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Vermögensunterschiede Ungleichheit in Deutschland: Mittelstand weist Kritik des IWF verärgert zurück

Familienunternehmer sorgen für Ungleichheit in Deutschland, kritisiert der IWF. Der Mittelstand fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt.
14.07.2019 - 14:58 Uhr Kommentieren
Der Unternehmer und Vizepräsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Die Familienunternehmer investieren den allergrößten Anteil der Gewinne wieder in ihre Unternehmen.“ Quelle: imago/Jürgen Heinrich
Arndt Kirchhoff

Der Unternehmer und Vizepräsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Die Familienunternehmer investieren den allergrößten Anteil der Gewinne wieder in ihre Unternehmen.“

(Foto: imago/Jürgen Heinrich)

Düsseldorf Normalerweise hält sich der deutsche Mittelständler bedeckt, wenn öffentlich über die Vermögensverteilung im Land diskutiert wird. Sich zu politischen Themen oder Steuerfragen zu äußern überlässt er grundsätzlich lieber seinen Verbänden. Doch die aktuelle Kritik des Internationalen Währungsfonds (IWF) an deutschen Familienunternehmern hat diese ins Mark getroffen. Sie fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Die Ökonomen des IWF hatten in einem Bericht, der am Mittwoch veröffentlicht wurde, Deutschland als „eines der Länder mit der höchsten Vermögens- und Einkommensungleichheit der Welt“ bezeichnet. Als Quell des Übels machte der Währungsfonds die großen Familienunternehmen aus: Dort konzentriere sich der Reichtum des Landes in den Händen weniger. Die Erfolge der exportstarken Familienunternehmen vor allem in China hätten den im System angelegten Effekt seit dem Jahr 2000 erheblich verschärft.

Nach 2009 sei laut IWF ein Großteil des Wohlstandszugewinns in Deutschland in Form einbehaltener Gewinne von Familienunternehmen angefallen. Er komme damit nur wenigen zugute. Die Unternehmensteuerreformen 2001 und 2008, die einbehaltene Gewinne begünstigten, hätten den Effekt noch verstärkt.

Andreas Bettermann, Geschäftsführer in vierter Generation beim Gebäudetechniker OBO Bettermann, ärgert sich. Er hält die vom IWF aufgebaute Korrelation zwischen einem erhöhten Vermögensaufbau in Familienunternehmen und der Einkommensentwicklung der Arbeitnehmer in Deutschland genauso richtig wie den Zusammenhang zwischen „Tod durch Blitzschlag und Alkoholgehalt im Blut“. „Insbesondere in diesen Tagen ist es der Mittelstand, der – anders als mancher Konzern – von Massenentlassungen absieht, Geld für Investitionen und Arbeitsplätze aufbringt und dennoch gegenüber den Konzernen steuerlich benachteiligt wird“, so Bettermann.

Neid auf deutschen Erfolg

Auch Philip Harting fühlt sich als Familienunternehmer in dritter Generation zu Unrecht an den Pranger gestellt. Der Chef des Steckerspezialisten Harting hält die Äußerungen des IWF für „bedenklich“: „Sie dienen nicht einer sachlichen Diskussion über soziale Gerechtigkeit, sondern befördern eine Neid- und Umverteilungsdebatte.“

Hier werde versucht, das deutsche Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft zu zerschlagen. „Familienunternehmen sind das international anerkannte Rückgrat der deutschen Wirtschaft, für das uns viele bewundern“, sagt Harting. „Wir investieren als Familienunternehmen überdurchschnittlich in Deutschland, auch in Bildung und Ausbildung, und schaffen neue Arbeitsplätze.“

Volkmar Wywiol, Gründer der Stern-Wywiol-Gruppe in Ahrensburg, hält den IWF-Bericht für „stark politisch gefärbt“. „Soll hier ein erfolgreiches Wohlstandsmodell global im Wettbewerb beschädigt werden?“, fragt er sich. Seien nicht die Spitzenmanager der Großkonzerne die wirklich Reichen? Wywiol kann die Aussagen des IWF für sein Unternehmen – inhabergeführt, 500 Millionen Euro Umsatz, 1400 Mitarbeiter und 16 Auslandsniederlassungen – nicht bestätigen.

Stern-Wywiol stellt Nahrungsmittelzusätze her. „Familienunternehmer sind nicht reich, sondern ihre Gewinne werden immer wieder reinvestiert“, betont Wywiol. Nur dadurch könnten Spitzenleistungen – und damit gut bezahlte, sichere Arbeitsplätze – langfristig gesichert werden. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland.

