Vegetarische Ernährung „Fleisch wird für mich zur Beilage“ – Feinkost Käfer setzt auf Gemüsepflanzerl statt Grillhendl

„Kunden und junge Mitarbeiter fragen immer öfter, was wir tun, um nachhaltig zu sein“, sagt Feinkostgastronom Michael Käfer.
München Feinkost Käfer: Das ist ein Begriff wie Dallmayr-Kaffee oder Beluga-Kaviar – eine Klasse für sich. Vom Stammhaus in München-Steinhausen aus beliefert der Inhaber der Unternehmensgruppe Michael Käfer Delikatessmärkte in ganz Europa. Beim Oktoberfest, das dieses Jahr pandemiebedingt erneut ausfällt, versorgt er normalerweise täglich 15.000 Menschen mit Brathendl und Fleischpflanzerl – für Ortsfremde: Frikadellen. Und selbst im Reichstagsgebäude essen die Abgeordneten in seinem Restaurant.
Dass der bekannte Spitzengastronom nun ein vegetarisch-veganes Restaurant – das „Green Beetle“ – eröffnet hat, setzt ein Zeichen für eine gesamte Branche. „Nachhaltigkeit ist nicht irgendein Trend. Das wird uns in den nächsten Jahrzehnten enorm beschäftigen“, sagt Michael Käfer beim Gespräch mit dem Handelsblatt im Obergeschoss der Münchener Käfer-Schänke.
Edelgastronomie und Nachhaltigkeit schlössen sich einander für ihn nicht aus. Vielmehr müsse sich jede Marke mit dem bewussten Umgang mit Ressourcen auseinandersetzen. „Kunden und junge Mitarbeiter fragen immer öfter, was wir tun, um nachhaltig zu sein“, sagt er und gibt die Antwort gleich selbst: „Für mich wird Fleisch in Zukunft allenfalls die Beilage sein.“ Statt eines 130-Gramm-Steaks genüge auch ein 60-Gramm-Steak – natürlich in guter Qualität.
Die Frage nach Nachhaltigkeit stellen sich Gastronomen quer durchs Land. Immer mehr Restaurantbesitzer, Feinkosthändler und Start-up-Gründer wollen mit Pflanzenprodukten Geld verdienen. „Wir stehen erst am Anfang eines großen Wandels“, meint Benjamin Morach, Partner der Strategieberatung BCG.
Bis 2035 dürfte der weltweite Umsatz mit Fleischersatzprodukten von 40 Milliarden Dollar auf 290 Milliarden Dollar pro Jahr steigen, prognostiziert eine BCG-Studie. Jede zehnte Portion Fleisch, Ei oder Milch werde dann durch eine pflanzliche Alternative ersetzt.
Immer mehr vegane Restaurants
Auch die Zahl der veganen Gastronomiebetriebe hat sich in Deutschland in den vergangenen acht Jahren von 75 auf 300 Stück vervierfacht. „Gastronomen fangen an, vegane Produkte anzubieten – um junge Menschen zu erreichen und um nicht altmodisch auszusehen“, bestätigt Trendbeobachter Mathias Haas, der gesellschaftliche Strömungen analysiert und für Unternehmen und Forschungseinrichtungen sichtbar macht.
Denn die Nachfrage nach fleischloser Kost ist hoch. Mehr als eine Million Deutsche verzichten laut einer Allensbach-Umfrage weitgehend auf Fleisch oder bezeichnen sich selbst als Vegetarier. 1,2 Milliarden Euro wurden im Vorkrisenjahr 2019 mit vegetarischen oder veganen Lebensmitteln umgesetzt, ermittelten die Marktforscher von Nielsen.
Für Restaurantbesitzer sei diese Entwicklung eine Chance. Gerade für Spitzengastronomen wie Michael Käfer seien „pflanzliche Ersatzprodukte ein Mittel, Veganer zu bedienen und gleichzeitig innovativ zu sein“, sagt Haas. Zudem sei der Druck, neue Gerichte zu kreieren, „vor allem in der Spitzengastronomie brutal“. Zwar sei der Anteil veganer Angebote dort noch sehr gering. Doch würden in den kommenden Jahren vor allem Spitzengastronomen den Trend weiter prägen, denn im Premiumsegment seien Budget und „Zeit für Sinnfragen“ eher vorhanden als in Betrieben niedriger Preisklassen. Gleichzeitig seien die Kunden eher bereit, für nachhaltige Produkte Geld auszugeben.
