Wiebke Ankersen im Interview Allbright-Geschäftsführerin: „Familienunternehmen werden weiter abgehängt“

Wiebke Ankersen führt seit 2016 gemeinsam mit Christian Berg die Geschäfte der AllBright Stiftung in Berlin. Die gemeinnützige deutsch-schwedische Stiftung engagiert sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft. Das von der Hamburgerin und ihrem Kollegen erstellte Ranking der Firmen bezüglich ihres Frauenanteils in Führungspositionen ist bei den einen gefürchtet, bei den anderen beliebt.
Frau Ankersen, Sie beobachten schon länger den geringen Anteil von Frauen in den obersten Gremien von Familienunternehmen. Getan hat sich wenig. Woran liegt das?
Wir haben in den Familienunternehmen sehr stabile Führungsstrukturen. Das ist eigentlich nicht schlecht, aber es bremst den Wandel. Die Familienunternehmen müssen eine gesunde Balance finden zwischen Tradition und Weiterentwicklung.
Gespräche zeigen uns, dass sie Vielfalt in der Führung häufig als Zeitgeistthema betrachten. Ein fataler Irrtum: Die Forderung nach mehr Vielfalt in der Führung und Chancengerechtigkeit ist Ausdruck eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels, den man als Unternehmen nicht ignorieren kann, wenn man in den Märkten bestehen will. Da gibt es durchaus Parallelen zum Thema Nachhaltigkeit. Beide Themen sind gekommen, um zu bleiben.
Haben sich Familienunternehmen bei Ihnen danach gemeldet?
Ja, eine gute Hand voll, mit denen wir jetzt in einem guten Dialog sind. Diese Gespräche haben auch noch einmal deutlich gemacht: Solange Chancengerechtigkeit nicht als konkretes strategisches Unternehmensziel gesetzt ist, ändert sich nichts.
Vielen Familienunternehmen fehlt die Überzeugung, dass Diversität sie weiterbringt. Sie aber sagen, es sei ein Performance-Thema. Wie belegen Sie das?
Eine Studie des Peterson Institute for International Economics in Washington zur Profitabilität hat mehr als 20.000 Unternehmen in 91 Ländern verglichen. Firmen mit einem Frauenanteil von mindestens 30 Prozent in der Geschäftsführung erzielten über alle Länder hinweg einen 15 Prozent höheren Reingewinn als die Unternehmen ohne Frauen in der Führung.
Das ist eine starke Korrelation, keine Kausalität, sagen Kritiker.
Diese Korrelation ist aber da. Für die Unternehmen ist es wichtig zu wissen, dass solche mit Frauen im Top-Management eine bessere Entscheidungsfindung haben: Wenn unterschiedliche Erfahrungshintergründe zusammenkommen, wird mehr geredet, mehr infrage gestellt, es wird leichter Neues entwickelt. Es gibt ein besseres Verständnis für Gesellschaften und Märkte, eine bessere Kundenorientierung, eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit. Das alles zahlt auf die Performance ein.
Welchen Einfluss hat eine diversere Führung für die Anziehungskraft von Talenten?
Diversity zieht Diversity an. Es ist wichtig, dass in der Top-Ebene Frauen sichtbar sind. Gut informierte Managerinnen gehen natürlich zu einem Unternehmen, wo sie sehen können, dass es ganz nach oben gehen kann. In Deutschland machen seit vielen Jahren mehr Frauen als Männer einen BWL-Abschluss, sie starten auch in den Unternehmen, kommen aber nicht oben an. Da stimmt etwas nicht mit dem Talentmanagement. Es wird aber heute erwartet, dass ein Arbeitgeber Chancengerechtigkeit herstellt, das ist in Deutschland noch relativ neu, in anderen Ländern ist es schon lange selbstverständlich. Dem können sich die Unternehmen nicht entziehen. Wir beobachten, dass bei den börsennotierten Unternehmen gerade viele Frauen rekrutiert werden, da werden die Familienunternehmen trotz erster Fortschritte erst mal noch weiter abgehängt.
Fordern Sie daher eine Quote auch für große Familienunternehmen?
Wir setzen auf Überzeugung. Wir sind seit fünf Jahren in Deutschland aktiv, wollen vor allem in der Breite sensibilisieren und sehen, dass das Bewusstsein wächst. Seit dem ersten öffentlichen Aufschrei, als Horst Seehofer 2018 seine rein männliche Mannschaft im Innenministerium vorstellte, hat sich einiges getan. Heute trauen sich nicht mehr viele, reine Männergremien zu präsentieren. Andere Länder wie die USA oder die skandinavischen Länder sind da weiter – ohne Quoten, aber mit öffentlichem Druck. Die Quote schafft ja keine Überzeugung, selbst gesetzte Ziele der Unternehmen sind da effektiver, wie das Beispiel Zalando zeigt. Der öffentliche Aufschrei war groß, als der Online-Modehändler sich eine Zielgröße null für den Vorstand gesetzt hatte, nun will das Unternehmen 50 Prozent erreichen – bis 2023.
Frau Ankersen, vielen Dank für das Interview.
Mehr: Deutschlands Familienunternehmen haben gefährliche Defizite bei der Diversität
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