Zukunft der Mobilität VW übernimmt die Digitalagentur Diconium komplett

Der Druck, Geschäftsmodelle fürs digitale Zeitalter fit zu machen, ist in den Autokonzernen allgegenwärtig.
Bonn Die Autobranche ist mitten auf dem Weg zur digitalen Mobilität: Volkswagen übernimmt dabei die verbleibenden Anteile der Digitalagentur Diconium, die der Stuttgarter Wirtschaftsingenieur Andreas Schwend gegründet hat. Der Mittelständler ist Experte für vernetztes Fahren.
Diconium zählt mit über 1000 Mitarbeitern weltweit zu den zehn größten deutschen Digitalagenturen, in einer Rangliste aus dem Jahr 2017 kam das Unternehmen auf Platz sieben. Über den vereinbarten Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Bereits Ende 2018 hatte sich VW bei Diconium mit 49 Prozent beteiligt und sich für den Rest ein Vorkaufsrecht gesichert. Zum Kaufpreis äußerten sich beide Seiten nicht.
Schwend bringt reichlich Auto-Knowhow mit. Zusammen mit seinem Co-Gründer Daniel Rebhorn hat der Schwabe bereits für Mercedes mit Cinteo eine eigene Digitalfirma mit 100 Mitarbeitern aufgebaut, die 2017 von dem Autobauer übernommen wurde.
Der Druck, Geschäftsmodelle fürs digitale Zeitalter fit zu machen, ist in den Autokonzernen allgegenwärtig. Ohne externe Hilfe gelingt die digitale Transformation allerdings nur schwer. Den meisten Unternehmen fehlen schlecht die Fähigkeiten und Erfahrungswerte, weswegen immer mehr Konzerne ihre Dienstleister in ihre Wertschöpfung integrieren.
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Mit dem vollständigen Erwerb erhofft sich der Autobauer schon 2025 zusätzliche Umsätze von etwa einer Milliarde Euro. Ab 2020 sollen jährlich mehr als fünf Millionen Autos der Marke VW vollvernetzt auf den Markt kommen. „Das ausgewiesene Expertenwissen, die Erfahrung und digitale Kultur unserer Kollegen von Diconium werden uns hier deutlich voranbringen“, sagt Christian Senger, Volkswagen Markenvorstand für Digital Car & Services und CEO der Car.Software-Organisation.
Gründer Andreas Schwend erklärt die künftige Rolle als hundertprozentige VW-Tochter so: „Unter dem Dach der Car.Software-Organisation entwickeln unsere Experten eine globale Online-Vertriebsplattform, über die Kunden der Konzernmarken künftig digitale Dienste und On-Demand-Funktionen für ihr vernetztes Fahrzeug kaufen und verwalten können.“ Dazu zählen konkret Funktionen wie Multimedia-Streaming im Auto, automatisches Bezahlen für Tanken, Laden und Parken sowie Updates für das Fahrzeug.
Im Gespräch betont Schwend vor allem die unternehmerische Eigenständigkeit: „Nach einem Jahr erfolgreicher Partnerschaft freuen Daniel Rebhorn und ich uns als Gründer sehr, diese einmalige Chance für unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter wahrzunehmen. Unsere Marke und DNA bleiben erhalten.“
Digitalexpertin Anja Hendel wechselt von Porsche zu Diconium
Im selben Schritt holt sich das Gründerduo Schwend und Rebhorn noch eine erfahrene Expertin mit Digitalisierungs-DNA in die Geschäftsführung: Anja Hendel soll das Unternehmen als Managing Director unterstützen. Eine ihrer Hauptaufgaben wird es sein, die direkte Zusammenarbeit mit dem Volkswagen-Konzern auszuweiten und diese in ihren Digitalisierungsbestrebungen zu beraten.
Die Wirtschaftsinformatikerin blickt auf jahrelange Erfahrungen beim europäischen Pharmagroßhändler Celesio, heute McKesson Europe, und beim IT-Beratungsunternehmen Capgemini zurück. Zuletzt leitete sie die Abteilung „Innovationsmanagement und digitale Transformation Finanzen“ der Porsche AG und war als Director des „Porsche Digital Labs“ in Berlin tätig, wo sie mit Innovationen wie Künstlicher Intelligenz, Blockchain oder Mixed Reality für frischen Wind bei dem Traditionsunternehmen sorgte.
Daniel Rebhorn kommentiert den Personalzuwachs: „Wir freuen uns darauf, mit Anja Hendel gemeinsam die digitale Transformation der Automobilindustrie und damit ein für Deutschland zentrales Zukunftsthema voranzutreiben.“ Auch Andreas Schwend freut sich über die Verstärkung: „Mit Anja Hendel sind wir nun noch stärker für die Zusammenarbeit mit Neukunden aufgestellt und können künftig unser digitales Portfolio weiter ausbauen.“
Der Wirtschaftsingenieur Schwend, Jahrgang 1968, gründete Diconium gemeinsam mit Rebhorn 1995 in Stuttgart. Kennengelernt haben sich die beiden Männer damals auf der Skipiste. Schwend war BWL-Student und Rebhorn IT-Freak. Sie freundeten sich an und gründeten gemeinsam eine Agentur, um Plattformen für den gerade aufkommenden Onlinehandel zu programmieren.
Inzwischen ist ihre Firma ein führender Spezialist für den Aufbau digitaler Geschäftsmodelle. Diese umfassen sowohl Strategie als auch Design der User Experience (UX), Implementierung und operative Umsetzung von Geschäftsideen.
Zu den Kernkompetenzen des Mittelständlers zählen die Entwicklung von Vertriebsplattformen für digitale Produkte und Services sowie IT-Systeme im Kundenmanagement. Zu den Kunden zählen neben VW auch andere Global Player wie zum Beispiel Kodak, Alaris oder Bosch. Die Übernahme durch VW soll im ersten Halbjahr 2020 über die Bühne gehen. Die Wettbewerbshüter müssen den Deal noch genehmigen.
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