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Serie: Unternehmerinnen weltweit Israelische Gründerin: „Treffen Sie keine Investoren, wenn Sie schwanger sind“

Israel gehört zu den Ländern mit den meisten Gründerinnen. Staat und private Netzwerke helfen. Die erfolgreichste Gründerin brauchte aber noch etwas anderes.
12.09.2021 - 13:53 Uhr Kommentieren
Sie gilt als Vorzeigeunternehmerin, weil es ihr gelungen ist, bei Investoren trotz ihrer drei Schwangerschaften in drei Runden 190 Millionen Dollar Kapital einzusammeln.
Eynat Guez

Sie gilt als Vorzeigeunternehmerin, weil es ihr gelungen ist, bei Investoren trotz ihrer drei Schwangerschaften in drei Runden 190 Millionen Dollar Kapital einzusammeln.

Tel Aviv Die Coronakrise und der damit einhergehende Trend zu Videokonferenzen hatten für Eynat Guez auch positive Seiten. Die Gründerin und Chefin des Einhorns Papaya Global konnte während der Diskussionen am Bildschirm verheimlichen, dass sie schwanger war. Während der dritten Finanzierungsrunde war das ein Vorteil, wusste Guez doch aus Erfahrung: Investoren trauen einer werdenden Mutter nicht zu, dass sie ein Unternehmen leiten kann.

Ihr Rat an Frauen, die ein Kind erwarten, ist deshalb klar: Sie sollten es vermeiden, potenzielle Investoren während der Schwangerschaft zu treffen. Das sei zwar traurig, räumt sie ein, aber „nun mal die Realität“. Man könne ja nicht darüber hinwegsehen.

Guez ist die erfolgreichste Unternehmerin in der israelischen Start-up-Szene. Vor fünf Jahren gründete sie Papaya Global, ein Unternehmen, das für Firmen mit globaler Präsenz Gehaltsabrechnungen automatisiert und dabei auch die Sozialleistungen und Bonuszahlungen in den verschiedenen Ländern berücksichtigt.

Heute beschäftigt Guez’ Start-up insgesamt bald 300 Mitarbeitende und erwirtschaftet einen Umsatz von umgerechnet 50 Millionen Euro in 40 Ländern, darunter auch Deutschland. Derzeit plant sie auch Niederlassungen in Deutschland und in Großbritannien. Vor allem diese beiden Märkte werden immer wichtiger für Papaya Global.

Die Doppelrolle als Mutter und Unternehmerin habe sie nur bewältigen können, weil sie von ihrem Mann unterstützt werde, sagt sie. Der ehemalige Militärpilot, der später Linienflugzeuge flog, kümmere sich um die Kinder und den Haushalt. „Ohne seine Vollzeit-Unterstützung könnte ich das Unternehmen weder führen noch weiter ausbauen,“ sagt die 41-jährige Mutter von drei kleinen Kindern und meint: „Wir müssen ehrlich sein und nicht so tun, als ließe sich die Doppelrolle ohne Hilfe bewältigen.“

Israels Vorzeigeunternehmerin hat 190 Millionen Dollar Kapital eingesammelt

Guez gilt als Vorzeigeunternehmerin, weil es ihr gelungen ist, bei Investoren trotz ihrer drei Schwangerschaften in drei Runden 190 Millionen Dollar Kapital einzusammeln. Als einzige Israelin leitet sie ein Einhorn, also ein Wachstumsunternehmen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar, das sie weiter ausbauen will. Ihr Unternehmen mit Mitarbeitern aus zahlreichen Nationen bearbeitet Gehaltsabrechnungen im Wert von drei Milliarden Dollar. Doch Guez ist auch in Israel eine Ausnahme.

85 Prozent aller Start-ups werden von Männern gegründet, zeigen Zahlen der Nichtregierungsorganisation Start-up Nation Central (SNC), vier Prozent wurden von Frauen ins Leben gerufen, elf Prozent von gemischten Teams gegründet. Im OECD-Ländervergleich liegt Israel damit über dem Schnitt von 9,2 Gründerinnen. Vor zehn Jahren waren es gerade einmal sieben Prozent.

Für Lital Kiperman Vaknin, die sich am Peres Center for Peace um Innovationen und Partnerschaften mit der Wirtschaft kümmert, ist klar: „Für Frauen ist es noch ein weiter Weg, bis sie mit den männlichen Gründern gleichziehen können.“ Es fehlen „weibliche Erfolgsmodelle“, sagt sie. SNC-Innovationsberaterin Anat Greemland hat denn auch einen konkreten Rat: „Frauen sollten sich vermehrt Computerwissen aneignen und sich für Naturwissenschaften interessieren.“ Dort seien sie krass untervertreten.

