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Trumpf eröffnet Smart Factory in Chicago „Das ist der Traum jedes Blechfertigers“

Der deutsche Maschinenbauer Trumpf wächst stark in den USA, es gibt fast keine Konkurrenz. Gerade haben die Schwaben in Chicago eine Smart Factory eröffnet. Es könnte alles so schön sein – wenn da nicht Donald Trump wäre.
14.09.2017 - 13:26 Uhr Kommentieren
„Für mich ist es eine Pflicht, schöne Gebäude zu errichten. Die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen“, sagt Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller. Quelle: Trumpf
Smart Factory von Trumpf in Chicago

„Für mich ist es eine Pflicht, schöne Gebäude zu errichten. Die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen“, sagt Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller.

(Foto: Trumpf)

Chicago Das Glas reicht vom Boden bis zum Dach, umgeben von einem schicken schwarz-eloxierten Aluminiumrahmen. Dazwischen stehen Stahlträger, die zwar nagelneu sind, aber alt-rostig gestrichen wurden – eine kleiner Spaß der Architekten, der auf den Standort der Fabrik verweisen will: Mitten im Rostgürtel, wie die Region wegen der verarbeitenden Industrie in Amerika genannt wird.

Die neue Fabrik von Trumpf in der Nähe von Chicago fällt auf. Auch nach dem Eintreten erinnert sie mehr an ein Designerhotel als einen Produktionsstandort für Blechverarbeitung. Geschickt verkohlte Holzwände, polierter Betonboden, ein „Skywalk“ in der Fabrikhalle, überall erwartet der Besucher gleich eine Cocktailbar. „Für mich ist es eine Pflicht, schöne Gebäude zu errichten, die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen“, sagt Nicola Leibinger-Kammüller.

Die Chefin des Maschinenbauers ist eigens aus dem Schwabenland angereist, um das Werk vor wenigen Tagen zu eröffnen. Der US-Markt ist aufgrund seiner Größe von entscheidender Bedeutung. Die Geschäfte laufen prächtig, amerikanische Konkurrenz gibt es so gut wie nicht, der Marktanteil liegt sehr hoch. Die Kunden schätzen deutsche Innovation, die Trumpf mit der neuen „Schlauen Fabrik“ demonstrieren will: Alles ist digitalisiert, jede Schraube meldet sich zur Arbeit.

Wenn da nicht Donald Trump wäre. Der Präsident macht der Firmenleitung zu schaffen, könnte Importzölle einführen, um amerikanische Arbeitsplätze zu schützen. „Das wäre eine kritische Sache für uns“, sagt Mathias Kammüller, Geschäftsführer, Digitalchef und Ehemann, in der nüchtern-alarmierenden Art eines Ingenieurs. Seine Frau formuliert es etwas anschaulicher: „Gerade unsere Industrie, der Maschinen- und Anlagenbau, braucht freie Märkte wie der Mensch die Luft zum Atmen!“.

Das sagte die Trumpf-Chefin in Chicago vor hunderten geladenen Gästen, von denen nicht wenige Trump gewählt haben dürften. Politischen Themen in einer Einweihungsrede, das ist in den USA eine eher heikle Sache. Aber Leibinger-Kammüller ist es gewohnt, ihre Meinung zu sagen: „Halten Sie mich für feige?“

„Wenn wir den Flughafen in Berlin gebaut hätten, dann sähe der heute anders aus“. Quelle: Trumpf
Außenansicht der Smart Factory

„Wenn wir den Flughafen in Berlin gebaut hätten, dann sähe der heute anders aus“.

(Foto: Trumpf)

Für Trumpf steht einiges auf dem Spiel. Die Firma setzte 2016 insgesamt 3,1 Milliarden Euro um, dabei ist Amerika mit 412 Millionen Euro nach Deutschland der wichtigste Einzelmarkt. Die Kasse klingelt, das Geschäft wächst in den USA: 14 Prozent im vergangenen Jahr, drei Prozentpunkte höher als der Gesamtumsatz von Trumpf. Auch in diesem Jahr will die Firma ähnlich stark in den USA zulegen. „Ich sehe ein immenses Potenzial“, sagt Leibinger-Kammüller

Die US-Wirtschaft wächst prächtig. Für Trumpf wichtige Branchen wie Transport, Logistik oder Landwirtschaft erholen sich von einer langjährigen Flaute. Beispielsweise gehen die Geschäfte von Landmaschinenhersteller John Deere wieder besser, einem wichtigen Kunden der Firma. „Am Anfang der Trump-Regierung herrschte reiner Optimismus“, sagt Peter Höcklin, US-Chef von Trumpf, „jetzt aber sind die Kunden wirklich richtig beschäftigt, weiten ihre Kapazitäten aus“.

Trumpf profitiert von Trump. Wenn da nicht das Damoklesschwert der Zölle wäre. Trumpf stellt in Mexiko die Maschinenrahmen her, die sie in die USA holt. Aus Europa importiert es Laserkomponenten für seine Fabrik in Fairmont im Bundesstaat Connecticut. Insgesamt beläuft sich in den USA die Fertigungstiefe laut Mathias Kammüller auf 20 Prozent. Mit anderen Worten: Bis zu 80 Prozent der Produktion sind von Zöllen bedroht. Was den Geschäftsführer besonders ärgert: Nicht wenige der Maschinen und Laserdioden führt Trumpf wieder aus den USA aus, nicht zuletzt als „Kapazitätspuffer“ wie etwa für die derzeitig hohe Nachfrage aus Deutschland.

