Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Spirituosenhersteller Aperol und E-Commerce: Bob Kunze-Concewitz holt Campari aus der Krise

Der Spirituosenhersteller musste in der Pandemie umbauen: Supermärkte statt Bars, Onlineshop statt Restaurant. Der Umsatz ist nur wenig geschrumpft. Die Gruppe kommt gestärkt aus der Krise.
23.06.2021 - 11:54 Uhr Kommentieren
Der Österreicher mit türkischen Wurzeln führt den Spirituosenkonzern seit 14 Jahren und schaut immer nach spannenden Übernahmekandidaten. Quelle: Campari
Bob Kunze-Concewitz

Der Österreicher mit türkischen Wurzeln führt den Spirituosenkonzern seit 14 Jahren und schaut immer nach spannenden Übernahmekandidaten.

(Foto: Campari)

Mailand Als sich die Pandemie vor mehr als einem Jahr in Europa ausbreitete, musste Bob Kunze-Concewitz schnell reagieren. Das Unternehmen, das der Österreicher seit 14 Jahren führt, ist extrem abhängig von Hotellerie und Gastronomie, von Bars und Diskotheken. Die Campari-Gruppe aus Mailand macht dort normalerweise 40 Prozent ihres Umsatzes.

Kunze strukturierte innerhalb von Wochen um, fast 800 der 4000 Mitarbeiter wechselten ihren Job: Gastro-Experten kümmerten sich nun um den Einzelhandel, fast 200 Marketingleute schwenkten auf digitale Kanäle um. Sie drehten Clips für Youtube, um den Kunden das Cocktailmixen zu Hause beizubringen. In Italien kauften sie obendrein 49 Prozent der E-Commerce-Plattform Tannico.

Die Verkäufe legten massiv zu, online wie offline. Allein in den USA wuchs Camparis E-Commerce um 500 Prozent. In Großbritannien lagen sie mit ihren Produkten bei Amazon zeitweise noch vor dem Corona-Hit Klopapier. Durch das neue Wachstum konnte Campari die Lockdown-Verluste fast kompensieren: 2020 ging der Umsatz nur um 3,8 Prozent auf 1,77 Milliarden Euro zurück. Corona zum Trotz erwirtschaftete Campari einen Nettogewinn von 202 Millionen Euro (2019: 267 Millionen).

„Es war das intensivste Jahr meiner Karriere“, sagt Kunze, der im Herzen Mailands empfängt: Die Bar „Camparino“ liegt gegenüber dem Dom, am Ende der Luxus-Einkaufsgasse Galleria Vittorio Emanuele II. Hier war Gaspare Campari, Erfinder des roten Bitterlikörs, 1867 mit seinem Café einer der ersten Mieter.

Sein Sohn Davide, in der Galleria geboren, übernahm die Firma und machte sie groß. 1904 eröffnete er die erste Fabrik, direkt neben der Familien-Villa am Rande Mailands, in Sesto San Giovanni. Der Patriarch wollte die volle Kontrolle: Er setzte sich gern ans Ende der Abfüllanlage – um aufzupassen, dass die Mitarbeiter nicht tranken.

Campari schickt Mitarbeiter ins Homeoffice und zahlt Bonus

Dass Kunze diese Anekdote erzählt, hat auch mit dem großen Mentalitätswandel zu tun, den Corona gebracht hat: Der 54-Jährige schickte alle Mitarbeiter ins Homeoffice. Vertrauen statt Kontrolle, und das dauerhaft. Im Unternehmen gibt es nur noch eine Präsenzpflicht von 60 Prozent. Seine Mannschaft habe sich extrem flexibel gezeigt, viel gelernt, sich für die Firma aufgeopfert.

Im November legte auch noch ein Hackerangriff die gesamte IT lahm. „Wir mussten alles händisch machen: Bestellungen, Produktion, Logistik“, erzählt Kunze. Alle „Camparista“ bekamen zum Dank für 2020 ein Monatsgehalt in Aktien. „Auch wenn die Pandemie schmerzhaft war, sind wir dadurch sehr viel agiler und digitaler geworden.“

Weltweit brach der Alkoholkonsum 2020 um 6,2 Prozent ein, rechnet Chris Young vom auf die Getränkeindustrie spezialisierten Analysehaus IWSR Drinks vor. „Der Einbruch war aber geringer als erwartet.“ Der globale E-Commerce legte etwa um 45 Prozent zu, auch der Konsum zu Hause zog stark an.

Italien liege beim Digitalgeschäft, verglichen mit anderen europäischen Ländern, noch zurück. „Aber Corona hat viele Unternehmer dazu gebracht, ihren Fokus verstärkt auf E-Commerce zu richten“, erklärt Analyst Young.

Spirituosen: Pandemie hat Cocktails ins Zuhause gebracht

Die Pandemie hat aber auch die Kunden verändert. Kunze, der in Istanbul geboren wurde und aufwuchs, später in den USA und Manchester Wirtschaft studierte, macht das am Beispiel New York fest. Früher verkauften sie die meisten Drinks in Manhattan, in der Pandemie standen plötzlich die Vororte vorn.

