Heimbetreiber European Homecare Profite mit dem Elend anderer

Beim Heimbetreiber EHC sprudeln die Gewinne.
Essen Teppichboden, ein Ikea-Regal mit Bilderbüchern, ein Gummi-Dinosaurier: Die Kinderspielecke im Flüchtlingsdorf in Essen-Karnap wirkt trostlos. Immerhin: Es gibt eine. „Vorher lief hier als Kinderbetreuung nur der Fernseher“, sagt Michael Schwamborn, Ratsherr im Essener Stadtparlament. Der Betreiber der Einrichtung, die Essener Firma European Homecare (EHC), spare wo er kann.
Knapp 700 Menschen lebten zwischenzeitlich in der provisorischen Flüchtlingsunterkunft im Norden der Stadt. In stickigen Zelten auf engstem Raum, mit Sanitäranlagen in Containern, eingezäunt und rund um die Uhr bewacht von einem Sicherheitsdienst. Zehn solcher Zeltdörfer mit insgesamt 4.000 Plätzen gibt es in der Ruhr-Metropole. Sie alle werden von EHC betrieben. Das Geschäft ist so einträglich, dass Geschäftsführer Sascha Korte inzwischen eine ganze Reihe weiterer Firmen um die EHC herumgebaut hat. Die Flüchtlingskrise ist seine große Chance.
Der Höhepunkt der Krise traf im Sommer vergangenen Jahres viele Kommunen völlig unvorbereitet: Mehr als eine Million Menschen kamen 2015 ins Land, nirgendwo gab es ausreichend Unterkünfte. Die Flüchtlinge wurden in Sporthallen und Zeltstädten untergebracht. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer schätzen die Gesamtkosten für Unterkunft und Integration der Menschen mittlerweile auf 20 Milliarden Euro. 2015 gab allein das Land Nordrhein-Westfalen zwei Milliarden Euro für die Flüchtlinge aus, 2016 werden es 4,6 Milliarden sein. Für Betreiber von Unterkünften, Sicherheitsfirmen, Zeltverleiher, Container-Bauer und Caterer bedeuten diese Zahlen ein großes Geschäft.

Reich durch die Not anderer.
Der Essener Unternehmer Sascha Korte ist mit seiner Firma European Homecare Marktführer unter den Betreibern von Flüchtlingsheimen. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben 2.000 Mitarbeiter und betreibt 100 Unterkünfte mit insgesamt 20.000 Plätzen für Flüchtlinge. Doch Korte scheut die Öffentlichkeit. Stattdessen hat EHC den PR-Berater Klaus Kocks engagiert. Kocks war Chef-Kommunikator bei Volkswagen, und vertritt die Ansichten wie: „Natürlich darf ein PR-Manager lügen; das ist vielleicht ja sein Job.“
Kortes Unternehmen gibt sich als Billigheimer: „European Homecare ist der Aldi unter den Anbietern“, sagte Kocks einmal dem Handelsblatt. Tatsächlich: Noch 2014 lag die durchschnittliche Tagespauschale, gemessen am Jahresumsatz pro Asylbewerberplatz des Unternehmens, bei 14 Euro.
„Der Aldi unter den Anbietern“
Korte kann aber auch anders. Exakt 1.706 Euro und einen Cent überweist die Stadt Essen derzeit pauschal an European Homecare. Pro Flüchtling, pro Monat im Zelt. Das entspricht einer Tagespauschale von knapp 57 Euro – das Vierfache des Durchschnittspreises von 2014. Der Preis richte sich nach den Kosten, erklärt EHC-Sprecher Kocks. Die Kosten seien je nach Gegebenheit unterschiedlich. „Wenn EHC den Auftrag erhalten hat, war EHC der günstigste Anbieter.“
Nun ist „günstig“ ein dehnbarer Begriff. „Es ging damals darum, Massen-Obdachlosigkeit zu verhindern“, heißt es aus der Stadtverwaltung. Dies wollten die Verantwortlichen um jeden Preis verhindern. Sie zahlten den Preis, den die Anbieter aufriefen. Das rechnete sich für die Anbieter. Kortes EHC konnte 2014 den Gewinn von 1,4 Millionen auf 5,3 Millionen Euro steigern. Die Eigenkapitalrendite sprang von 66 Prozent auf 111 Prozent. Damit wurde jeder eingesetzte Euro Eigenkapital innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Und die Zeltdörfer in Essen sind noch gar nicht in der Bilanz von 2014 enthalten.
Gegründet wurde European Homecare Ende der 80er-Jahre von Kortes Vater und einem Geschäftspartner in Hessen. 2003 geriet die Firma erstmals in die Schlagzeilen: In einer EHC-Unterkunft in Traiskirchen in Österreich kam es zu einer Massenschlägerei – ein Mann wurde totgeprügelt, 30 weitere wurden verletzt. Wenig später beschuldigte eine Asylbewerberin aus Kamerun einen Wachmann der Vergewaltigung. Doch EHC trotzte den Skandalen, blieb Betreiber der Unterkunft.
2006 übernahm Korte junior die alleinige Geschäftsführung. Die Unternehmens-Bilanzen aus dieser Zeit zeigen: Das Geschäft lief stabil, nur 2010 musste European Homecare einen Verlust von rund 500.000 Euro verkraften. Kortes Geschäftsmodell funktioniert so: EHC verkauft den Kommunen ein Rund-um-Sorglos-Paket – von der Verwaltung der Unterkunft, über Verpflegung und Sicherheitsdienst bis zur Kinderbetreuung. Dafür zahlen die Kommunen eine Kopf-Pauschale. EHC wiederum vergibt einige Leistungen an Subunternehmer, darunter Sicherheitsfirmen und Caterer.
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