Start-up Luminovo Dieser Gründer will mit KI die Entwicklung von Elektronikprodukten beschleunigen

Der Gründer von Luminovo sammelte 2,6 Millionen Euro in der ersten Finanzierungsrunde ein.
München Es war schon ein sehr namhafter Jahrgang, der sich vor rund sieben Jahren am gemeinsamen Center for Digital Technology and Management (CDTM) der TU und LU München versammelt hatte: Dazu gehörten die ehemalige Facebook-Managerin Judith Dada, die inzwischen als Partnerin bei der renommierten Venture-Capital-Gesellschaft La Famiglia reüssiert, und Hanno Renner, der erfolgreiche Gründer von Personio. Und neben Thomas Pischke (Trade Republic) und vielen weiteren späteren Gründern war auch Sebastian Schaal dabei. Der 29-jährige Münchener will mit seinem Start-up Luminovo den Prozess zwischen einer Produktidee und der Entwicklung marktreifer elektronischer Hardware mit einer ganz neuen, auf Künstlicher Intelligenz basierenden Software erheblich beschleunigen.
Schaal ist an diesem sonnigen Corona-Morgen in die fast menschenleere Maxvorstadt im Zentrum Münchens gekommen, um über sein Produkt und seine Geschäftsidee zu sprechen. Der schlanke, sportliche Gründer sagt: „Der Prozess von einer Idee bis zum fertigen Elektronikprodukt hat zuletzt kaum Innovation erfahren. Die Menschen arbeiten mit veralteter Software in Datensilos an oft repetitiven Aufgaben.“
Und weiter: „Wir sind der Meinung, dass es an der Zeit ist, diesen Prozess zu digitalisieren und zu vereinheitlichen und eine Art neues Elektronik-Betriebssystem für den Entwicklungs- und Fertigungsprozess zwischen dem Designer sowie dem Hersteller des finalen Produkts zu entwickeln.“
Einige seiner ehemaligen Kommilitonen am CDTM glauben offenbar an seine, wie er es sagt, „Vision“: Judith Dada ist mit La Famiglia als Investorin eingestiegen, und Hanno Renner begleitet die Geschäftsentwicklung von Luminovo als investierter Business Angel gar noch enger. Beide verfolgen gespannt, ob Schaal und seinen derzeit etwa 20 Mitarbeitern der digitale Brückenbau mit der Etablierung eines neuen KI-basierten Betriebssystems bei der Elektronikproduktion tatsächlich gelingt.
Zeitersparnis in der Entwicklung
Das Geschäftsmodell klingt zunächst einmal sehr technisch. Um es mit anderen, nicht gar so fachspezifischen Worten auszudrücken und an einem rein fiktiven Beispiel zu veranschaulichen: Siemens oder Bosch beispielsweise könnten auf die Idee kommen, ein neues Diagnosegerät auf den Markt zu bringen, um etwa Coronaviren viel schneller und leichter nachzuweisen.
Dazu würde der auftraggebende Konzern zunächst eine Projektskizze formulieren samt einem ausführlichen Anforderungskatalog, was das neue Gerät alles umfassen und können sollte. Dieser Katalog würde schließlich, um im fiktiven Beispiel zu bleiben, als technischer Bauplan an verschiedene Auftragsfertiger versandt – mit der Bitte, eine Kalkulation und einen Zeitplan für die Produktion der wesentlichen Gerätekomponenten abzugeben.
In dieser Phase geht es meist um das Aufbereiten und Anreichern von Stücklisten, die die zur Herstellung notwendigen Elektronikbauteile in großer Detailtiefe erfassen. Das sind oft Übersichten mit mehreren Hundert Positionen samt Typologie und Einzelpreisen. Eine Arbeit, die viel Zeit braucht, zudem als fehleranfällig und monoton gilt.
In der Endausbaustufe soll das Programm schließlich auch schon beim Auftraggeber einsetzbar sein, damit dort frühzeitig ersichtlich wird, ob die Idee für ein neues Produkt überhaupt realisierbar ist. Derzeit, so erklärt es Schaal, geht an dieser Stelle viel Zeit verloren, weil der Bauplan für ein neues Produkt zunächst ausführlich angefertigt wird und sich oft erst im weiteren Verlauf bei der Kostenkalkulation herausstellt, dass er sich womöglich nicht wie geplant umsetzen lässt.