Und: Die Kunden hätten die Barrikade im Kopf überwunden, sich zu Hause selbst einen Cocktail zu mixen. Das erste Quartal 2021 schloss Campari rund zehn Prozent stärker als im Vorjahr.

Kunze, dessen Großvater in den Dreißigern selbst Schnaps herstellte und per Joint Venture die Campari-Marke Cinzano in der Türkei vertrieb, vergleicht die derzeitige Aufbruchstimmung mit den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts. „Die Menschen haben Lust, das Leben intensiv zu genießen“, beobachtet er. Überall in Italien sind Parkplätze neuen Terrassen gewichen. „Wenn ich dann Orange und Rot im Glas sehe, bin ich immer glücklich.“

Rot, das ist Campari. Orange, das ist der größte Verkaufsschlager der Gruppe: Aperol. 2004 übernahm sie die Marke aus Norditalien. Ein Jahrhundertdeal. 14 Prozent des Konzernumsatzes entfallen heute auf Aperol, auf Platz zwei steht Campari mit zehn Prozent, alle anderen Marken sind einstellig.

Die zwei Verkaufsschlager der Gruppe. Quelle: Reuters
Campari und Aperol

Die zwei Verkaufsschlager der Gruppe.

(Foto: Reuters)

Die Kultur des Aperitivo, geboren im Norden, hat sich in ganz Italien etabliert. Kunden kaufen ein Getränk für um die zehn Euro – und bekommen dafür kleine Snacks gratis: Pizzastücke, die gefüllten Reis-Bällchen Arancini, Chips. 0,4 Liter Aperol trinkt jeder Italiener im Schnitt pro Monat. In Deutschland liege dieser Wert bei 0,2 Liter.

Hier konkurriert der Aperitif vor allem mit Bier. „Da ist noch viel Luft nach oben“, sagt Kunze. Ohnehin sei die Marke in vielen Ländern noch sehr jung: In den USA liege die Marktdurchdringung bei gerade mal einem Prozent. Aber schon sei Aperol Spritz, die Mischung mit Prosecco und Sprudelwasser, zu einem Classic Cocktail geworden, so wie Margarita oder Negroni. „Und Klassiker werden sich immer halten.“

Campari-Gruppe: Mehr als 30 Zukäufe in 25 Jahren

Neben Aperol und Campari gehören diverse Whiskys, Rum- und Ginsorten zum Portfolio. Seit 1995 gab es mehr als 30 Zukäufe, zuletzt kam die französische Champagnerdomäne Lallier dazu. Innerhalb von 20 Jahren hat sich der Gruppen-Umsatz vervierfacht. Mittlerweile sind die Mailänder das sechstgrößte Unternehmen bei den Premium-Spirituosen. Seit die Aktie im Jahr 2001 an der Mailänder Börse gehandelt wird, hat sich der Wert der Anteilsscheine mehr als versechzehnfacht.

Der Austausch mit der Familie Campari, die noch immer 51 Prozent der Firma hält, funktioniere wunderbar, sagt Kunze. Verwaltungsrats-Präsident Luca Garavoglia und seine Schwester Alessandra mischten sich nicht ins Tagesgeschäft ein. „Niemand in der Familie hat das Recht, in der Firma zu arbeiten, das haben sie selbst so festgeschrieben“, sagt Kunze.

Die Garavoglias dächten sehr langfristig, Jahr um Jahr müsse Kunze sie überzeugen, doch bitte eine Dividende auszuzahlen. „Sonst würden sie das alles ins Geschäft investieren.“

Wichtigster Absatzmarkt bleiben die USA, dort macht Campari 32 Prozent des Geschäfts, danach kommt Italien mit 15 Prozent. Deutschland ist mit sechs Prozent drittwichtigster Markt.

Was hier nach Aperol am besten läuft? Ouzo 12. „Den Schnaps verkaufen wir in Deutschland fünfmal mehr als in Griechenland“, sagt Kunze. Konkrete Angebote für neue Marken lägen gerade nicht vor. Aber Kunze, der vor seiner Zeit in Mailand das globale Marketing bei Procter & Gamble verantwortete, schaut immer nach neuen Übernahmekandidaten, Auktionen, spannenden Start-ups. „Wenn sie zum Portfolio passen, dann schlagen wir zu.“

Mehr: Der Schuhhersteller Goldstar produziert seit 40 Jahren Sandalen. Nun streiten die Norditaliener mit dem deutschen Konkurrenten Birkenstock – über Sohlen und Design.

Startseite
Mehr zu: Spirituosenhersteller - Aperol und E-Commerce: Bob Kunze-Concewitz holt Campari aus der Krise
0 Kommentare zu "Spirituosenhersteller: Aperol und E-Commerce: Bob Kunze-Concewitz holt Campari aus der Krise"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%