Takafumi Horie Dieser Japaner fordert Elon Musk heraus

Der Raumfahrtpionier tanzt gerne aus der Reihe.
Tokio Die USA haben den Tesla-Gründer Elon Musk, der den Weltraum erobern will. Japan hat Takafumi Horie, ein kaum weniger exzentrisches unternehmerisches Stehaufmännchen. Zum Pressegespräch kommt er nicht wie der Chef seines Weltraumunternehmens in einer Montageuniform oder wenigstens im Anzug, wie es jeder normale japanische Konzernchef machen würde. Er hat sich ein schwarzes T-Shirt übergestreift, das Werbung für eines seiner kulinarischen Projekte macht.
Aber in Japan ist man bei ihm daran gewöhnt, dass er aus der Reihe tanzt. Immerhin hat er es als schwarzes Schaf der Japan AG geschafft, zu einem Helden zu werden. Der frühere Internetunternehmer kennt auch das japanische Gefängnis von innen: wegen eines Wertpapierbetrugs saß er zweieinhalb Jahre im Knast.
Aber daheim ist er mit 3,2 Millionen Followern auf Twitter noch immer ein Star. Am 3. Mai ist er nun sogar in den Klub privater Weltraumfahrer aufgestiegen. 113 Kilometer flog Hories Rakete Momo-F3 in die Höhe. Damit durchstieß sie die Kármán-Linie, die als Grenze zwischen Luft- und Raumfahrt gilt.
Weniger Spektakel als bei Elon Musk
Der Flug sei ein „Meilenstein“, jubelte Horie, als er ein paar Tage später einer kleinen Gruppe ausländischer Journalisten seine Weltraumstrategie vorstellte. Schließlich gebe es nur wenige private Firmen, denen das gelungen sei. Der Anspruch wirkt zwar etwas vermessen. Die derzeit stärkste Rakete der Welt, die Falcon Heavy von Musks Start-up Space X, ist 70 Meter lang, Hories Erstling gerade mal 9,90 Meter.
Auch die Fracht war beim Testflug weit weniger spektakulär. Musk schoss als Marketinggag eines von Teslas Elektroautos in eine Umlaufbahn um die Sonne, Horie nur kurzzeitig einen Sensor und einen Hamburger ins erdnahe All. Aber ein persönlicher Meilenstein bei seiner eigenen ambitionierten Mission war die Momo gewiss.
Nicht der Mond oder der Mars sind sein Fernziel, sondern benachbarte Sonnensysteme. Das macht schon der Name seines Weltraum-Start-ups klar, das er 2013 gründete: Interstellar Technologies. Nach dem Erfolg der Momo, die für kurze Experimente in der Schwerelosigkeit und als Werbeträger für Firmen gedacht ist, will Horie nun höher hinaus.
Sein Unternehmen beherrsche nun die Technik, sagte der Japaner. Daher glaube er, dass sein Team schnell zu den privaten Weltraumpionieren aufschließen könne. Innerhalb der nächsten drei Jahre will er mit „Zero“ eine größere Rakete entwickeln, die bis zu 100 Kilogramm schwere Minisatelliten in eine Erdumlaufbahn befördern kann. Nach weiteren drei bis vier Jahren soll eine große Rakete folgen.
In Japan feiern seine Anhänger Horie als Visionär. Nicht nur seine Fans finanzieren die Starts durch Crowdfunding-Kampagnen, sondern auch besser situierte Investoren. Einer ist der Gründer des Investmentfonds Rheos Capital Works, Hideto Fujino. Erst war dieser skeptisch. Aber Horie sei ein Freund, erklärte Fujino einst.
Eher Träumer als Geschäftsmann
Und so wurde er zum Sponsor und nutzt die Rakete nun als Werbeträger für seinen Fonds Hifumi. Inzwischen hat Horie ihn mit seinem Raketenfieber angesteckt. Ihm seien die Tränen gekommen, als er die Himmelfahrt der Rakete gesehen habe. „Ich glaube, dass das Raumfahrtgeschäft das Potenzial hat, zu einer zweiten Internetindustrie zu werden.“
Unter ausländischen Experten gilt der Japaner aber eher als Träumer. Besonders die Wahl der Startbasis auf der nordjapanischen Insel Hokkaido weckt Zweifel am kommerziellen Erfolg. „Sie brauchen einen anderen Ort, um Fracht auf nützliche Umlaufbahnen zu schießen“, meint ein Vertreter eines Rivalen.
Und bessere Orte seien teuer, ein Nachteil im immer härteren Kampf ums Satellitengeschäft. Inzwischen entwickeln bereits mehr als 100 Start-ups eigene Raketen, berichtet der Branchendienst Spacenews. „Da steht eine harte Auslese bevor“, orakelt der Experte.
Doch Horie, der Science-Fiction-Fan, ist entschlossen, sich einen Jugendtraum zu erfüllen. Er sei fest davon ausgegangen, als Erwachsener einfach ins All reisen zu können, erinnert sich der heute 46-Jährige, der wegen seiner früheren Ähnlichkeit mit der japanischen Zeichentrick-Roboterkatze Doraemon den Spitznamen Horiemon trägt. Doch ernüchtert stellte er dann in den 2000er Jahren auf dem ersten Höhepunkt seiner Karriere fest, dass er sich mit all seinem Reichtum weiterhin nur Flugreisen kaufen konnte.
Nur hatte er anderen enttäuschten Träumern drei Dinge voraus: Ruhm, Geld und Rebellentum. 1996 gründete er sein Internet-Start-up mit dem programmatischen Namen Livin’ On the Edge. Er übernahm das Internetportal Livedoor, das er nach einem Konflikt mit dem Gesetz allerdings verlor.
Die Haft unterbrach seinen Tatendrang nur kurz, seine Popularität kein bisschen. Gleich nach seiner Freilassung gründete er sein Weltraum-Start-up, denn er und sein Team glaubten, das höchste Hindernis für Allreisen überwinden zu können: die hohen Kosten.
Erstens will er Motoren und auch die Steuerung von Raketen aus handelsüblichen Bauteilen zusammensetzen. Außerdem versucht Horie im Gegensatz zu Musk nicht, wieder verwendbare Rakete zu entwickeln. Denn die Massenproduktion von Einwegraketen ist seiner Meinung nach billiger.
Horie erkennt für sich eine Chance
Sein Humor half ihm, über die üblichen Startschwierigkeiten von Weltraumunternehmen hinwegzukommen. Momos Jungfernflug im Jahr 2017 endete nach 66 Sekunden, der zweite Versuch bereits kurz nach dem Start in einem Feuerball. Doch als Werbung war der Fehlschlag erfolgreich, witzelt Horie. „Das Video von der Explosion war recht hübsch und wurde weltweit von mehr als 20 Fernsehsendern ausgestrahlt.“
Doch nun wittert Horie einen großen Markt in asiatischen Ländern, die sich kein eigenes Weltraumprogramm leisten können. Jeder Start habe Sponsoren, die Namensrechte erwerben oder wie mit dem Hamburger Werbung machen könnten.
Mit der Rakete Zero würde zudem die Kundschaft für Satellitenstarts wachsen, so Horie. Er rechnet mit neuen Märkten, zum Beispiel für Unterhaltungsangebote. „Da werden Ideen aufkommen, über die wir heute noch nicht nachgedacht haben“, sagt der Musk-Herausforderer.
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