Klingt kompliziert – und ist es wohl auch, zumindest für technische Laien. Nicht aber für die Experten, die bereits mit Luminovo arbeiten. Das sind aktuell 13 meist mittelständische Unternehmen, die Elektronikprodukte im Auftrag fertigen und die Schaal in „Entwicklungspartner“ und „Pilotkunden“ aufteilt. Darunter sind Firmen wie die Augsburger BMK Group, Kessler Systems in Königseggwald oder die Limtronik GmbH in Limburg.
Dessen Geschäftsführer Gerd Ohl lässt sich mit den Worten zitieren: „Die Schätzung der Herstellungskosten für eine neue Baugruppe war immer ein mühsamer und zeitaufwendiger Prozess. Die Software hilft dabei, den Ansatz grundlegend zu überdenken.“ Ralf Hasler, CEO der Lacon Electronic GmbH in Karlsfeld, formuliert es so: „Wir bewegen uns nun weg von unseren Excel-basierten Prozessen hin zu einem wirklich digitalen Zeitalter der Prozesssysteme.“
Gründer Schaal übersetzt das in bestes Marketingdeutsch wie folgt: „Die Durchlaufzeit von Angeboten lässt sich von Wochen auf Tage kürzen, was einen Wettbewerbsvorteil und mehr Zeit für andere Tätigkeiten schafft“. Die gesamte Wertschöpfung im Bereich des Designs bis zu marktreifen Elektronikprodukten, also den Erlös ebendieser Hardware abzüglich der Materialaufwendungen, die Luminovo langfristig im Visier hat, schätzt der Branchenverband ZVEI global auf jährlich knapp 3,4 Billionen Euro.
Ganzheitlicher Ansatz vom Design bis zur Fertigung
Groß zu denken und gleich ein ganz neues Betriebssystem etablieren zu wollen hat Schaal womöglich in seiner Zeit in Stanford gelernt. Im Masterstudium beschäftigten sich er und sein Mitgründer Timon Ruban in Kalifornien erstmals intensiv mit Künstlicher Intelligenz und Deep Learning. Zurück in Deutschland gründeten beide Luminovo zunächst als eine Art KI-Beratung, ehe die Idee mit der Elektronikindustrie reifte.
Investoren waren rasch überzeugt: 2,6 Millionen Euro spülte die erste Finanzierungsrunde in die Kasse des Start-ups. Geld, das erst mal bis 2022 reichen soll und das überwiegend von den renommierten Venture-Capital-Fonds Cherry und La Famiglia kam.
Judith Dada, Schaals frühere Kommilitonin und General Partner bei La Famiglia sagt: „Mit einer Plattform für Electronic Manufacturing Services hebt Luminovo den Elektronikmarkt in die Welt moderner Software, die kollaboratives Arbeiten und optimale Datennutzung ermöglicht. Diese Strategie setzt initial am Kern der Elektronikherstellung an und ermöglicht so den Aufbau digitaler Prozesse entlang der Wertschöpfungskette.“
Und Ex-Mitstudent, Business Angel und CEO von Personio, Hanno Renner, sagt: „Luminovo steigt in eine Branche ein, die die Leitindustrie für die Digitalisierung darstellt. Der Bedarf an elektronischen Produkten sowie der Druck auf Unternehmen nach verkürzter Innovationsgeschwindigkeit wird sich in den nächsten Jahren weiter erhöhen.“
Diese positive Markteinschätzung spiegelt sich auch in einem, wie es Gründer Schaal offen zugibt, „lebendigen und anspruchsvollen Konkurrenzumfeld“ wider. Insbesondere das amerikanische IT-Unternehmen CalcuQuote, das inzwischen zum finnischen Telekommunikationskonzern Elisa gehört, digitalisiert und vernetzt ebenfalls einst Excel-basierte Prozesse und überträgt diese wie auch Luminovo bereits in eine Cloud-Anwendung.
Als größten Wettbewerbsvorteil gegenüber dem amerikanischen Konkurrenten CalcuQuote sieht Schaal, dass Luminovo nicht bei der Verbesserung der Angebotsprozesse haltmachen will, „sondern einen ganzheitlichen Ansatz vom Design bis zur Fertigung verfolgt".
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