Veganer Fleischersatz Food-Start-up Planted sammelt 19 Millionen Franken ein – auch Vorwerk-Gruppe gibt Geld

Lukas Böni, Pascal Bieri, Eric Stirnemann und Christopher Jenny (v.l.n.r.): Die Gründer von Planted wollen auf dem Markt für veganen Fleischersatz wachsen – und haben dafür neue Investorengelder eingeworben.
Zürich Der Hype um veganen Fleischersatz löst bei vielen Gastronomen noch immer Schaudern aus. So gilt die TV-Köchin und Europa-Politikerin Sarah Wiener als prominente Kritikerin von pflanzlichen Burgern von Marken wie Beyond Meat oder Impossible Foods. Angesichts der vielen Zusatzstoffe und der starken industriellen Verarbeitung der Fake-Frikadellen sagte Wiener kürzlich der „FAZ“, der Fleischersatz-Boom sei für sie „das Grauen 4.0“.
Die Gründer von Planted, einem Schweizer Start-up, das veganes Hähnchenfleisch aus Erbsen herstellt, treten diesem Vorwurf mit zwei Strategien entgegen: Sie verzichten auf künstliche Geschmacksstoffe – und setzen auf Kooperationen mit Gastronomen. Lukas Böni, der für die Produktentwicklung zuständige Co-Gründer sagt: „Wir wollten weder eine ellenlange Zutatenliste haben noch mit genmanipulierten Zutaten arbeiten.“ Sein Gründerkollege Christoph Jenny, verantwortlich für die Finanzen, ergänzt: „Wir haben zuerst die Gastronomie beliefert. Mit dem Feedback der Köche haben wir die Produkte weiterentwickelt.“
Die beiden Strategien der Schweizer haben sich ausgezahlt: Planted hat über eine Serie-B-Finanzierungsrunde 19 Millionen Schweizer Franken (rund 17,7 Millionen Euro) frisches Geld eingesammelt, wie das Unternehmen am Dienstag bekannt gab. Zu der Bewertung schweigen die Unternehmer – nicht jedoch zu den Investoren: Unter den Geldgebern ist unter anderem Vorwerk Ventures, der Wagniskapitalarm des Wuppertaler Familienkonzerns. Mit dem Geld will Planted die internationale Expansion der Marke vorantreiben und neue Fleischersatz-Sorten entwickeln.
Planted produziert seine Ware in einer stillgelegten Maggi-Fabrik im Umland von Zürich – und wächst rasant: Inzwischen beschäftigt das Start-up über 100 Mitarbeiter. Anfang 2020 waren es noch 15 Festangestellte – plus studentische Aushilfen. In Branchenkreisen bescheinigt man dem Start-up beachtliche Erfolge gegen einen scheinbar übermächtigen Konkurrenten: Nestlé. Der Nahrungsmittelriese drängt mit seiner Fleischersatzmarke Garden Gourmet in die Supermärkte und Fast-Food-Restaurants weltweit.
Doch auf dem Weg zum Millionen-Funding war viel Tüftelei nötig: Planted entstand 2017 als Ausgründung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Neben Böni und Jenny gehören noch Pascal Bieri und Eric Stirnemann zum Kreis der Gründer.
Kooperationen mit Gastronomen halfen beim Marktstart
Böni, promovierter Lebensmitteltechniker, sagt: „Wir haben über zwei Jahre geforscht, bis wir unseren ersten Prototypen entwickelt haben.“ Dabei hatten die Gründer statt Burger-Patties früh Hähnchengeschnetzeltes im Blick: Fleisch, das selbst keinen starken Eigengeschmack hat und oft in stark gewürzten Soßen serviert wird. Böni sagt: „Uns war es wichtig, dass das Ausgangsprodukt keinen Fehlgeschmack hat, den man mit Geschmacksstoffen wieder vertuschen muss.“
Auch im Vertrieb wählte das Planted-Team einen anderen Ansatz: Statt auf den Durchbruch im Supermarkt zu hoffen, gab es Planted-Produkte zunächst nur in ausgewählten Lokalen. „Unsere ersten Influencer waren Restaurants“, sagt Co-Gründer Jenny. In der Schweiz konnten sie dabei unter anderem auf den Promi Rolf Hiltl zählen, den Chef der vegetarischen Restaurantkette Hiltl. „Wirklich empfehlenswert und eine Bereicherung“, lobt Hiltl, dessen Familie sei 1898 ein vegetarisches Restaurant betreibt, das pflanzliche Hähnchenfleisch.
Hiltl und andere Gastronomen druckten Gastronomen das Planted-Logo auf die Speisekarten. Das Ergebnis: Die ersten Packungen Planted-Hähnchen seien über Restaurant-Theken verkauft worden, berichtet Jenny. Im August 2019 folgte der Webshop, erst Anfang 2020 kam der Marktstart in Schweizer Supermärkten.
Planted profitierte davon, sich in einem kleinen, aber kaufkräftigen Markt ausprobieren zu können: „Die Schweiz ist ein super Testmarkt für neue Lebensmittel“, sagt Jenny. „Die Einzelhändler sind sehr offen für Start-ups. Auch beobachten wir in der Schweiz eine große Bereitschaft, etwas Neues auszuprobieren.“
Daten für pflanzliche Proteine
Gleichzeitig sei der Preisdruck nicht ganz so ausgeprägt wie beispielsweise in Deutschland. „Man muss zum Start noch nicht ultra-wettbewerbsfähig sein, um die ersten Einheiten verkaufen zu können“, so Jenny. Inzwischen ist der Sprung in erste deutsche Edeka-Märkte geschafft – weitere sollen folgen.
Parallel dazu entwickeln die Gründer neue Rezepte. Dafür hat Planted eine umfangreiche Datenbank zu den Eigenschaften von pflanzlichen Proteinen angelegt. Gründer Böni spricht über „Plattformen“, wenn er Fleischersatz-Sorten meint, die beliebig mit verschiedenen Soßenrezepten zu neuen Produkten kombiniert werden können. Gerade erst hat Planted ein veganes „Pulled Pork“ lanciert. Derzeit tüftelt das Team an der wohl größten Herausforderung: einem „whole cut“, also einem veganen Steak.
Die Ersten, die ein veganes Steak auf den Teller bekommen, dürften erneut Köche sein. Zumindest will Planted weiter mit Gastronomen kooperieren, in Märkten, in denen das Start-up expandieren will. „Wir setzen auf lokal bekannte Restaurants, die auch von ihren Werten her gut zu uns passen“, sagt Co-Gründer Jenny. Nur auf den Verkauf der Ware aus den Restaurantküchen heraus ist Planted nach der aktuellen Finanzierungsrunde nicht mehr angewiesen.
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