Michael Käfer führt das Geschäft in dritter Generation. 1930 eröffneten seine Großeltern ein Kolonialwarengeschäft mit Weinen und Flaschenbier in München. In den Sechzigerjahren übernahmen die Söhne Gerd und Helmut Käfer das Geschäft. Sie erweiterten das Angebot um Feinkostprodukte und etablierten einen Mittagstisch im Münchener Stammhaus. Michael Käfer trat 1988 in die Geschäftsleitung ein. Seitdem sein Vater das Unternehmen 1995 verlassen hat, führt er als alleiniger Gesellschafter die Geschäfte der Käfer-Gruppe. Seine Frau Clarissa Käfer ist als kaufmännische Geschäftsführerin in der Zentrale tätig. Sie verantwortet die Nachhaltigkeitsthemen im Konzern.
Der Umsatz der Käfer-Gruppe lag im Jahr 2020 bei 90 Millionen Euro. Damit ist er zwar knapp um die Hälfte gegenüber dem Vorkrisenjahr geschrumpft, doch Käfer hat die Krise nach eigenen Angaben durch die Erträge der Vorjahre gut überstanden. Um die Umsatzeinbußen auszugleichen, entwickelte er außerdem neue Vertriebsformen.
Bei virtuellen Geburtstagsfeiern etwa treffen sich die Gäste per Videokonferenz; Speisen und Getränke schickt ihnen der Feinkosthändler nach Hause. Gleichzeitig belieferte der Gastronom Seniorenheime, die ihre Küche wegen Corona schließen mussten. Die Infrastruktur war vorhanden. Im Bereich Partyservice ist Käfer europäischer Marktführer im Premiumsegment.
Klimaneutral bis 2025
Bis 2025 will Clarissa Käfer das Unternehmen Schritt für Schritt klimaneutral machen. Als Familienunternehmen sei es leichter, Umweltschutz durchzusetzen, erklärt sie. „Mittelständler sind nicht die besseren Menschen, aber sie haben den Systemvorteil, schnell und unabhängig agieren zu können“, sagt sie.
Die Maßnahmen orientiert Käfer am „Greenhouse Gas Protocol“, der Standardreihe zur Bilanzierung von Treibhausgasemissionen des World Resources Institute. Schritt eins decke die direkten Emissionen ab, etwa durch den Verbrauch von Erdgas oder Benzin, Schritt zwei umfasse den indirekten Treibhausgasausstoß, zum Beispiel durch Stromverbrauch bei der Verarbeitung von Lebensmitteln. Schritt drei beinhaltet alle Emissionen in der Wertschöpfungskette. Den Ausstoß zu verhindern „ist wegen der Vielzahl an Produkten und Lieferanten aber nur teilweise realisierbar“, erklärt Käfer.
Um weniger Abfall zu produzieren, setzt der Konzern eine Künstliche Intelligenz ein, die unter anderem anhand der Daten aus dem Kassensystem prognostiziert, wie viel und welche Gerichte die Gäste am jeweiligen Tag verzehren werden.
In den Käfer-Restaurants sei das vegane Fleischpflanzerl des Münchener Start-ups Greenforce besonders beliebt, das Käfer neben Seidentofu und Burger-Patties auch als Fertigmischung zum Anrühren in seinen Feinkostmärkten vertreibt. Thomas Isermann produziert dieses Produkt, das unter anderem aus Erbsenpulver, Sonnenblumenkernen und Gewürzen besteht. Er kennt Käfer schon lange, die beiden seien sich auf Lebensmittelmessen und auf dem Oktoberfest begegnet, sagt er. Er ist voll des Lobes: „Ich kenne keinen Unternehmer, der so fleißig ist und so an seine Themen glaubt.“ Wer ihn auf dem Oktoberfest „beim Catering oder beim Bewirten seiner Gäste“ erlebe, der treffe einen Mann, der „für seine Sache brennt“.
Isermanns Produkte habe Käfer mehrfach verkostet. Besonders gut schmecke ihm die vegane Bratwurst. Die wolle Käfer auch bald in sein Sortiment aufnehmen, sagt Isermann.
„Das Oktoberfest ist die schönste Zeit im Jahr“, sagt Michael Käfer. Bis dahin testet er den Verkauf der veganen Produkte schon mal im „Green Beetle“.Mehr: Gut für Tierwohl und Klima: Künftig gibt es Steak und Burger aus dem Labor
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