Was würde Trumpf tun, wenn Zölle eingeführt würden? Produktion in die USA verlegen? „Wenn sich die Lage verschärft“, sagt Leibinger-Kammüller, „dann könnten wir uns das überlegen“. Was für die Firma ein Unding wäre. „Wir haben Standorte noch nie aus politischen Gründen ausgesucht“, sagt Mathias Kammüller. Maßgeblich sind der Umsatz vor Ort, wie viele Lieferanten in der Nähe sind, wie lang die Transportzeiten zum Kunden sind und wie sehr Fachkräfte zur Verfügung stehen – laut dem Geschäftsführer ein großes Problem in den USA.

Zeichen der Zukunft

Die „Smart Factory“ vor den Toren Chicagos plante Trumpf schon vor mehr als drei Jahren – also lange vor Trumps Wahlsieg. Kostenpunkt: 13 Millionen Euro. Wie es sich für ein schwäbisches Unternehmen gehört, haargenau so viel Geld, wie anfangs veranschlagt wurde. „Wenn wir den Flughafen in Berlin gebaut hätten“, sagt Leibinger-Kammüller, „dann sähe der heute anders aus“. Aber die exakte Planung hat auch noch einen familiären Grund. Entworfen hat die Fabrik ihre Schwester Regina Leibinger mit ihrem amerikanischen Ehemann Frank Barkow. Die Architektin ist die einzige der drei Leibinger-Kinder, die nicht in der Unternehmensführung arbeitet. Die erfolgreiche Architektin lebt in Berlin und beschränkt sich auf ein Aufsichtsmandat. Mit ihrem Mann hat sie schon einige anspruchsvolle Bauten für das Unternehmen erstellt, ist aber auch außerhalb des Konzerns sehr erfolgreich.

Die Fabrik in Chicago ist ein Zeichen der Zukunft. Sie ist ein Prototyp für andere Märkte, in zwei Jahren soll in Deutschland ein ähnliches Werk eröffnet werden. Der Maschinenbau digitalisiert sich, Schlagwort Industrie 4.0: Jedes Betriebsteil wird an einen Sensor gehängt, die Firma weiß zu jedem Zeitpunkt, wie das gefertigte Blechteil aussieht oder wo sich die Lieferteile befinden, die für den nächsten Produktionsschritt nötig sind. „Wo sind die Lieferteile?“ – das sei die Hauptsorge der Kunden, sagt Jürgen Prokop, bei Trumpf für Werkzeugtechnik verantwortlich.

In der Smart Factory können sich potenzielle Käufer der Trumpf-Maschinen selbst ein Bild von der Zukunft machen: Ein Kontrollraum, der an die Brücke von Raumschiff Enterprise aus der Kult-Serie Star Trek erinnert – nur das hinter der Glasscheibe nicht das Weltall zu sehen ist, sondern mehrere Trumpf-Maschinen. Auf die Glasscheibe wird ein Computer-Bildschirm projiziert, auf dem Mitarbeiter die Produktion verfolgen, analysieren und verändern können. „Das ist der Traum jedes Blechfertigers“, sagt Fabrikchef Tobias Reuthers.

Die amerikanischen Kunden zeigen sich aufgeschlossen, wollen in die neue Technik investieren. „In Deutschland sind sie noch sehr gespalten“, sagt Mathias Kammüller, je nach Alter halten sie es für eine Mode oder eine Notwendigkeit. Anders in den USA, da wird nicht so lange gefackelt. „Industrie 4.0 stellt eine große Chance für uns dar“, sagt der Geschäftsführer.

Digitale Technik wandelt das Geschäftsmodell von Trumpf: Weg von Hardware, hin zu lukrativer Dienstleistung und Software. Derzeit erlöst die Firma insgesamt 20 Millionen Euro mit Software, der Betrag soll sich in fünf Jahren verzehnfachen. Verstärkt schaut sich Trumpf im Silicon Valley um, will sich an Startups beteiligen oder sie gleich kaufen. Schon jetzt verändert sich die Unternehmenskultur des Mittelständler, meint Werkzeugtechnikchef Prokop: „Mit den vielen neuen IT-Leuten in der Firma gehen wir anders an Probleme heran“.

Leibinger-Kammüller kennt das Land besser als viele Deutsche. Sie ist Amerikanerin, wurde in Ohio geboren. Nach US-Recht reicht das für eine Staatsbürgerschaft, auch wenn sie deutsche Eltern hat und in Deutschland aufgewachsen ist. 1980 verbrachte sie ein Auslandssemester an einem College in Vermont. Die Hurrikane in Texas und Florida hätten wieder gezeigt, wo die Stärke Amerikas liegen, sagt sie: „In der Gemeinschaft“. Aber das wird eher zur Ausnahme. „Das Land ist so viel mehr gespalten als damals“, erinnert sie sich. „Das mag wegen Trump sein oder ein Grund dafür sein, dass Trump gewählt wurde“. Aber eines ist sicher: „Ich fühle mich sehr traurig“.

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