Unternehmerinnen weltweit: Kristel Groenenboom übernahm mit 23 das Unternehmen ihres Vaters
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Serie: Unternehmerinnen weltweitKristel Groenenboom: „Manchen Kunden habe ich gar nicht gesagt, dass ich die Geschäftsführerin bin“
Kristel Groenenboom übernahm mit 23 Jahren das Familienunternehmen ihres Vaters. Das ist lange her, doch noch immer fällt es manchen Männern schwer, sie als Unternehmerin zu akzeptieren.
Laut der Unternehmerin fehlt es jungen Niederländerinnen an geeigneten Vorbildern - sie will eines sein.
(Foto: PR)
Düsseldorf Verhandeln, Verkaufen und Verantwortung: Ihre ersten unternehmerischen Erfahrungen sammelte Kristel Groenenboom als Kind auf dem Flohmarkt. Trotz ihres jungen Alters verstand sie schnell, dass es wesentlich einfacher ist, Spielsachen zu kaufen als sie später wieder zu verkaufen.
Auch ihr Gefühl für Geld entstand in dieser Zeit, berichtet sie in einer ihrer Kolumnen, die sie für einniederländisches Wirtschaftsmedium schreibt. Wer seinen Flohmarktstand abends nicht ordentlich hinterließ, musste 50 Gulden Strafe zahlen. Frisch verdientes Geld direkt wieder auszugeben tat damals wie heute weh.
Dass sie eines Tages Container verkaufen möchte, wusste Groenenboom schon früh. Mit vier Jahren beschloss sie, einmal das Unternehmen ihres Vaters zu übernehmen, das im niederländischen Oosterhout spezielle Container herstellt und repariert. Damals sei sie regelmäßig mit ihrem Vater auf dem Firmengelände unterwegs gewesen. „Die Männer mit den Helmen, der Geruch der Schweißarbeiten – das hat mich immer fasziniert“, erinnert sie sich.
Mit 23, ihr Wirtschaftsingenieurstudiumhatte sie gerade beendet, übernahm Groenenboom die Firma. Einigen Mitarbeitern, aber auch Kunden, sei es anfangs schwergefallen, sie als neue Chefin zu akzeptieren. Groenenboom war nicht nur eine sehr junge Geschäftsführerin eines Familienunternehmens in zweiter Generation, sondern auch in einer männerdominierten Branche unterwegs.
„Ich musste mich in der Männerwelt erst mal beweisen“, erzählt Groenenboom. Gab es in ihrer Anfangszeit mal ein Problem, hätten Mitarbeiter hinter ihrem Rücken ihren Vater hinzugezogen. Und am Telefon hätten Kunden häufig nach Herrn Groenenboom gefragt. Sie rechneten offenbar nicht mit einer Frau an der Spitze eines Container-Unternehmens. „Manchen Kunden habe ich damals gar nicht gesagt, dass ich die Geschäftsführerin bin, um sie nicht zu verschrecken“, berichtet Groenenboom.
In den ersten Jahren habe sie zunächst wenig am Unternehmen verändert – auch aus Sorge, damit Mitarbeiter oder Kunden vor den Kopf zu stoßen. Mittlerweile ist das anders: „Die Zeiten ändern sich, dann muss sich auch das Unternehmen verändern“, erklärt Groenenboom. Man müsse offen für neue Ideen sein. Insbesondere die große Konkurrenz aus China hat dem Unternehmen in den vergangenen Jahren zugesetzt.
Pools, Fitnessstudios und Wohnungen aus Containern
Gewöhnliche Container herzustellen reicht laut Groenenboom längst nicht mehr aus, man müsse sich von der Konkurrenz abheben. Der Container-Hersteller fokussiert sich deshalb mittlerweile auf Sonderanfertigungen. Die Firma hat bereits eine Kapsel für einen Unterwassereinsatz der Armee, Studentenwohnungen oder auch Fitnessstudios aus Containern hergestellt.
Dass große Veranstaltungen infolge der Pandemie nicht stattfinden konnten, hat auch Groenenbooms Unternehmen getroffen. Der Schaden sei jedoch überschaubar, sagt sie. Ihr Unternehmen hat im vergangenen Jahr trotz Coronakrise vier Millionen Euro Umsatz gemacht. Der Schaden war auch deswegen gering, weil Groenenboom in dieser Zeit ein neues Produkt entwickelte: den Container-Pool. Ein halbhoher Container mit wasserdichter Beschichtung. Die Idee kam gut an. In der Krise fiel für viele Familien die Urlaubsreise aus, Schwimmbäder waren geschlossen. Die Verbraucher investierten stattdessen in Haus und Garten – und in Pools.