Auch Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, hält die Bewertung des IWF für einseitig und unangemessen: „Sie ignoriert den wesentlichen Beitrag, den Familienunternehmen zu Beschäftigung, Wohlstand und Steueraufkommen in unserem Land leisten und von dem alle Bevölkerungsschichten profitieren.“

Arndt Kirchhoff, Chef des Autozulieferers Kirchhoff, bittet den IWF, noch einmal genauer hinzuschauen. Familienunternehmen würden das Geld nachhaltig investieren, vor allem in Arbeitsplätze. Dabei verweist er auf eine Studie des ZEW im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. Demnach haben die größten 500 Familienunternehmen zwischen 2007 und 2016 die Beschäftigung in Deutschland um 23 Prozent auf 2,54 Millionen ausgebaut.

Dagegen konnten die 27 Dax-Konzerne, die keine Familienunternehmen sind, die Beschäftigung nur um vier Prozent auf 1,55 Millionen steigern. „Die Familienunternehmer investieren den allergrößten Anteil der Gewinne wieder in ihre Unternehmen“, so Kirchhoff. Selbst die meisten Family Offices investierten in der Regel nachhaltig in mittelständische Unternehmen.

Der IWF fordert im Bericht höhere Steuern auf Vermögen in Deutschland. Vor allem die Erbschaft- und Schenkungsteuer müsste höher sein. Sie trage bisher nichts dazu bei, der Vermögenskonzentration bei wenigen Familien entgegenzuwirken.

Kontraproduktiv für Arbeitsmarkt

Michael Durach, Chef des Feinkostherstellers Develey, warnt: Eine Umverteilungspolitik würde den Mittelstand schwächen. Familienunternehmer seien aber die Stütze des deutschen Erfolgs. Sie zahlten ohnehin schon mehr Steuern als Konzerne und würden gerade im Erbfall benachteiligt beziehungsweise geschwächt. 

Das Papier des IWF lässt den „überzeugten Mittelständler“ Bettermann „verzweifeln“, eigentlich seien Entlastungen nötig, um weitere nicht staatlich gesteuerte Investitionen anzuschieben. Familienunternehmen als stabiler Träger des Wohlstands vieler aus „ideologisch motivierter Umverteilungswut zu zerstören“ hält Peter Binder, Chef der Binder GmbH aus Tuttlingen, für „ein ökonomisches Verbrechen“. „Nachdem wir offensichtlich erfolgreich unsere wichtigste Industrie, die Automobilbranche, beschädigen, wäre dies erneut kontraproduktiv für den Arbeitsmarkt.“

Gegen eine Erhöhung der Erbschaftsteuer spricht sich Volkmar Wywiol aus. Sie werde unter anderem auf Basis ungewisser zukünftiger Gewinne berechnet. „Wovon soll die Erbschaftsteuer bezahlt werden?“, fragt er. „Soll dem Unternehmen die lebenswichtige Liquidität entzogen werde? Oder verkauft der Unternehmer besser rechtzeitig an chinesische Staatsunternehmen oder US-Hedgefonds?“

Auch Philipp Haindl, Mitgründer der Mittelstandsholding Serafin-Gruppe, fürchtet, dass im Erbfall vermehrt ausländische Finanzinvestoren zuschlagen. „Wenn die Bevölkerung von starken Volkswirtschaften wie der unseren nicht in Unternehmen und Immobilien des eigenen Landes investiert, partizipiert die Bevölkerung auch nicht am Vermögensaufbau.“ Da helfe auch keine höhere Erbschaftsteuer. Er glaube nicht, dass durch Steuern irgendjemand anderes reicher und dadurch Ungleichheit beseitigt werde. Steuern müssten gar nicht erhöht werden, wenn die Steuerverschwendung reduzierte würde.

Dennoch befürwortet er eine Reform des Steuersystems: „Ich denke nicht, dass dieses gerecht ist.“ Der Spitzensteuersatz sei zu hoch, der auf Kapitalerträge zu niedrig. Beide sollten bei maximal 35 Prozent liegen. „Es kann doch nicht sein, dass Leistung höher besteuert wird als Dividenden“, so Haindl.

Auch Frosta-Chef Felix Ahlers hält die Gesamtsteuerlast im internationalen Vergleich schon für relativ hoch. Er sieht aber ebenfalls Reformbedarf: „Die Erbschaftsteuer sollte steigen, und im Gegenzug sollten Steuern auf Gewinne sinken.“ Dadurch hätten junge, erfolgreiche Unternehmer schneller etwas von ihrem Erfolg, und die Konzentration des Vermögens über Generationen würde sinken.

Mehr: Der IWF kratzt am deutschen Selbstverständnis „Wohlstand für alle“. Trotz Fehlern in seiner Kritik hat der Internationale Währungsfonds recht, kommentiert Donata Riedel.

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