Sozialunternehmer Dialoghaus von Gründer Andreas Heinecke steht vor dem Aus

Der erfolgreiche Sozialunternehmer zeigt Menschen in Hamburg, wie Blinde und Taube die Welt erleben.
Düsseldorf Seinen Optimismus hat Andreas Heinecke noch nicht verloren. „Die Gegenwart ist grau, die Zukunft ist rosa“, sagt er und lacht. Als Sozialunternehmer sei er schließlich krisenerprobt. „Krise ist mein Seinszustand.“ Doch dieses Mal wird es auch für den Gründer und Vorstandschef von „Dialog im Dunkeln“ existenziell.
Sein Unternehmen, das 130 Mitarbeiter beschäftigt und 2019 rund 2,7 Millionen Euro Umsatz gemacht hat, steht vor dem Aus. Das Dialoghaus ist eine Institution in der Hamburger Speicherstadt. Rund 1,5 Millionen Menschen haben es seit der Eröffnung vor 20 Jahren besucht, um zu erfahren, wie es sich anfühlt, blind zu sein.
Zudem wurden auch andere Gesprächsformate angeboten wie der Dialog im Stillen mit tauben Menschen. Seit Mitte März ist das Dialoghaus nun aufgrund der Coronakrise geschlossen.
87 Prozent der Einnahmen kommen normalerweise aus den Eintrittsgeldern für Führungen und Veranstaltungen sowie aus exklusiv angebotenen Kursen. Den Rest bringen Spenden und die öffentliche Hand, die eine Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen fördert. „Wir waren immer so stolz, dass wir uns selbst finanzieren“, berichtet der promovierte Philosoph und Gründer Heinecke.
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Diese Selbstständigkeit stellt nun die Herausforderung dar. Denn das Dialoghaus ist weder ein gewinnorientiertes Unternehmen noch eine öffentlich finanzierte Institution wie viele Museen. Es fällt so durch die bisher bestehenden Rettungsnetze.
Die Kreditsicherung durch die KfW-Bank etwa gilt nur für gewerbliche Unternehmen. Auch die Bevölkerung steht hinter der Unterstützung für die Unternehmen.
Auf der anderen Seite reichen die nun von der gemeinnützigen Phineo AG und der KfW Stiftung aufgesetzten Corona-Nothilfefonds, die kurzfristig zivilgesellschaftlichen Organisationen helfen, nicht aus. Heinecke: „Wir sind Opfer unserer Gemeinnützigkeit und unserer mangelnden Kapitalkraft. Rücklagen gibt es bei uns kaum. Gewinne werden reinvestiert.“
Heinecke selbst hat schon viel bewegt. Er sammelte 150.000 Euro private Spenden. Hilfe leisteten unter anderen die Multiaufsichtsräte Ann-Kristin und Paul Achleitner, der C&A-Erbe Stephen Brenningkmeijer sowie die BMW-Stiftung. „Andreas Heinecke verbindet tiefe Menschlichkeit mit dem Willen, Diskriminierung mit unternehmerischen Mitteln anzugehen“, erklärt Ann-Kristin Achleitner ihr Engagement.
Zudem insistierte Heinecke bei Politikern so erfolgreich, dass nun ein Antrag der Bundestagsfraktion der Grünen vorliegt, in dem diese einen „Rettungsschirm Zivilgesellschaft“ in Form einer Soforthilfe für gemeinnützige Organisationen fordert.
Heinecke plant Social-Science-Center für Hamburg
Heinecke kämpft nicht nur, um den Status quo zu erhalten. Der 64-Jährige, der 2005 von der internationalen Organisation Ashoka als erster Sozialunternehmer in Westeuropa ausgezeichnet wurde, hat große Pläne. Er will in Hamburg in drei Jahren das weltweit erste Social Science Center eröffnen. Es soll ein Treiber für den sozialen Wandel werden. Immerhin: Die ersten Corona-Lockerungen sind schon geplant.
Zudem setzt Heinecke darauf, dass nach der Krise der Beratungs- und Erfahrungsbedarf besonders groß sein wird, und seine – auch für Führungskräfte aufgelegten – Kurse sehr gut nachgefragt werden. Er sagt: „In dieser Zeit der Unsicherheit und Herausforderung ist es wichtig, dass wir auch an morgen glauben. Und daran arbeiten.“
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