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Schuhhersteller Goldstar Wie eine Familie aus Norditalien gegen den Rivalen Birkenstock kämpft

Goldstar stellte vor mehr als 40 Jahren seine ersten Sandalen her. Seit sechs Jahren tobt ein Rechtsstreit mit dem Konkurrenten Birkenstock – über Sohlen und Design.
07.06.2021 - 13:29 Uhr Kommentieren
40 Millionen Euro Umsatz machte Goldstar vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Quelle: Goldstar
Goldstar Sandalen

40 Millionen Euro Umsatz machte Goldstar vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie.

(Foto: Goldstar)

Fusignano Ein paar Räume von seinem Büro entfernt hat Elvio Silvagni seine Kollektion aufgebaut: vier Regalreihen Sandalen, in allen möglichen Farben und Variationen. Mehr als 1200 Modelle produziert die Firma Goldstar, die meisten davon mit Korksohle: Sommer-Treter zum Beispiel, die der 69-jährige Silvagni seit Jahrzehnten verkauft. Doch wie lange noch? Seit sechs Jahren streiten sich der Mittelständler aus Norditalien und der deutsche Hersteller Birkenstock juristisch um Sohle und Design. Dabei hat Silvagni gerade während der Corona-Pandemie andere Sorgen.

Fusignano, ein kleines Örtchen zwischen Bologna und Ravenna, ist Ende der Siebziger ein Schuh-Hotspot. Hunderte Hersteller gibt es, Ein-Mann-Betriebe und große Firmen. Der gelernte Schuhmodellierer Silvagni ist damals 25 Jahre alt, als er die Lust im alten Betrieb verliert – und mit seiner Frau Margherita Montanari, eigentlich Landvermesserin, einen eigenen Laden aufmacht. Die Modelle entwirft er anfangs alle selbst.

Langsam wächst die Firma, 1986 ziehen sie in die heutige Goldstar-Zentrale im Gewerbegebiet. Mittlerweile betreiben sie auch Produktionsstandorte in der Slowakei und Rumänien, beschäftigen rund 300 Mitarbeiter. 2015 kaufte das Paar die kriselnde italienische Schuhmarke Valleverde dazu, sanierte und belebte sie neu.

Im selben Jahr begann der Streit mit Birkenstock: Die Firma aus Linz am Rhein beschuldigte Goldstar der Markenverletzung und Produktimitation, das finale Urteil steht noch aus. Schon länger versucht Birkenstock sein Sohlendesign mit den sich kreuzenden Wellen in der EU als geschützte Marke eintragen zu lassen – scheiterte damit aber, zuletzt 2018 beim Europäischen Gerichtshof. Für Silvagni ist das gesamte Vorgehen von Birkenstock ein „ungeschickter Versuch, um einen Konkurrenten auszuschalten“. Goldstar benutze die Sohle seit 40 Jahren – „und wir konnten das auch durch Werbung von damals beweisen“, sagt er.

Silvagni belässt es nicht bei Reaktionen. Er klagte selbst gegen eingetragene Marken von Birkenstock in Deutschland, den Niederlanden, Italien und Frankreich. „Die EU hat die Sohle nicht patentiert, also müssen die eingetragenen Marken auch in den Ländern gelöscht werden“, fordert der Goldstar-Chef. In erster Instanz habe er in allen Fällen recht bekommen. Auch beim Deutschen Patentamt, das die Markenlöschung unter anderem mit „fehlender Unterscheidungskraft“ begründete. Birkenstock legte danach in allen Ländern Rechtsmittel ein.

Außergerichtliche Einigung: Birkenstock und Goldstar trennen sich 2017 ergebnislos

Anfangs wollte der Mittelständler den Streit noch außergerichtlich beilegen. Im Oktober 2017 fuhren die Gründer mit Sohn Paolo und ihrem Anwalt zur Birkenstock-Zentrale, um den Sohlenzoff beizulegen. Dafür wollte Goldstar aber eine Gratislizenz.

Für Birkenstock sei das niemals eine Option gewesen, heißt es von einem Firmensprecher. Kein „verständig handelndes Unternehmen“ würde einem anderen Marktteilnehmer das Recht gewähren, „sein geistiges Eigentum unentgeltlich zu nutzen“. Man habe sich damals ergebnislos getrennt.

„Der Lockdown war für uns ein Desaster“, sagt Silvagni. Quelle: Christian Wermke, Handelsblatt
Goldstar-Eigentümer Margherita Montanari und Elvio Silvagni

„Der Lockdown war für uns ein Desaster“, sagt Silvagni.

(Foto: Christian Wermke, Handelsblatt)

Goldstar versuche sich „als Opfer darzustellen“, dabei kopiere die Firma seit Jahrzehnten „unsere Produkte“, heißt es von Birkenstock. Goldstar verschweige zudem, dass dem Unternehmen in Italien die „Verwendung bestimmter Schuhelemente“ und die Imitation des „Birk“-Zeichens auf den Schnallen untersagt wurde, erklärt der Sprecher. „Wir haben niemals den Schriftzug ‚Birk‘ auf unseren Schnallen verwendet“, verteidigt sich Silvagni. Seit den Neunzigern hätte man den Begriff „Bio“ auf die Schnallen geschrieben, weil man Bio-Sandalen produzieren würde. Für seine Familie erscheine das mittlerweile alles „absurd“.

