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Fasttrack Wie Mittelständler gemeinsam die Start-up-Welt erobern

Hirschvogel und drei weitere Autozulieferer haben den Accelerator Fasttrack gegründet. Sie kooperieren mit jungen Unternehmen. Das zahlt sich für beide Seiten aus.
20.04.2020 - 12:48 Uhr Kommentieren
Der Mittelständler hat viel Erfahrung mit der Massenfertigung von Produkten. Diese Expertise gibt er an Start-ups weiter. Im Bild zu sehen sind Mitarbeiter Stephan Schrader, Mitarbeiterin Sandra Erhard und Werkleiter Oliver Maurer. Quelle: Hirschvogel Automotive Group
Produktion bei Hirschvogel in Denklingen

Der Mittelständler hat viel Erfahrung mit der Massenfertigung von Produkten. Diese Expertise gibt er an Start-ups weiter. Im Bild zu sehen sind Mitarbeiter Stephan Schrader, Mitarbeiterin Sandra Erhard und Werkleiter Oliver Maurer.

(Foto: Hirschvogel Automotive Group)

Denklingen Das oberbayerische Denklingen ist nicht gerade das Silicon Valley. „Wenn ein Mittelständler von hier aus in den Start-up-Kosmos hineinruft, dann ist der Widerhall nicht so groß“, sagt Florian Geretshuber. Der Manager ist Vizepräsident bei Ceravis, der Start-up-Einheit des Autozulieferers Hirschvogel, die in Denklingen ihren Sitz hat.

Um ein größeres Echo auszulösen, verbündete sich Hirschvogel 2017 mit den Mittelständlern Hoerbiger und Max Aicher und gründete „Fasttrack – The Familiy Business Accelerator“. Vor wenigen Monaten kam auch noch Hawe Hydraulik dazu. „Gemeinsam, unkompliziert, Hands-on“, lautete das Motto beim Start der Initiative. Die Unternehmen arbeiten mit Start-ups zusammen.

Inzwischen trägt die Kooperation Früchte. „Es ist eine Win-win-Situation“, zieht Geretshuber eine erste Bilanz. Die Familienunternehmen bekämen Zugang zu neuen Technologien und könnten diese mit geringem Risiko ausprobieren.

Die Start-ups wiederum erhielten Kontakt zu namhaften Referenzkunden und könnten von der Prozess- und Fertigungsexpertise der Traditionsfirmen profitieren. Viele von ihnen hätten vor allem keine Erfahrung damit, Produkte so weit zu entwickeln, dass sie marktreif sind.

Kooperationen sind das Gebot der Stunde

Gerade in Zeiten von Corona könnte sich das Modell auszahlen. Denn für Start-ups ist es schwieriger geworden, an frisches Kapital zu kommen. Auch Mittelständler überlegen es sich zweimal, ob sie hochbewertete Start-ups übernehmen, um an neue Technologien zu kommen.

In Zeiten technologischer Disruptionen waren schon vor Corona Kooperationen das Gebot der Stunde, auch für den Mittelstand. Die Technologien wandeln sich so schnell, dass man nicht mehr alles selbst entwickeln kann. Bei Hirschvogel hatte man das früh erkannt.

Das Familienunternehmen hat den Umsatz mit zum Beispiel mechanischen Getrieben und Radnaben Jahr für Jahr auf zuletzt 1,3 Milliarden Euro gesteigert. Doch ist das Geschäft stark vom Verbrennungsmotor abhängig. „Wir wollen unsere Mitarbeiter aber auch langfristig weiter beschäftigen und die Arbeitsplätze in Deutschland halten“, sagt Harro Wörner, der bei Hirschvogel für Sonderprojekte zuständig ist.

Der Wandel zur Elektromobilität ist die große Herausforderung. „Wir verstehen sehr gut Prozesse und können in Perfektion Massenprodukte herstellen“, sagt Geretshuber und bekennt offen: „Aber wir sind nicht sonderlich gut darin, neue Produkte zu erfinden.“

Und so suchte Hirschvogel schon ab 2016 die Kooperation mit Start-ups. Dabei verfolgte der Konzern zwei Ziele: Zum einen geht es darum, sich im Stammgeschäft weiterzuentwickeln, zum anderen will der Konzern in neue Geschäftsfelder diversifizieren.

Serienstart für Elektromotoren

So beteiligte sich Hirschvogel zum Beispiel über Ceravis an einem belgischen Start-up, das einen innovativen Elektromotor entwickelt hat. Die Technologie ist neu, doch hatte die kleine Firma keine Erfahrung in der Produktion.

Hier kommt nun der Investor Hirschvogel ins Spiel: Die Oberbayern werden künftig die Motoren als Auftragsfertiger an einem ihrer Standorte produzieren.

Ähnlich funktioniert es nun im Fasttrack-Accelerator. Die Netzwerker vom Munich Network übernehmen anhand vorab definierter Tech-Felder die weltweite Suche passender Start-ups. Nach einem Bewerbungsprozess kommen mehrmonatige, sehr praxisorientierte Projekte und Wertschöpfungskooperationen zwischen den auserwählten Start-ups und mal mit einem, mal mit mehreren der vier Fasttrack-Partner zustande.

Bei dem Start-up-Accelerator haben sich schon Dutzende Start-ups präsentiert. Michael Strommer (links) und Florian Geretshuber treiben das Projekt voran. Quelle: Fasttrack
Präsentation von Fasttrack

Bei dem Start-up-Accelerator haben sich schon Dutzende Start-ups präsentiert. Michael Strommer (links) und Florian Geretshuber treiben das Projekt voran.