Genau das hat Talia Cohen Solal getan. Die studierte Neurowissenschaftlerin verwendet biologische, medizinische und genetische Daten, um mit ihrem Start-up „Genetika+“ die Depressionsbehandlung zu personalisieren. Ihr Produkt, hofft sie, werde spätestens 2023 auf dem Markt sein – fünf Jahre, nachdem sie ihr Start-up gegründet hat. Derzeit arbeitet sie mit weiteren acht Wissenschaftlern zusammen, sie sind insgesamt sechs Frauen und drei Männer.

Sämtliche 70 Antidepressiva und Antidepressivakombinationen sollen, wenn sie Erfolg hat, aufgrund einer Blutprobe getestet werden können, zudem gestützt auf die Genetik der Patienten, deren Krankheitsgeschichte und individueller neurologischer Biomarker. Damit, so gibt sich Cohen Solal überzeugt, werde eine individuelle medikamentöse Therapie ermöglicht. Die Methode habe den Vorteil, dass eine geringere Dosierung mit weniger Nebenwirkungen möglich sei.

Weil Cohen Solal, eine gebürtige Britin, erst seit vier Jahren in Israel lebt, fehle ihr einerseits das Netzwerk, auf das alteingesessene Israelis zählen können, meint sie. Andererseits sei Israel aber klein, die High-Tech-Community überschaubar und die Leute offen, sodass auch frisch Zugezogene schnell Kontakte knüpfen können.

Der israelische Staat greift zum Mittel der positiven Diskriminierung

Zahlreiche Studien zeigen, dass Frauen risikoscheuer sind und vor dem Misserfolg mehr Angst haben als Männer. Deshalb greift der israelische Staat zum Mittel der positiven Diskriminierung. Frauen können beim Gründen eines Start-ups auf mehr staatliche Hilfe zählen als Männer. „Wir wollen im High-Tech-Sektor damit den Gender Gap reduzieren,“ sagt Hagit Sela-Lidor von der Israel Innovation Authority (IIA), der für die Förderung von Forschung und Entwicklung in Israel zuständigen Regierungsstelle.

Für Forschungs- und Entwicklungsprojekte können Jung-Unternehmerinnen im ersten Jahr von der IIA mit bis zu 75 Prozent der Anfangsinvestition unterstützt werden, Männer können lediglich mit 50 Prozent rechnen.

Zudem hilft den Gründerinnen das „Women Founders Forum“ (WFF), das Unternehmerinnen den Rücken stärken will und ihnen einen Rahmen bis zur ersten großen Finanzierungsrunde offeriert. „Wir bieten ein Netzwerk, das Unternehmerinnen Zugang zu Wagniskapital-Fonds verschafft, aber auch bei Problemen wie Marketingstrategie oder Finanzierung hilft,“ sagt Irit Kahan, die bei DTCP (Deutsche Telekom Capital Partners) in Israel den Wagniskapital-Fonds als Partnerin leitet.

Ähnlich wie in Deutschland plädiert auch Kahan dafür, dass mehr Schülerinnen sich für die klassischen MINT-Fächer, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik interessieren sollen. Der Wandel müsse bereits in der Schule beginnen und später an den Hochschulen fortgesetzt werden, wo Frauen unterrepräsentiert sind. Auch beim Militär gebe es zu wenige Frauen. Das gelte vor allem in den Tech-Einheiten der Armee, die für viele Männer ein Sprungbrett in die Start-up-Szene sind, sagt Kahan: „Deshalb verfügen Männer über die besseren Verbindungen.“

Zum WFF-Netzwerk gehören derzeit über 50 Gründerinnen, die auf die Unterstützung von mehr als 100 aktiven Mentoren zurückgreifen können und zusätzlich auf Anerkennung und Unterstützung von Fonds und den größten Unternehmen zählen können.
Auch Eynat Guez, die das erste von einer Frau gegründete Einhorn leitet, hat zu Beginn ihrer Gründung vom WFF profitiert, weil sie sich austauschen konnte mit ihren Mentorinnen. Inzwischen kann sie selbst Rat geben.

Ihre Firma Papaya Global, sagt die dreifache Mutter, sei für sie wie ein viertes Kind. Sie müsse das „richtige Gleichgewicht“ zwischen allen finden. Ihr Rat: „Distanziert euch vom ,Rollenbild Mutter‘ – aber auch vom Anspruch, eine Superfrau zu sein, die alles selber bewältigt.“

Mehr: „Ich werde noch immer jeden Tag infrage gestellt“, berichtet eine mexikanische Gründerin

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