Wie viel Geld Silvagni der Rechtsstreit schon gekostet hat, will er nicht sagen. Klar ist: Das Geld hätte er lieber ins Geschäft investiert. Durch Corona brach der Umsatz 2020 um rund 30 Prozent ein – ein Spiegelbild der italienischen Modebranche.

Einkaufszentren und Geschäfte waren monatelang geschlossen, nicht nur in der Heimat, auch in den wichtigen Absatzmärkten Deutschland und Frankreich. „Der Lockdown war für uns ein Desaster“, sagt Silvagni. Die Firma drosselte die Produktion für die 1200 Handelspartner. Bei eleganten Schuhen blieb die Hälfte in den Regalen stehen – es gab kaum Hochzeiten. Nur Pantoffeln liefen gut: „In der Videokonferenz sieht niemand, was man unter dem Schreibtisch trägt“, sagt die 63-jährige Montanari.

Italiens Schuhbranche verlor in der Pandemie 10,7 Milliarden Euro Umsatz

Die Leute hätten zwar Lust, sich neue Schuhe zu kaufen. „Das vergangene Jahr werden wir damit aber nicht aufholen.“ Auch für 2021 rechnet die Familie mit einem Umsatzminus von 15 Prozent. 79 bis 150 Euro kosten ihre Schuhe – kein Luxus also, eher mittleres Segment. Im kommenden Jahr werden die Preise trotzdem anziehen: Schon jetzt hätte sich etwa Plastik verteuert. Dazu kämen die Lieferkosten: Der Transport aus Asien koste Silvagni wegen geringerer Kapazitäten heute bis zu fünfmal mehr als noch vor der Pandemie.

Italiens Schuhbranche verlor 2020 mehr als 10,7 Milliarden Euro an Umsatz, rechnet Siro Badon, Präsident des Industrieverbands Assocalzaturifici, vor. Die Zahl der Unternehmen und Mitarbeiter sei um vier Prozent geschrumpft. „Gleichzeitig verzehnfachte sich die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld“, sagt Badon. Trotzdem sieht er den italienischen Markt noch immer als wettbewerbsfähig: „Das Made in Italy wird von den Verbrauchern als unverwechselbares Plus wahrgenommen.“

Goldstar setzt auf Werbetafeln statt auf Amazon

Die Goldstar-Gruppe gehört zu den mittelgroßen Herstellern. 40 Millionen Euro Umsatz machte sie vor der Pandemie, war auf klarem Wachstumskurs. „Die Frage wird sein, ob wir mit diesen familiären Dimensionen künftig noch einen Platz haben werden“, sagt Silvagni – oder ob das Unternehmen weiterwachsen müsse, um zu überleben. Wenn der Firmenchef erzählt, dass Goldstar Anfragen von Amazon mehrfach abgelehnt habe, wirkt das, als sei Goldstar aus der Zeit gefallen. Dass Kunden die Sandalen trotzdem auf Amazon kaufen können, liegt daran, dass Drittfirmen sie bei Goldstar einkaufen und anschließend bei der Plattform anbieten.

Goldstar pflegt zwar seinen Auftritt bei Facebook und Instagram – doch einen Online-Shop suchen Kunden vergeblich. „Unsere Schuhe muss man eben anprobieren“, betont Montanari. Stattdessen geben die Silvagnis viel Geld für Werbetafeln an Autobahnen, Modeshootings und dicke Papierkataloge aus. Gut möglich also, dass ihr Sohn irgendwann das Ruder rumreißen muss: Paolo Silvagni, Jahrgang 1985, heuerte nach seinem Wirtschaftsstudium bei der Bank HSBC an, lebte in London, Genf, Dubai. Vor fünf Jahren bat er seine Eltern zum Abendessen: „Ich habe gekündigt, darf ich bei euch arbeiten?“, fragte er.

Ihn habe die Idee gereizt, als Unternehmer tätig zu sein. Noch ist er kein Gesellschafter. Seine Eltern wollen noch ein paar Jahre weitermachen – aber er steht bereit. Erbt er dann mit der Firma auch den Sohlenstreit? Die Silvagnis hatten gehofft, dass die neuen Birkenstock-Eigentümer einlenken: Erst im Februar übernahmen die amerikanisch-französische Beteiligungsgesellschaft L Catterton und die Familienholding Financière Agache die Mehrheit der Pfälzer.

Doch aus Deutschland kommt eine Kampfansage: „Karl Birkenstock ist der Erfinder des Sohlenmusters“, erklärt der Unternehmenssprecher. Birkenstock rücke „keinen Millimeter“ von seiner Position ab und werde die Rechte „an unserer Marke und unseren Erfindungen“ konsequent „durchsetzen und verteidigen“ – notfalls auch durch alle Instanzen. Der Sohlenkampf geht also in die nächste Runde.

Mehr: Wie ein Sizilianer mit seinem kleinen Modeunternehmen den Giganten Farfetch und Mytheresa Konkurrenz machen will.

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