(Foto: Fasttrack)

„Für Start-ups ist die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit gleich mehreren Mittelständlern eine super attraktive Gelegenheit“, sagt Katharina Hickel, Leiterin Innovations-Scounting von Munich Network, „viele Teams haben damit schon große Erfolge erzielt.“

Mittelständler seien ein idealer Kooperationspartner für Start-ups. „Die Strukturen sind überschaubar, und es geht alles schneller als bei Großkonzernen.“

Allerdings müsse im gesamten Familienunternehmen eine Bereitschaft zu offenen Innovations-Kooperationen vorhanden sein. Man brauche Projektleiter mit interner Durchschlagskraft. Anfangs gebe es in den Organisationen oft noch Widerstand gegen die ungewohnte Öffnung nach außen. „Die Unternehmen lernen aber schnell, dass es eine Bereicherung ist.“

Viele Vorteile für Start-ups

Auch die Start-ups können stark profitieren. So hat das niederländische Start-up IMSystems das Accelerator-Programm von Fasttrack durchlaufen. Der Präzisionsmechatronik-Spezialist von Mitgründer Thibaud Verschoor hat ein Untersetzungsgetriebe für Elektromotoren entwickelt, bei dem die Kraftübertragung ohne Zähne erfolgt und dadurch präziser ist. Eingesetzt werden soll es vor allem in Roboterarmen.

Der Prototyp funktioniere, sagt Verschoor. Doch nun müsse man potenzielle Kunden überzeugen, dass sich das Produkt auch technologisch zuverlässig, zu wettbewerbsfähigen Preisen und schnell genug auf den Markt bringen lasse. „Die meisten sind in der eher konservativen Robotik-Branche erstmal skeptisch.“ IMSystems habe aber nur wenig industrielle Produktionserfahrung.

Hier half nun der Partner Hirschvogel. Die Experten des Autozulieferer kalkulierten zum Beispiel die Kosten des Getriebes genau durch. Dabei entdeckten sie etwa, dass es aus viel zu vielen Bauteilen besteht. Es gelang, die hohe dreistellige Zahl von Teilen zu reduzieren.

Hirschvogel habe auch die Skalierbarkeit des Fertigungsprozesses sowie die Möglichkeiten, diesen zu verbessern, untersucht, sagte Verschoor. So seien realistische Kosten und Vorlaufzeiten ermittelt worden. IMSystems konnte so den Business Case validieren und für künftige Kunden beweisen, dass die Technologie rentabel sein kann.

Eine dauerhafte Zusammenarbeit von IMSystems und Hirschvogel entstand aus der Fasttrack-Kooperation nicht. Und doch haben beide Seiten Nutzen gezogen. „Wir haben einmal in das interessante Feld der Robotik hineingeschnuppert“, sagt Geretshuber.

Und IMSystems gelang dank des verbesserten Produkts der große Coup: ABB, einer der größten Roboterbauer der Welt, stieg bei den Niederländern ein. „Das kann für uns der Durchbruch sein“, sagte Verschoor.

Scheitern gehört in der Start-up-Welt dazu, und so hat auch Hirschvogel nicht nur positive Erfahrungen gemacht. Der Einstieg bei einem Münchener Start-up erwies sich als Fehlinvestition. Die Firma hatte ein funkbasiertes System zum Tracken von Gegenständen in Warenströmen entwickelt.

Doch am Ende funktionierte die Technologie in der Praxis nicht. „Das war unsere erste Abschreibung, das tut natürlich weh“, sagt Geretshuber. Man habe aber viel daraus gelernt. „Und es war auch ein Test für das Management und die Gesellschafter, mit welcher Nachhaltigkeit sie die Chancen, aber eben auch die Risiken dieses Weges zu tragen bereit sind.“

Manche Produkte enttäuschen die Erwartungen

Laut einer Studie von UVC Partners (Unternehmertum Venture Capital) ist aufseiten der traditionellen Unternehmen einer der häufigsten Gründe für ein Scheitern der Projekte der Mangel an internen Kapazitäten. Noch öfter allerdings wird die Zusammenarbeit abgebrochen, weil das Produkt des Start-ups die Erwartungen nicht erfüllt.

Mal wird ein zu unreifes Stadium beklagt, mal eine zu niedrige technologische Performance. Auch spielen zu hohe Kosten, beziehungsweise ein zu hoher Preis, oft eine Rolle. Unprofessionelle Kommunikation untereinander ist inzwischen seltener ein Problem, da haben beide Seiten dazugelernt. Man spricht eine gemeinsame Sprache.

Und so sind auch die Traditionsfirmen inzwischen attraktiv für junge Talente, die früher eher bei einem Start-up angeheuert hätten. Michael Strommer zum Beispiel ist in der Region von Hirschvogel aufgewachsen. Nach dem Studium an der TU München arbeitete er unter anderem für die Digitaleinheiten von Hubert Burda Media, und es zog ihn hinaus in die Welt. „Ich konnte mir eigentlich nie vorstellen, für Hirschvogel zu arbeiten“, sagt er.

Doch als er mit 24 Jahren hörte, dass das Traditionsunternehmen im benachbarten Landsberg am Lech einen Incubator und Accelerator aufbauen wollte, war sein Interesse geweckt. „Er hat einen Sack voll Ideen mitgebracht“, erinnert sich Ceravis-Manager Geretshuber. Die alte und die neue Welt haben fern des Silicon Valley zusammengefunden.

Mehr: Warum die Gründerszene mit der Start-up-Metropole Hamburg abrechnet.

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