Kristel Groenenboom ist mittlerweile 35 und seit über zehn Jahren an der Spitze des Unternehmens.Ihr Name steht auf verschiedenen Listen der erfolgreichsten Unternehmerinnen der Niederlande. Inzwischen wissen Mitarbeiter und Kunden, wer bei Groenenboom die Chefin ist. Manche akzeptieren das mehr, andere weniger.
„Es ist nicht so rosig, wie es aussieht“
Erst vor wenigen Wochen habe ein Anbieter versucht, ihr Solarmodule zu verkaufen. Als Groenenboom ablehnte, machte der Vertreter einen Termin bei einem ihrer Mitarbeiter aus. Auch bei einem Bewerbungsgespräch sei sie zuletzt erst einmal sprachlos gewesen: Ein Interessent sagte ihr ins Gesicht, er habe Probleme damit, sich bei einem technischen Unternehmen zu bewerben, das von einer Frau geführt werde. „Ich war so schockiert, ich wusste einen Moment nicht, was ich sagen sollte“, erzählt Groenenboom.
Dabei liegt der Anteil der Gründerinnen in den Niederlanden mit mehr als neun Prozent vier Prozent höher als in Deutschland. Doch man dürfe sich nicht von der Statistik täuschen lassen, warnt Wilma Henderikse, die für den niederländischen Emanzipationsmonitor die Führungsetagen niederländischer Unternehmen untersucht hat. Zwar habe vor allem die Zahl von weiblichen Soloselbstständigen in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Aber nur wenige von ihnen arbeiten in Vollzeit und beschäftigen eigene Mitarbeitende.
Serie: Unternehmerinnen weltweit
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Kristel Groenenboom übernahm mit 23 Jahren das Familienunternehmen ihres Vaters. Das ist lange her, doch noch immer fällt es manchen Männern schwer, sie als Unternehmerin zu akzeptieren.
In den Niederlanden ist wie in Deutschland das Zuverdienermodell weit verbreitet. Das heißt: Männer arbeiten in Vollzeit, Frauen in Teilzeit. Viele weibliche Soloselbständige tun dies ebenfalls. Das bestätigt auch Sonja Bekker, die an der Universität Tilburg zur europäischen Sozialpolitik und Arbeitsverhältnissen forscht: „Als Selbstständige kann man seine Arbeitszeit flexibel einteilen“, erklärt sie. Das sei aber nur einer von vielen Gründen, ein Gewerbe anzumelden. Als Selbstständige zahle man außerdem geringere Sozialversicherungsbeiträge und weniger Steuern.
Die Niederlande wollen die Zahl der Soloselbständigen reduzieren
„Dafür haben sie aber keinen Anspruch auf eine Rente und erhalten kein Geld, wenn sie krank, arbeitsunfähig oder ohne Aufträge sind“, erklärt Bekker. Eines ihrer aktuellen Forschungsprojekte beschäftigt sich mit Armut unter Berufstätigen – Soloselbstständige sind laut Bekker die gefährdetste Gruppe.
Die Niederlande versuchen aus diesen Gründen aktuell sogar, die Zahl der Soloselbstständigen zu reduzieren. Wichtig ist es laut Bekker, Unternehmerinnen dabei zu unterstützen, mehr zu arbeiten, Mitarbeiter einzustellen und zu wachsen. „Ich denke, die Herausforderung ist, nicht nur auf dem Papier eine Unternehmerin zu sein, sondern damit auch Erfolg zu haben“, fasst Bekker das Problem zusammen. Unterstützen könnte man sie zum Beispiel durch längere Öffnungszeiten von Kindergärten.
Laut Groenenboom fehlt es an weiblichen Vorbildern. Sie will ein mögliches sein. An Schulen und Universitäten berichtet sie darüber, welche Chancen, aber auch Herausforderungen ihr im Alltag als Unternehmerin begegnen. Inzwischen hat sie bereits zwei Bücher zum Thema geschrieben, um so noch mehr Frauen zu erreichen.Jedes Jahr am Girls’ Day führt sie junge Niederländerinnen durch die Schweißerei und hofft, die eine oder andere für einen technischen Beruf zu begeistern.
Ihr Ziel: mehr Frauen in männerdominierten Branchen. Auch in ihrer Firma bemüht sie sich um Vielfalt – wo immer das möglich ist. Aktuell sind unter den 30 Mitarbeitenden nur vier Frauen. Das Problem, das Groenenboom hat, haben auch ihre männlichen Unternehmerkollegen: „Wenn ich Maschinenbauingenieure suche, finde ich fast nur Männer.“
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