, der unter anderem die größte Facebook-Community für Marktplatzhändler betreibt und deshalb in der Branche stark vernetzt ist.

Der Gründer von Berlin Brands Group hat selbst die ersten Schritte als Marktplatzhändler gemacht.
Dazu kommt: Chaljawski hat selber als 19-Jähriger im Wohnzimmer seiner Eltern die ersten Schritte als Marktplatzhändler gemacht und kennt deshalb die Sorgen und die Erwartungen der kleinen Händler, die er übernehmen will. „Wir sind im Kern ein Produktunternehmen, das ist unsere DNA, und das spüren auch unsere Verhandlungspartner“, sagt er. Deshalb könne BBG trotz der starken Investorenkonkurrenz auch einen Großteil der anvisierten Deals gewinnen.
Um weiterhin bei allen Entscheidungen freie Hand zu haben, hat sich Chaljawski auch bewusst für eine Debt-Finanzierung entschieden und keine weiteren Anteile abgegeben. Denn auch das ist ihm wichtig: BBG hat zwar seit einigen Jahren den Fonds Ardian als Partner für die strategische Entwicklung an Bord. Aber Chaljawski und sein Management halten immer noch 60 Prozent der Anteile. Und das soll bei allem Wachstum erst mal so bleiben.
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